Hans Herrmann

Blutsbande


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      Hans Herrmann

      Blutsbande

      Landkrimi

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

       Kapitel 10

       Kapitel 11

       Kapitel 12

       Kapitel 13

       Kapitel 14

       Kapitel 15

       Kapitel 16

       Impressum neobooks

      Kapitel 1

      Der Mai hatte zu früh Einzug gehalten. Es war erst Mitte April, aber die Apfelbäume in den Obstgärten vor den stattlichen Emmentaler Bauernhäusern zeigten sich bereits in festlichem, zartrosa überhauchtem Weiss. Auch der Flieder stand in voller Blüte, der Kirschlorbeer, der Schneeball und die Maiglöckchen. Die Luft war gesättigt von balsamischen Düften. Vom strahlend blauen Himmel schien eine warme Frühsommersonne, die vereinzelten Buchen im Tannenwald hatten vor zwei Tagen das Laub ausgetrieben, und aus den Büschen in den buchsgesäumten Gärten ertönte vielstimmiger Vogelgesang. Hell ertönten die Glocken der weidenden Kühe, und wer die Augen schloss und lauschte, hörte auch das emsige Summen der Bienen.

      Langsam ging es gegen Abend. Klaus und Kathrin sassen auf dem Balkon des Lehrerhauses und gönnten sich nach dem Vorbereiten des nächsten Schultags eine kleine Pause. Sie unterrichtete hier, im kleinen Schulhaus des Emmentaler Dorfes Schwendiswil, die Unterstufe, er war Lehrer der Oberstufe. Im vergangenen Herbst war sie zu ihrem Kollegen und Liebsten ins Lehrerhaus gezogen; im kommenden Spätsommer wollten die beiden heiraten.

      Kathrin war im Dorf aufgewachsen, Klaus stammte aus der Stadt Bern. Er hatte sich in Schwendiswil aber gut eingelebt und war bei der einheimischen Bevölkerung bliebt. Das hatte er unter anderem seiner bescheidenen Art zu verdanken; Bescheidenheit gilt im Emmental als besondere Tugend. Zudem hatte er die Gabe, schnell zu begreifen, wo jemand der Schuh drückte, auch wenn sich sein Gegenüber vielleicht etwas umständlich ausdrückte oder kaum ein Wort über die Lippen brachte.

      „Herrlich, wie einem die Sonne nach diesem strengen Winter nun den ganzen Körper wärmt“, seufzte Kathrin. „Man glaubt die Wärme bis ins Mark zu spüren.“

      Sie räkelte sich wohlig im Liegenstuhl und griff nach Klaus’ Hand, der es sich neben ihr auf seinem altmodischen Schaukelstuhl gemütlich gemacht hatte. Er blickte über die hügelige Landschaft, die sich aus dem dunklen Grün der Tannen und den verschiedenen helleren Grüntönen der Wiesen und Felder zusammensetzte, deutete auf einen steilen Grashang zur Linken und sagte: „Dort, sieh nur, der alte Habegger mäht bereits Gras, und das nach alter Väter Sitte von Hand.“

      „Typisch; er ist halt zu geizig, um einen Motormäher anzuschaffen“, erwiderte Kathrin. „Lieber müht er sich mit der Sense ab.“

       „Ach, er ist halt etwas altväterisch, das hat mit Geiz doch nichts zu tun“, meinte Klaus lächelnd. „Freu dich doch lieber, dass es das noch gibt, Bauern, die die Sense zu führen wissen.“

      Kathrin lachte. „Du verteidigst das Emmental und seine Menschen, als stammtest du von hier, du zugezogener Stadtmensch!“

      Klaus gab ihr einen liebevollen Stüber. „Jemand muss doch ein Lob auf diese Gegend singen, wenn die Einheimischen selber nicht mehr zu schätzen wissen, was sie an ihrer unverfälschten Heimat haben!“

      „Nun ja, so unverfälscht ist es hier auch nicht mehr, das solltest du aber wissen, Herr Lehrer. Die modernen Medien haben bekanntlich auch auf dem Land Einzug gehalten und vernetzen die Menschen mit der ganzen Welt. Die Jungen von hier zücken ihr Handy jedenfalls flinker als du, du Kommunikationsverweigerer!“

      „Wenn sie es nur dazu benützen, um sich auf dem Laufenden zu halten, welche magersüchtige Filmtussi sich gerade von welchem drogensüchtigen Rockstar getrennt hat, kann mir das Smartphone gestohlen bleiben“, brummelte Klaus.

      „Ich hab’s ja genau wie du“, sagte Kathrin und strich sich eine blonde Haarsträhne aus dem ebenmässigen Gesicht, aus dem nussbraune Augen freundlich und klug in die Welt blickten.

      „Sag mal, Klaus, wen von deinen Leuten lädst du eigentlich an unsere Hochzeit ein – ich meine, wen ausser deiner Schwester?“

      Klaus, dessen Eltern und Grosseltern bereits gestorben waren, dachte kurz nach. „Ich denke, Onkel Hubert aus Deutschland, vielleicht noch meine Kusine Verena und ihre Familie, das wär’s aber auch schon“, sagte er. „Du weisst ja, es soll ein bescheidenes Fest werden, ganz in unserem Sinn, nicht mit Jubel, Trubel und ausgesucht blöder Heiterkeit. Ich kann darauf verzichten, mich beim Nachhausekommen durch ganze Berge von altem Zeitungspapier zu wühlen, das irgendwelche witzige Freunde in unserer Abwesenheit in der Wohnung aufgestapelt haben. Und wenn wir dann endlich doch noch ins Schlafzimmer gelangen, müssen wir feststellen, dass dein Auto ohne Räder aufgebockt mitten im Schlafzimmer steht. Ha ha.“

      „Dir fehlt eben der Sinn für derben Humor; aber keine Angst, wir haben ja keine Freunde, die solche Spässe toll finden“, sagte Kathrin. „Aber du hast recht, was das Fest anbelangt: Schön soll es werden, feierlich, aber auch einfach, wie es zu uns passt, im engeren Familien- und Freundeskreis. Das wird meinem Grossvater besonders gefallen, er liebt das Einfache und Überschaubare.“

      „Aber diesmal koche ich nicht“, stellte Klaus lächelnd klar. Er hatte an der kleinen Verlobungsfeier im Januar nämlich darauf bestanden, für Eltern, Grosseltern und Geschwister selber zu kochen, was bei Kathrins Grossvater ausserordentlich gut angekommen war. Das währschafte Mahl, dessen Hauptgang aus einem Rindsvoressen, Kartoffelstock und Karotten bestand, hatte dem Alten trefflich gemundet, und er hatte gescherzt: „Ich bekomme einen Schwiegerenkel, der als Schulmeister die Weisheit und als Küchemeister die Kochkunst mit Löffeln gefressen hat – das lasse ich mir gefallen!“ Als es zum Nachtisch dann auch noch eine gebrannte Creme mit einer karamellisierten Birne gab, kannte sein Lob kaum mehr Grenzen.

      Plötzlich