du König Erik gesehen?« fragt der Alte, als der Junge wieder herauskommt. Aber der Junge hat nichts gesehen, und da sagt der Gärtner so wie vorhin, aber in noch tieferer Verzweiflung: »Hat König Erik Ruhe gefunden und ich nicht?«
Dann gehen sie in den östlichen Teil des Gartens. Sie kommen an einem Badehaus vorüber, das der Gärtner Södertelje nennt, und an einem alten Schloß, das er Hörningsholm nennt. Hier ist übrigens nicht so viel zu sehen. Es wimmelt hier von Felsen und Klippen, die immer öder und kahler werden, je weiter hinaus sie liegen.
Jetzt biegen sie nach Süden ab, und der Junge erkennt die Hecke, die Kolmård heißt, und er kann sehen, daß sie sich dem Ausgang nähern.
Er freut sich, daß er das alles gesehen hat, und als er in der Nähe der großen Gitterpforte angelangt ist, will er dem Gärtner gern danken. Aber der Alte hört gar nicht auf das, was er sagt, sondern geht geradeswegs auf die Pforte zu. Da wendet er sich nach dem Jungen um und reicht ihm seinen Spaten. »Halte mir den, während ich die Pforte aufschließe.«
Aber dem Jungen tut es leid, daß er dem barschen, alten Mann so viel Mühe gemacht hat und er will ihm weitere Ungelegenheit ersparen. »Ihr braucht die schwere Pforte meinetwegen gar nicht aufzuschließen,« sagt er, und im selben Augenblick schlüpft er zwischen den eisernen Stangen hindurch. Das ist die leichteste Sache von der Welt für ihn.
Er tut das in der allerbesten Absicht, und er ist sehr verwundert, als er den Gärtner hinter seinem Rücken einen Zornesruf ausstoßen hört und steht, wie er mit den Füßen stampft und an dem eisernen Gitter rüttelt.
»Was ist das? Was ist das?« fragt der Junge. »Ich wollte Euch ja nur die Mühe ersparen. Warum seid Ihr so böse?«
»Sollte ich nicht böse sein!« erwidert der Alte. »Es bedürfte nichts weiter, als daß du den Spaten nahmst, dann hättest du hier umhergehen und den Garten pflegen müssen, und ich wäre abgelöst gewesen. Jetzt weiß ich nicht, wie lange ich hier noch umhergehen muß.«
Und dabei rüttelt er an dem Gitter und sieht entsetzlich zornig aus, aber der Knabe kann nicht anders, er muß ihn bemitleiden, und er versucht, ihn zu trösten.
»Ihr müßt nicht so betrübt darüber sein, Herr Karl von Södermanland,« sagte er, »denn niemand würde Euren Garten so gut pflegen, wie Ihr es tut.«
Als der Junge das sagt, wird der alte Gärtner ganz still und stumm, und es ist dem Jungen, als gehe ein Leuchten über seine harten Züge. Aber er kann es nicht deutlich sehen, denn im selben Augenblick verblaßt die ganze Gestalt und schwindet wie ein Nebel. Und nicht er allein, sondern der ganze Garten verblaßt und verschwindet mit Blumen und Früchten und Sonnenschein, und da, wo er eben noch gelegen, ist nichts weiter zu sehen als der wilde Wald.
XXIII. In Närke
Ysätters-Kajsa.
In Närke hatten sie in alten Zeiten etwas, das sie sonst nirgends in der Welt hatten, nämlich einen Kobold, die Ysätters-Kajsa.
Den Namen hatte sie erhalten, weil sie soviel mit Wind und Sturm zu tun hatte, und diese Windkobolde pflegt man immer Kajsa zu nennen, und den Beinamen hatte sie erhalten, weil es hieß, sie sei aus dem Ysätter-Meer im Kirchspiel Asker gekommen.
Es scheint, daß sie ihr eigentliches Heim in Asker hatte, aber man sah sie auch anderwärts. Nirgends in ganz Närke konnte man sicher vor ihr sein.
Sie war kein trübseliger und unheimlicher Kobold, sondern sie war fröhlich und lustig, und das liebste vor allem war ihr ein ordentliches Sturmwetter. Sobald da Wind genug war, fuhr sie dahin, um auf der Närkeebene zu tanzen.
Närke besteht eigentlich aus nichts weiter als einer Ebene, die auf allen Seiten von bewaldeten Bergen umgeben ist. Nur in der nordöstlichen Ecke, da wo der Hjelmar aus der Landschaft ausscheidet, befindet sich eine Öffnung in der langen Hecke aus Bergen.
Wenn nun der Wind eines Morgens draußen auf der Ostsee Kräfte gesammelt hat und auf das Land zugefahren kommt, geht er ganz ungehindert zwischen die Sörmlandshügel und schlüpft ohne sonderliche Mühe beim Hjelmar nach Närke hinein. Dann braust er dahin, quer über die Närkeebene, aber nach Westen zu stößt er auf die hohe Felswand des Kilsberges und wird zurückgeworfen. Er krümmt sich wie eine Schlange und fährt dahin, gen Süden. Dort aber stößt er auf den Tived und bekommt einen Puff, so daß er nach Osten zu stürzt. Nun, dort im Osten liegt der Tylöser Wald, und der schickt den Wind gen Norden nach Käglan. Und von Käglan fährt der Wind noch einmal dahin, auf die Kilsberge und den Tived und den Tylöser Wald zu. Er dreht sich rund herum in immer kleineren Kreisen, bis er schließlich wie ein Kreisel mitten auf der Ebene stehen bleibt und sich unaufhörlich herumdreht. Aber an solchen Tagen, wenn die Wirbelwinde über die Ebene fuhren, da ergötzte sich die Ysätters-Kajsa. Da stand sie mitten in dem Wirbel und drehte sich. Das lange Haar flatterte oben zwischen den Wolken des Himmels, die Schleppe ihres Kleides fegte wie eine Staubwolke an der Erde dahin, und die ganze Ebene lag unter ihr wie ein schwarzer Tanzboden.
Am Morgen saß Ysätters-Kajsa gern oben auf dem Gipfel eines Bergabhanges und sah über die Ebene hinaus. War es dann Winter und gute Bahn, und sah sie viele des Weges dahergefahren kommen, so hatte sie nichts Eiligeres zu tun, als zu einem Schneesturm aufzublasen und den Schnee zu so hohen Schanzen zusammen zu fegen, daß die Leute am Abend nur mit Not und Mühe nach Hause kommen konnten. War es Sommer und gutes Erntewetter, so saß Ysatters-Kajsa ganz still da, bis die ersten Heufuder beladen und fertig waren. Dann kam sie mit ein paar Gewitterschauern dahergefahren, die der Arbeit für diesen Tag ein Ende machten.
Es läßt sich nicht leugnen, daß sie selten an etwas anderes dachte, als Unheil zu stiften. Die Köhler oben in den Kilsbergen wagten kaum, ein Auge zu schließen, denn sobald sie einen unbewachten Meiler sah, kam sie geschlichen und blies in ihn hinein, so daß er plötzlich in hellen Flammen stand. Und geschah es, daß die Erzfahrer aus Laxå und Svartå eines Abends spät draußen waren, so hüllte die Ysätters-Kajsa den Weg und die Gegend in einen so dichten Nebel, daß Menschen und Pferde irregingen und die schweren Schlitten in Moore und Sümpfe hineinfuhren.
Hatte die Pröpstin in Glanshammer an einem Sommersonntag den Kaffeetisch draußen im Garten gedeckt, und es kam ein Windstoß, der das Tischtuch vom Tisch hob und Tassen und Teller umwarf, so wußte man, bei wem man sich für den Spaß zu bedanken hatte. Wurde dem Bürgermeister in Örebro der Hut abgeweht, so daß er über den ganzen Marktplatz hinter ihm herlaufen mußte, stießen die Leute von der Vinö im Hjelmar mit ihren Gemüsebooten auf Grund, wehte die Wäsche, die zum Trocknen aufgehängt war, herunter und wurde schmutzig, schlug der Rauch eines Abends in die Stube hinein und konnte er den Weg durch den Schornstein gar nicht finden, da war niemand in Zweifel, wer auf Kurzweil ausgezogen war.
Aber wenn auch Ysätters-Kajsa allerlei neckische Streiche liebte, so war doch eigentlich nichts Böses in ihr. Man konnte sehr wohl merken, daß sie am schlimmsten gegen diejenigen war, die zanksüchtig und geizig und boshaft waren, brave Leute und kleine arme Kinder nahm sie oft in Schutz. Und alte Leute erzählen, daß einmal, als die Askerser Kirche nahe daran war, abzubrennen, Ysätters-Kajsa gefahren kam und sich mitten in Feuer und Rauch auf dem Kirchendach niederließ und die Gefahr abwehrte.
Und doch waren die Leute in Närke der Ysätters-Kajsa oft recht überdrüssig, aber sie ermüdete nie, sie zum Besten zu haben. Wenn sie oben auf dem Rand einer Wolke saß und auf Närke hinab sah, das freundlich und wohlhabend unter ihr lag mit ansehnlichen Gruben und Bergwerken oben in den Berggegenden, mit der trägen Svartå und den seichten, fischreichen Seen in der Ebene, mit der guten Stadt Örebro, die sich rings um das ernste Schloß mit den festen Ecktürmen ausdehnte, dann dachte sie wohl: »Hier würde es den Leuten zu gut ergehen, wenn sie mich nicht hätten. Sie würden stumpfsinnig und langweilig werden. Sie haben so eine wie mich nötig, die Leben in sie bringen und sie bei Laune erhalten kann.«
Und dann lachte sie wild und gellend wie eine Elster und fuhr davon, tanzend und wirbelnd, von einer Ecke der Ebene bis zur anderen. Und wenn die Leute in Närke sahen, wie sie ihre Staubschleppe über die Ebene hinfegen ließ, konnten sie sich eines Lächelns nicht erwehren. Denn häßlich und neckisch war sie freilich, aber gute Laune hatte sie. Es war ebenso belebend