Jürgen Ruszkowski

Seemannsschicksale aus Emden und Ostfriesland – erlebte Geschichten rund um die Seefahrt


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Gemüsen, bunten Soßen usw., eine richtige Augenweide!

      Mein neuer Bekannter schien hier heimisch zu sein, die Chefin, „Mama-san“, eine nette ältere Dame in weiß, verbeugte sich „Ich-weiss-nicht-wievielmal“ vor ihm und begrüßte ihn richtig respektvoll, aber offenbar auch sehr herzlich.

      Rechts von der mächtigen Theke standen noch fünf Tischchen, der ganze Laden hatte vielleicht so 50 qm. Es war jetzt etwa 11:00 Uhr morgens. Mein neuer Freund hatte mir übrigens in aller Form (mit gegenseitigen Verbeugungen, alles sehr höflich) zum Geburtstag gratuliert; und nun ging's also zur Sache!

      Mr. Akhashi (so hieß der gute Mann meiner Erinnerung nach) war sehr stolz auf „sein“ Restaurant und wollte mir nun alles richtig erklären und demonstrieren, wogegen ich nun wirklich gar nichts einzuwenden hatte. Wir waren um diese Zeit noch die einzigen Gäste. Eine jüngere Bedienung und ein „Fischkoch“ in weiß standen noch hinterm Buffet, und nun brachte „Mama-san“ uns den ersten Krug mit heißem Sake (Reiswein). Man trinkt ihn aus kleinen Tongefäßen, schätze mal ca. 100-ml / 5-Schnäpse. Zuerst schmeckt das Zeug ja etwas „muffig“, aber wenn man sich „eingetrunken“ hat, etwa nach dem 3. bis 4. Krug, schmeckt Sake hervorragend; man kann richtig süchtig danach werden. Draußen war es übrigens ein richtiger heißer Sommertag mit sicher 25 bis 28 Grad, aber hier in dem Laden war es schön kühl mit air-condition.

      Nun legte Mr. A aber richtig los, nach dem ersten Töpfchen Sake wurde Sushi aufgefahren. Er erklärte mir auch immer bei jedem Häppchen die Fischsorte bzw. Körperpartie des betreffenden Fisches, die Zusammensetzung der Soßen und Gemüsezutaten etc. pp., wir hatten hauchdünne Scheibchen vom Thunfisch, Hai, Wal und was noch immer, garniert mit Algen, Seetang-Blättern, Soja in jeder Form und jede Menge Sößchen von mild bis höllenscharf - es war eine „Probier-Orgie“, sie dauerte so bis etwa 14:00 Uhr.

      Der Sake-Topf wurde nicht leer und mein Gönner aus Tokio schien einen Heidenspaß mit mir zu haben. Inzwischen waren natürlich auch noch andere Gäste in dem Lokal; jeder hatte noch Rezepte bzw. Ratschläge beizusteuern und alle waren fröhlich und freuten sich mit Mr. A über den deutschen Geburtstags-Seefahrer.

      Na ja, alles hat einmal ein Ende; ich hatte Mr. A ja gesagt, dass ich mit der Crew abends feiern wollte und wieder an Bord müsse; er schrieb mir die Adresse von diesem Laden auf und begleitete mich noch zu einem Taxi. Wir verabschiedeten uns rührend (der Reiswein wirkte inzwischen auch schon) und Mr. A legte mir noch mal ausdrücklich ans Herz, nun auch wirklich heute Abend in „seinem“ Sushi-Laden mit meinen Bordkameraden zu erscheinen und original japanisch zu essen und trinken, was ich ihm dann auch ehrenwörtlich versprach.

      So gegen 15:00 Uhr - richtig zur „coffee-time“ - war ich dann wieder an Bord und gab allen interessierten Leuten Bescheid, dass meine „japanische“ Geburtstagsfeier heute Abend an Land stattfinden würde, Start mit diversen Taxen um 18:30 Uhr.

      Es kamen mit mir zwölf Mann zusammen: 2. u. 3. Offz., 2. u. 3. Ing., „Blitz“ (Elektriker), 2 Ing.-Assis, SBM (Schiffsbetriebsmeister), Bootsmann und zwei Schmierer (Motoren-Wärter); alle natürlich ganz heiß darauf, den Funker nun mal so richtig zu schädigen bzw. abzukochen!

      Mit drei Taxen fuhren wir nun ohne Probleme zu meinem ausgewählten Sushi-Laden und kamen dort so kurz nach 19:00 Uhr an. „Mama-san“ begrüßte uns herzlich auf japanisch und brachte jedem sofort ein Töpfchen Sake. Die ganze Theke war nun fest in deutscher Hand! Was soll ich sagen, nun legten die Burschen so richtig los. Es wurde ein Fress- und Saufgelage, dass sich mir allmählich die Nackenhaare sträubten. Teilweise hatte ich den Eindruck, es würde für meine Gäste nie wieder im Leben etwas Fisch zu essen oder Reiswein zu trinken geben. „Mama-san“ hatte richtig Mühe, mit dem „Sake-kochen“ nachzukommen; sämtliche Sushi-Gerichte wurden verputzt usw. usw., es war unbeschreiblich. Die Stimmung stieg im Laufe der Zeit natürlich auch entsprechend, kernige Lieder erklangen und auch die anderen japanischen Gäste schienen viel Spaß an unserer Art des Feierns und an den Shanty-Gesängen der vom Sake beschwipsten Germanen zu haben. Es war also eine richtige „Runde Fete“; und ich sah manchmal vor meinem geistigen Auge die 10.000-Yen-Scheine (damals so ca. DM 100,-) aus meiner Brieftasche flitzen. Tokio war wirklich nicht billig, besonders solche Spezialitäten hatten ihren guten Preis.

      So nach ungefähr drei Stunden ging in uns wirklich nichts mehr rein! Nach einigen Mühen überredete ich die ganze Gang dazu, das Lokal nun doch zu wechseln. In der Nähe sollte sich noch ein auf „Bayrisch Hofbräuhaus“ gemachter Bier-Schuppen befinden, da wollte ich dann noch einen „Absacker“ ausgeben. Alle Mann waren damit mehr als einverstanden; nach dem vielen Fisch und Reiswein hatten sie jetzt alle einen ordentlichen Bierdurst!

      Nun gut, die Crew drängte zum Ausgang; und für mich kam ja hier nun die „Stunde der Wahrheit“; schließlich musste ich den ganzen Spaß ja nun auch bezahlen. Ich rechnete mit umgerechnet so ca. 600 bis 800 DM, für damalige (und heutige) Verhältnisse eine Menge Geld - aber das hatte ich vorher einkalkuliert und das war mir der Abend wert! Also versuchte ich nun, bei „Mama-san“ mein Geld loszuwerden.

      „Mama-san“ lächelte mich an, verbeugte sich pausenlos und erzählte mir ganz viel auf Japanisch. No, no, no - das verstand ich ja, aber wieso? Na, mit Hilfe eines anderen Gastes, der etwas Englisch konnte, kam ich endlich dahinter, dass „Mama-san“ von mir nicht einen müden Yen wollte. Die ganze Party war bezahlt von meinem vormittäglichen Gönner Mr. Akhashi; er hatte „Mama-san“ Order gegeben, alle meine Ausgaben über sein Spesen-Konto laufen zu lassen! Tja, das war echt ein Hammer! Mr. A wird sich eventuell über die Summe gewundert haben oder auch nicht; er hatte sie sicher übrig und mochte mich wohl leiden! Da er ja nicht anwesend war, konnte ich ihm nur telephatisch danken und Mama-san noch herzliche Grüße an ihn ausrichten lassen. Der Bootsmann, der zur Feier des Tages besonders hart zugelangt hatte, war vor Neid ganz gelb geworden und meinte nur: „Das sollte unsereinem mal auf dem St.-Pauli-Kiez passieren!“

      Nun ging's weiter, der Geburtstag war ja noch nicht vorbei! Wir hatten ja zwei Nautiker unter uns; durch deren geschickte Navigation gelangten wir nun wirklich mit „all hands“ in den erwähnten auf bayerisch getrimmten Bierschuppen. Es herrschte dort so richtige Festzelt-Stimmung, großer Saal, mächtige lange Holztische und Bier aus Maß-Krügen. Der Raum war gut gefüllt, man sah auch etliche Europäer bzw. Amerikaner, aber so um 75 Prozent waren Bier trinkende Japaner. Wir erwischten dann - Gott sei Dank - auch noch einigermaßen gute Plätze an einem langen Tisch am Rande des Saales. Unter uns saßen zwei „mittelalterliche“ fröhliche japanische Herren, welche offensichtlich schon etliche Maß intus hatten, und die richtig „happy“ waren, sich auf einmal in einer Runde deutscher Männer zu befinden. Eine Maß gab die andere, sie begriffen schnell, dass es mein Geburtstag war; und es wurde auch hier richtig lustig. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass wir das alte deutsche Volkslied „Wenn alle Brünnlein fließen“ inbrünstig und sehr melodiös schmetterten, wir in Deutsch und „lalala“ und die beiden in perfektem Japanisch. Etliche andere Lieder folgten in ähnlicher Form. So langsam ging es nun auf Mitternacht. Die beiden japanischen Kameraden hatten sich gerade verabschiedet, und nun kam der zweite dicke Hammer des Abends. Es ist ein Tatsachen-Bericht (kein Seemannsgarn)! Als ich die inzwischen erheblich angewachsene Zeche bezahlen wollte, wurde ich wieder mein Geld nicht los! Wie mir die Kellnerin erklärte, hatten unsere beiden japanischen Zechgenossen an diesem Abend wohl soviel „Spaß an der Freude“ gehabt, dass sie vor ihrem Abschied spontan unsere gesamte Zeche bereits beglichen hatten. Es war wirklich nicht zu begreifen, alle waren „geplättet“, der Bootsmann war in seinem langen Seemannsleben wohl erstmals richtig fassungslos (siehe oben)!

      Auf dem Heimweg an Bord (es war bereits nach Mitternacht) stoppten wir dann noch in der Nähe unseres Liegeplatzes gemeinsam in einer kleinen Hafenkneipe; da ist es mir dann endlich gelungen, noch eine Runde Bier und Schnaps zu bezahlen. Der gute Wille war ja immer vorhanden!

      Dieser, mein 29. Geburtstag in Tokio, hat sich bis heute in mein Langzeit-Gedächtnis gebrannt; ich werde ihn immer in guter Erinnerung behalten!

      Passagiers-Essen – (Die Rache des Chief-Stewards)

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