Mira Schwarz

Date to go - (K)ein Mann zum mitnehmen


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gewesen. Da war doch eine seriöse Begleitagentur gar nichts dagegen!

      Bevor ich meine Meinung ändern konnte, fischte ich schnell den Zettel aus der Tasche und tippte die Internetadresse ab. Ich hielt den Atem an und erwartete instinktiv Bilder von spärlich bekleideten Menschen in aufreizenden Dessous.

      Gott sei Dank sah die Seite wirklich seriös aus.

      Da hatten die NSA-Agenten keinen Grund für spöttische Bemerkungen, wenn sie mir jetzt virtuell über die Schulter schauten. Man sah nur einen Tisch mit einem weißen Tischtuch. Darauf standen Wein, ein Brotkorb und zwei Pasta-Gerichte.

      Ich überflog aufgeregt den Text. Man musste sich nur mit seiner E-Mail-Adresse und einem Passwort einloggen, schon konnte man hier an die sogenannten Sedcards der Begleiterinnen und Begleiter herankommen. Eine Gebühr wurde erst fällig, wenn man die Kontaktdaten anforderte. Es fühlte sich kein bisschen verrufen an. Also registrierte ich mich, gab meine Postleitzahl ein und schon konnte es losgehen.

      Ich vertiefe mich in die Suchmaske, doch dann halte ich inne.

      War ich eigentlich von allen guten Geistern verlassen? Wie krank war das denn, wenn man sich einen Mann von einer Agentur aussuchte? Eine Welle von Selbstmitleid überflutete mich. Was hatte ich bloß falsch gemacht? Warum hatte ich zwar einen erstklassigen Job, war aber nicht in der Lage, einen Freund zu finden?

      Ich hatte mir mein Leben so anders vorgestellt. Klar, ich hatte immer Erfolg im Beruf gewollt. Aber ich hatte gedacht, dass ich spätestens mit dreißig Jahren der Liebe meines Lebens über den Weg gelaufen sein würde. Meine Lebensplanung war klar gewesen: mit dreißig heiraten, mit Mitte dreißig zwei Kinder.

      Bis zur Uni war auch noch alles nach Plan verlaufen. Ich hatte mich mit vielen Jungs verabredet, hatte ein paar kurze Beziehungen gehabt. Dann hatte ich meinen Abschluss in der Tasche gehabt und bekam dieses unglaubliche Jobangebot von Berthold & Fechtner.

      Das Beste daran war, dass ich wieder mit Lena in einer Stadt leben konnte.

      Lena und ich waren beste Freundinnen, solange ich denken konnte. Wir waren zusammen in einem schleswig-holsteinischen Kuhdorf mitten im Nirgendwo aufgewachsen. Während ich in Berlin und München studiert hatte, war Lena direkt nach dem Abitur nach Hamburg gezogen. Ich hatte sie während des Studiums manchmal mehr vermisst als meine eigene Familie.

      Alles hatte sich für mich nach der Uni so perfekt gefügt. Der tolle Job, die süße Wohnung, Lena ganz in der Nähe. Aber komischerweise war dann alles schwieriger geworden. Ich hatte plötzlich unter einem enormen Erfolgsdruck gestanden. Siebzig-Stunden-Wochen im Büro waren für mich zum Alltag geworden. Ich hatte immer weniger Freizeit gehabt und ohne es zu merken, hatte ich mich in einen Workoholic verwandelt. Ich hatte immer weniger unternommen. Und ich hatte aufgehört, mich mit Männern zu verabreden.

      Ich griff zum Telefon und wählte Lenas Nummer. „Bin ich der armseligste Mensch der Welt?“, fiel ich direkt mit der Tür ins Haus, als Lena den Hörer abhob.

      „Nein“, antwortete sie mit ernster Stimme. „Du kennst doch diesen Timo aus meinem Haus? Du weißt schon, der seinen Job verloren hat und nur noch in Jogginghosen herumläuft. Der ist noch ein bisschen schlimmer dran. Und natürlich die Leute im Dschungelcamp“, sagte sie trocken. „Aber danach kommst gleich du.“

      „Du bist mir wie immer eine große Hilfe.“ Ich seufzte. „Ich bin übrigens gerade auf dieser Homepage. Du weißt schon. Von dieser Begleit-Agentur.“

      Durchs Telefon hörte ich Lenas Stimme, die eine eigenwillige Version von It's raining man zum Besten gab.

      „Jetzt sei doch mal kurz Ernst, Lena“, bat ich sie. „Sag mal ehrlich: Hast du mir die Adresse gegeben, weil du das an meiner Stelle wirklich tun würdest? Oder war das ein Witz?“

      Sie hörte auf zu singen und dachte eine Weile nach. „Keine Ahnung“ erwiderte sie. „Ich glaube, es sollte eher ein Witz sein. Aber wenn du das wirklich machen willst, finde ich es ehrlich gut. Ich meine, es ist doch letztlich so wie Online-Dating. Nur dass du dafür bezahlst. Das machen Männer andauernd.“

      „Hmm.“ Ich biss mir auf die Lippe. „Ich würde ja gern. Aber ich trau mich einfach nicht.“

      Ich hörte, dass Lena tief durchatmete. „Isi, du musst endlich mal was riskieren. Du sitzt da den ganzen Tag in deinem Büro, machst brav deine Arbeit und lässt dich von diesen schmierigen Angebern verarschen. Dann gehst du nach Hause und arbeitest weiter. Du schläfst ein paar Stunden und der Wahnsinn geht von vorne los.“ Sie seufzte. „Wenn du wirklich in einem Büro wie dem von Berthold und Fechtner Erfolg haben willst, dann wird es Zeit, die Sache in die Hand zu nehmen. Du bist tausend Mal besser in deinem Job als Tobias und Maik. Aber wenn du dich weiter so unauffällig und still verhältst, dann sind die beiden längst Partner, während du immer noch viereckige Bürokästen nach den Anweisungen deiner Vorgesetzten zeichnest. Wenn du sicher bist, dass ein Date bei diesem Essen deiner Karriere helfen wird, dann würde ich nicht zögern.“

      „Wow.“ Ich schluckte. „Das war ja eine richtige Ansprache.“

      „Du hast so viel Elan gehabt, damals an der Uni. Jetzt ist es so, als hättest du dein inneres Licht ausgeknipst. Hab doch bloß nicht solche Angst. Was soll schon passieren? Geh mit dem Flow.“

      „Und mit dem Flow gehen heißt, für diesen Abend einen Mann buchen?“

      „Ich weiß nicht. Sag du es mir.“

      Ich nickte, plötzlich entschlossen. „Ja, ich habe das Gefühl, genau das heißt es.“

      ***

      Um Mitternacht hatte ich meine Suche auf zwei Kandidaten eingeschränkt.

      Da war einerseits Sascha, blond und knapp vierzig Jahre alt. Er hatte ein freches Lächeln und beherrschte angeblich drei Fremdsprachen. Auf der anderen Seite war Daniel. Er sah zwar fast genauso geschniegelt aus wie die Lackaffen im Büro. Seine braunen Haare waren kurz und ordentlich geschnitten, er trug einen Anzug und eine Krawatte.

      Aber irgendwas gefiel mir an seinen Augen. Er sah so aus, als würde er gerne lachen. Außerdem war er eher in meinem Alter – zweiunddreißig.

      Ich hatte das Gefühl, die Sache jetzt und hier abschließen zu müssen. Wenn ich noch eine Nacht darüber schlafen würde, würde mich der Mut bestimmt wieder verlassen. Also entschied ich mich für Daniel, gab meine Kreditkarte für die Vermittlungsgebühr an und erhielt kurze Zeit später per Mail seine Kontaktdaten. Ich schrieb ihm sofort eine kurze Mail, in der ich mein Anliegen erklärte und ein Treffen für nächsten Montag vorschlug. Ich drückte auf Senden und fuhr dann den Computer so schnell herunter, als könnte dieser ominöse Daniel mich durch meine Webcam beobachten.

      Mein Herz klopfte, als ich ins Badezimmer ging, um mir die Zähne zu putzen. Ich hatte das Gefühl, zum ersten Mal in meinem Leben etwas wirklich Unvernünftiges gemacht zu haben.

      Es fühlte sich toll an.

      Kapitel 2 - Ein Date to go

      Freitags war traditionell der Wochentag in der Firma, der mit Meetings und Besprechungen vollgepackt war.

      Um ganz ehrlich zu sein, Freitage lagen mir. Eigentlich hatte ich alle Hände voll zu tun. Trotzdem behielt ich den ganzen Tag meinen E-Mail-Account im Auge. Bei jeder neuen Nachricht zuckte ich zusammen.

      Aber mein Gigolo in spe schien nicht gerade auf einen neuen Auftrag zu brennen. Seine Antwort ließ auf sich warten. Das machte mich irgendwie wütend. Ich war bereit gewesen, für seine Gesellschaft mehrere hundert Euro zu bezahlen. Ich hatte erwartet, dass er sich mit einer Antwort ein bisschen mehr beeilen würde. Klar, es war vermutlich albern, aber ich war richtig beleidigt, dass er sich so viel Zeit ließ.

      Als mich abends um kurz vor sieben das vertraute Pling wieder aus meiner Skizze riss, hatte ich Daniel innerlich schon fast abgehakt. Ich war seit einer guten Stunde alleine im Büro. Tobias und