Mira Schwarz

Date to go - (K)ein Mann zum mitnehmen


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zum Tresen.

      Verdammt.

      „Wann ist dieser blöde Tag bloß endlich zu Ende?“, jammerte ich. Aber dann musste ich doch lachen. „Ich frage mich nur, woher Jasmin wusste, dass ich auf Coldplay stehe“, überlegte ich laut.

      Lena schloss für einen Moment die Augen und schüttelte fassungslos den Kopf. Dann zeigte sie auf mein schwarzes T-Shirt, auf dem in weißen Buchstaben der Name der Band prangte.

      „Komm, ich hab genug Sport gehabt“, sagte sie und sprang von ihrem Rad. „Gehen wir was Trinken.“

      „Das ist der beste Vorschlag des Tages“, seufzte ich.

      ***

      Als ich später in meinem Bett lag, ging mir das Gespräch mit Lena nicht aus dem Kopf.

      Die Vorstellung, mit einem charmanten, gutaussehenden Mann bei dem Geschäftsessen aufzutauchen, war wirklich verlockend.

      Auf der anderen Seite: wie sollte das gehen? Jeder würde doch sofort merken, dass ich nicht meinen Freund, sondern einen bezahlten Mann an meiner Seite hatte.

      Ich verwarf den Gedanken und dachte lieber über die Ferienanlage nach. Ich hatte mir schon immer gewünscht, eine ganze Anlage gestalten zu dürfen. Ich sah kleine Häuser in bunten Farben vor mir. Dazwischen Bäche und Seen, mit kleinen Holzbrücken. Ich träumte von bestem Holz, fortschrittlichen Energie-Konzepten, von Brunnen für die Wasserversorgung und einem Naturteich. Darüber schlief ich ein.

      Am nächsten Tag klingelte mein Wecker wie immer um halb sieben und ich hätte mir am liebsten die Decke über den Kopf gezogen. Ich musste sofort wieder daran denken, dass ich den gestrigen Tag damit verschwendet hatte, mir Stripclubs im Internet anzuschauen. Die feixenden Gesichter dieser Idioten würde ich so schnell nicht vergessen.

      Als ich im Büro ankam, sah ich sofort wieder das anzügliche Grinsen von Tobias, dem ich schon im Fahrstuhl in die Arme lief.

      „Hey, Chica“, begrüßte er mich.

      Ich verstand nicht, warum es ihm nicht langsam langweilig wurde, mich zu ärgern. Ich setzte ein möglichst unbekümmertes Gesicht auf.

      „Guten Morgen, Tobias“, wünschte ich ihm mit undurchdringlicher Miene. Ich würde mich nicht auf sein Niveau herablassen und auf seine dummen Spielchen einsteigen.

      „Und? Wen bringst du zu dem großen Essen mit?“, legte er auch sofort wieder den Finger in die Wunde.

      Ich sah seine nach hinten gegelten Haare und roch sein aufdringliches Aftershave.

      Echt, sein Verhalten war so daneben.

      Als wir beide damals in der Firma angefangen hatten, war Tobias ein paar Monate lang der reinste Charmebolzen gewesen. Er hatte mit mir geflirtet, was das Zeug hielt, brachte mir Kaffee mit, hielt mir die Türen auf. Wir hatten sogar ein paar wirklich interessante Gespräche, bei denen wir uns lange in den Pausen unterhielten und auch oft noch nach Feierabend.

      Und nur, weil ich nicht auf seine Anmache eingegangen war, tat er jetzt so, als wäre ich eine alte Jungfer. Oder lesbisch. Oder eine lesbische, alte Jungfer.

      Mir war klar, dass verletzter Stolz bei Männern schmerzen kann. Aber es so zu zeigen, war ebenfalls keine Art.

      Ich zuckte mit den Schultern und wollte ihn wortlos stehen lassen, aber er ließ sich nicht so leicht abschütteln.

      „Weißt du“, sagte er mit vertraulich gesenkter Stimme, „der Alte ist ein totaler Familienmensch. Er hat mal gesagt, wer nicht liebt, der hat auch keine Kreativität. Er hasst es, wenn man zu diesen Terminen alleine kommt.“

      Ich schluckte.

      War das schon wieder eine Lüge? Merkwürdigerweise glaubte ich ihm. Aber ich fiel ja auch auf jeden noch so dummen Aprilscherz herein. „Na, dann wirst du ihm ja sicher bald eine Verlobte präsentieren“, sagte ich sarkastisch.

      Er grinste selbstgefällig. „Wo du es gerade erwähnst: ich spiele gerade tatsächlich mit dem Gedanken, Sophia einen Antrag zu machen.“

      Verdammt. Da hatte ich wohl ein Eigentor geschossen. Ich hatte Tobias Freundin auf der letzten Weihnachtsfeier kennengelernt. Sie war wirklich hübsch und nicht mal besonders dumm. „Herzlichen Glückwunsch und richte ihr bitte mein Beileid aus.“

      Wir hatten fast unser Gemeinschaftsbüro erreicht, aber er ließ einfach nicht locker. „Also, kommst du wieder alleine?“

      Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ich bringe meinen Freund mit“, hörte ich mich dann sagen, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt.

      „Ja, sicher“, nickte Tobias ironisch. „Als ob du einen Freund hättest.“

      „Ich habe einen Freund und es tut mir jetzt schon leid für ihn, dass er einen ganzen Abend mit einem Idioten wie dir verbringen muss“, schoss ich zurück. Dann stolzierte ich in unser Büro.

      Als ich meinen Rechner hochfuhr, tobte ich innerlich immer noch. Ich wusste nicht, ob ich mich mehr über Tobias oder über mich selbst ärgerte. Auf jeden Fall war mir die Situation gehörig außer Kontrolle geraten. Ich konnte mir schon vorstellen, wie Tobias und Maik feixen würden, wenn ich jetzt doch allein zu dem Essen auftauchen würde.

      Ich verbannte alle Gedanken an mein unbefriedigendes Privatleben aus meinem Kopf und konzentrierte mich auf meine Arbeit. Ich fing an, ein paar Skizzen für ein Feriendorf zu machen. Dann suchte ich nach vergleichbaren Objekten, sah mir ein paar Baumaterialien im Netz an und begann, Zeit und Kosten zu kalkulieren.

      Als ich wieder von meinem Rechner aufsah, war der Tag fast vergangen und ich fühlte mich nach der Arbeit schon viel besser. Ich hatte mitbekommen, dass Tobias und Maik sich wie immer zusammentaten, um sich gegenseitig bei ihren Entwürfen zu unterstützten.

      Sollten sie doch.

      Wir würden ja doch nur die Vorarbeiten machen und dann würde einer von den namhaften Architekten aus der Firma die Federführung für das Projekt übernehmen.

      ***

      Auf dem Weg nach Hause fragte ich mich, warum ich mich von Tobias so aus der Ruhe bringen ließ. Die Antwort war so einfach wie fürchterlich: weil er Recht hatte.

      Ich wusste, dass mein Chef die fixe Idee hatte, dass man einen Lebenspartner haben musste.

      Morgen in einer Woche würden wir uns in einem Nobelrestaurant am Hafen treffen: mein Chef mit seiner Frau, Tobias und Maik mit ihren Freundinnen und der japanische Investor Masuda. Auch er würde sicher in Begleitung erscheinen. Der Gedanke, innerhalb einer Woche einen offiziellen Freund auftreiben zu müssen, machte mich fast wahnsinnig.

      Noch viel schlimmer war aber die Vorstellung, alleine bei dem Essen aufzukreuzen.

      Es war schon acht, als ich endlich in meiner Wohnung in Eimsbüttel ankam. Ich hatte mir auf dem Rückweg noch etwas vom Japan-Imbiss mitgenommen und war mir der Ironie völlig bewusst, dass ich während einer japanischen Mahlzeit schon wieder alleine essen sollte.

      Ich warf meine Schlüssel auf die Kommode und zog Schuhe und Mantel aus. Vor meinem Balkon ging gerade die Sonne unter. Ein winziger orangener Streifen war gerade noch zu sehen. Ich blieb eine Weile vor der Terrassentür stehen und beobachtete, wie es dunkel wurde. Dann zog ich die Vorhänge zu und machte mich auf den Weg in die Küche. Abschließend setzte ich Teewasser auf und schaltete mein Notebook ein.

      Während ich die gebratenen Nudeln mit Hühnchen und Gemüse direkt aus der Schachtel aß, sah ich mir noch ein paar Feriendörfer an. Aber ich konnte mich nicht konzentrieren. Immer wieder wanderte mein Blick zu meiner Trainingsjacke, die ich gestern Abend über einen Stuhl in der Küche geworfen hatte. In der Innentasche steckte der Zettel, auf den Lena die Internetadresse der Begleitagentur geschrieben hatte.

      Irgendwie hatte ich Hemmungen, mir die Seite im Netz anzusehen. Ich kam mir vor wie ein Perverser, der sich Pornoseiten reinzieht. In Zeiten der NSA-Affären war privates Surfen schließlich nichts, was man als