Jürgen Ruszkowski

Seemannsschicksale aus Emden und Ostfriesland – erlebte Geschichten rund um die Seefahrt


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die „schwer arbeitenden“ Akteure wurden immer lustiger, der Getränke-Nachschub lief wohl gut. Unser 1. Offz. kreiste um die Truppe wie ein Schäferhund um seine Herde und hatte ab und zu seine liebe Not, die Täufer von zu „harten“ Aktionen abzuhalten bzw. zu bremsen.

      Ich war inzwischen ziemlich „fix und alle“ und musste jetzt auf die Luke zum Friseur. Der hatte seinen Stuhl am Ende der Luke aufgebaut, direkt hinter ihm zwischen Luke 3 und 4 war das Taufbecken.

      Es war ein ca. 2,50 x 2 m und ca. 1,50 m hohes aus Latten zusammengezimmertes und mit Persenning ausgekleidetes mit Seewasser gefülltes Bassin. Die Ladebäume von Luke 4 waren so gestellt worden, dass eine Rolle mit einem „Tampen“ (Tau) direkt darüber hing.

      Ich musste mich nun auf den Friseurstuhl setzen, Rücken zum direkt dahinter unten aufgebauten Taufbecken. Der Friseur klatschte mir meine Haare und mein Gesicht nun so richtig schön mit beißendem Seifenschaum voll und begann dann seine recht schmerzhafte „Holzmesser“-Rasur.

      Inzwischen war ich durch die vorhergegangenen Strapazen ziemlich „willenlos“ geworden und sah die Umgebung nur noch wie durch einen Schleier. Dass mir während der Barbiererei ein Strick um den rechten Fuß gebunden wurde, bekam ich gar nicht richtig mit. Nachdem ich die obligatorische Frage mit „1 Kiste“ beantwortet hatte, stieß mich der Friseur rücklings von meinem Stuhl ins Taufbecken.

      Die beiden „baumlangen“ Täufer nahmen mich „freundlich“ in Empfang und tauchten mich erstmal kopfüber unter Wasser. Obwohl ich auch recht kräftig proportioniert bin, war wehren zwecklos. Als ich es kurz versuchte, fing mein rechtes Bein auf einmal an, nach oben zu schweben. Der an ihm befestigte Tampen lief über die oben hängende Rolle, ein seitlich postierter Neger brauchte nur kräftig zu ziehen; ich war völlig hilflos, würgte und spuckte und hing mit den Beinen nach oben wehrlos im Wasser. Es war die Hölle, ich konnte nur eine Hand mit ausgestreckten zwei Fingern (zwei Kisten!) nach oben halten; gnädigerweise ließ man es dann dabei bewenden!

      Ausnahmslos alle Täuflinge waren spätestens hier im Taufbecken mit ihrem evtl. noch vorhandenen Widerstand am Ende! Hier wurde uns bewiesen, dass wir „zerbrochen“ waren und das taten (bzw. „schrieben“) was die Täufer wollten, der eigene Wille war weg!

      Am schlimmsten traf es unseren 2. Ing., einen Kerl wie ein Bär. Er hatte vorher am meisten „rumgetönt“, dass von ihm nicht eine Flasche Bier zu erwarten sei; im Becken „schrieb“ er alles, was man von ihm wollte. Die vielen zusammengekommenen Kisten Bier brauchten anschließend natürlich nicht alle bezahlt werden und wurden auf ein vertretbares Maß zusammengestrichen, aber uns Täuflingen wurde damit nur klargemacht, dass wir voll in „Neptuns Hand“ waren!

      Nachdem man mich nun endlich aus dem Taufbecken entlassen hatte, musste ich noch (fast kriechend) zum Herrscherpaar, dem ich nach „bestandener“ Taufe die Reverenz erweisen musste. Thetis knallte mir „huldvoll“ welche um die Ohren und ich muss ihr die dick mit Staucherfett eingeschmierten Füßchen küssen. Neptun freute sich und nuckelte „hoheitsvoll“ an seiner Bierflasche.

      Zu guter letzt wankte ich noch zu dem hinter seinem Podest stehenden Pastor. Der beschied mir nun: „Hiermit taufe ich Dich auf den Namen „Qualle“!“ (Jeder Täufling bekam einen Fischnamen, mit meinem musste ich nun leben!)

      Des Pastors letzte Amtshandlung bestand dann darin, mich das während der Zeremonie aufgelaufene „Bier-Ticket“ unterschreiben zu lassen und mir dann noch die „Holz-Bibel“ leicht auf den Schädel zu donnern.

      Das war's dann, ich war entlassen!

      Selten hat mir eine kalte Flasche Bier so gut geschmeckt wie die erste nach dieser „Tauf-Tour“!!!

      Bis alle „Brüder im Leid“ getauft waren, verging noch einige Zeit. Beim Zuschauen waren die Strapazen bald vergessen, der Mensch ist ja von Haus aus schadenfroh.

      Abends fand dann an Deck eine Riesen-Äquator-Party statt; Grill und Getränke vom feinsten; Ausgabe der Taufscheine, Shanty-Gesänge, deftige „Storys“ wurden „vertellt“ und die ganze Crew war „ HAPPY“!

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      Geschichten aus der Seefahrt, by: Udo Tjardes „Paletti“

      Geburtstag in Tokio – 28. August 1972

      Seit etlichen Tagen lagen wir mit dem Kühlschiff „POLAR URUGUAY“ im Hafen von Tokio und löschten gefrorenen Fisch, den wir teils in Las Palmas auf Gran Canaria bzw. Spanisch-Sahara von etlichen großen japanischen Fischfabrik-Schiffen“ und von kleinen japanischen Fischtrawlern übernommen hatten. Außerdem hatten wir in den unteren Kühldecks noch ca. 2.000 tons Gefrierhähnchen aus Bulgarien zu löschen.

      Da hier an der Kühlpier nur am Tage von 07:30 bis 16:30 Uhr gearbeitet wurde, ergaben sich natürlich entsprechend lange Liegezeiten, von denen in der heutigen hektischen Seefahrt Seeleute höchstens mal träumen können!

      Ich selber fuhr hier schon über ein halbes Jahr als Funk-Offz./Verwalter (d.h. außer Funker noch Zahlmeister und „Speckschneider“); und alle, mit denen ich gut klarkam (also fast die gesamte 30-köpfige Besatzung, wirklich!), waren natürlich in höchstem Maße daran interessiert, mich an meinem heutigen Geburtstag mal so richtig zur Ader bzw. zum Gelde zu lassen.

      Vorher hatte ich schon ordentlich Reklame damit gemacht, dass ich meinen Geburtstag an Land feiern würde; mit japanischen Spezialitäten wie Sushi (roher Fisch mit diversen Sößchen) und plenty heißem Sake (japanischer Reiswein).

      Von einem mir bekannten japanischen Zollbeamten hatte ich mir einen diesbezüglichen Zettel in japanischer Schrift über die o. g. Wünsche schreiben lassen. Mit diesem Zettel in der Tasche ging ich nun morgens erstmal alleine an Land, um eine entsprechende Kneipe für die Geburtstagsfeier auszugucken. Der Zöllner hatte mir erklärt, ich solle zuerst per Taxi zum zentralen Busbahnhof von Tokio fahren; da solle ich dann mit Hilfe seines Zettels rumfragen, es gäbe dort in der Gegend jede Menge gute „Sushi-Lokale“.

      So ca. 10:00 Uhr morgens stand ich also am zentralen Busbahnhof von Tokio; um mich herum brauste das pulsierende Großstadtleben, und ich kam mir - ehrlich gesagt - etwas dumm und verloren vor.

      Irgendwo gegenüber in dem Gewimmel und unter den vielen japanischen Schriftzeichen entdeckte ich ein Schild „Coffee-Shop“ und dachte mir: „Egal, irgendwo musst du ja mal anfangen!“

      Ich also rüber und rein in den Laden. Es handelte sich um eine hochmoderne Imbissbude a' la „McDonalds“ mit etlichen Tischen und langem Tresen, um diese Zeit noch recht mäßig besucht; ich bestellte „One coffee please!“ Die hübsche kleine Japanerin schob mir eine Tasse Kaffee rüber. Ich bezahlte gleich und zeigte ihr den erwähnten Zettel mit den japanischen „Micky-Maus-Zeichen“. Sie strahlte mich lächelnd an, freute sich offensichtlich riesig, und erzählte mir auf perfekt japanisch irgendwelche Geschichten. Tja, englisch, spanisch und evtl. portugiesisch hätte ich ja vielleicht begriffen, aber das hatte ich nun leider nicht drauf.

      Zirka zwei Meter weiter rechts von mir stand ein sehr seriös aussehender älterer japanischer Herr vor seinem Kaffee am Tresen und beobachtete offensichtlich amüsiert meine Verständigungs-Klimmzüge. In Englisch mischte er sich nun ein und fragte mich, ob er behilflich sein könne. Hocherfreut gab ich ihm den Zettel und erklärte ihm meine Wünsche. Als er hörte, dass ich Deutscher sei und außerdem heute noch Geburtstag habe, verklärten sich seine Gesichtszüge. „Oh, oh, Duitsi Duitsi, ok ok, come with me, i show you the right place for your birthday-party!“ „Nun gut, es ist `nen Versuch wert!“, dachte ich. Wir also raus aus dem Laden, rin in das City-Gewimmel, durch enge Gassen voller geschäftiger Japaner/innen - ich immer im Schlepptau meines neuen seriösen Freundes, welcher dem Habitus nach (dunkler Anzug, Krawatte) offensichtlich ein Manager bzw. Banker war. Schließlich landeten wir vor einem unscheinbar aussehenden Laden, dessen Tür total mit langen Stoff-Fahnen mit diversen japanisch-chinesischen Schriftzeichen verhängt war. Nie und nimmer wäre ich darauf gekommen, dass das ein Sushi-Lokal sein könne. Ich hätte den Laden ohne Hilfe nie gefunden.