Ana Marna

Aschenhaut


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trat auf sie zu und umfasste ihr Gesicht. Ehe sie reagieren konnte, küsste er sie.

      Nathalie stand starr vor Überraschung. Eine seiner Hände löste sich und umschlang ihre Taille, um sie an sich zu ziehen.

      Nathalie war etwas atemlos, als er sie wieder losließ und zurücktrat.

      „Ich wünsche Ihnen viel Glück, Nathalie.“ Ein ungewohntes Lächeln stand in seinen Augen. „Aber denken Sie an Ihr Versprechen.“

      Sie nickte und versuchte ihrer Verwirrung Herr zu werden. Nicht im Traum hätte sie damit gerechnet, dass Tom Jordan sie küssen würde. Mit keiner Silbe hatte er je Interesse an ihr bekundet. Und dass er sie ständig beobachtete und im Auge behielt, war doch sein Job gewesen.

      Ihre Verwirrung schien ihn zu amüsieren.

      „Sie waren mir nicht lästig. Im Gegenteil. Ich gebe zu, dass Sie eine attraktive und interessante Frau sind. Doch leider sind die Umstände nicht so, dass wir uns näher kennen lernen können“, lächelte er. „Kehren Sie heim und vergessen Sie die Familie Hunter - und mich.“

      Nathalie holte tief Luft.

      „Das war jetzt aber ein ganz mieses Timing. Und nicht wirklich fair.“

      Er lachte leise.

      „Gehen Sie, Sidney wartet schon. Und er ist nicht der Geduldigste.“

      „Na dann. Auch Ihnen alles Gute, Tom.“

      Sie drehte sich um und schritt zu der Limousine, die auf dem Rondell stand.

      Es war ein seltsames Gefühl zu wissen, dass sie dieses Gebäude und seine Bewohner vermutlich nie wiedersah. Sie fühlte sich, als würde sie einen fremden Planeten verlassen und wieder zur Erde zurückkehren.

      Freitag, 13. März 2015

       Darton City, Ohio

      Es war dunkel, kühl und irgendwie ein wenig gruselig.

      Sophia Hunter stand dicht an der Wand des Lagerhauses und blickte ungeduldig auf ihre Armbanduhr. Jetzt wartete sie bereits eine Viertelstunde hier und fror sich die Füße ab. Wieso kam dieser verflixte Kerl so spät? Angestrengt spähte sie ins Dunkle. Lange würde sie nicht mehr warten, das stand fest. Wenn Julius nicht bald auftauchte, würde sie wieder zur Schule zurückgehen. Mit Sicherheit hatte noch niemand ihre Abwesenheit bemerkt. Die Schulfete war in vollem Gange und es herrschte ein ständiges Kommen und Gehen. Ihre Leibwächter hatte sie leicht austricksen können. Diese waren wie immer vor dem Schulgebäude geblieben und sie hatte sich durch einen Nebenausgang an ihnen vorbei schleichen können.

      Wieder sah sie auf die Uhr. Wo blieb er nur?

      Ein leises Geräusch ließ sie zusammenzucken. Aus den Augenwinkeln nahm sie eine Bewegung wahr und trat instinktiv näher an die Hauswand.

      „Sophia?“

      „Julius!“

      Erleichtert trat sie auf den Jungen zu und umschlang seinen Hals. Sein Mund suchte den ihren und sie standen eng aneinandergedrückt da.

      „Tut mir leid, dass ich so spät bin“, murmelte er und streichelte ihren Rücken. „Aber da waren so ein paar Idioten, die mich zu gequatscht haben.“

      „Ist schon okay.“ Sie küsste ihn wieder und ließ es zu, dass seine Hände unter ihre Jacke glitten. Es dauerte einige Minuten, bis sie sich voneinander lösten.

      „Komm“, forderte er sie auf. „Ich weiß, wie wir in dieses Lager kommen. Da sind wir ungestört. Hier fahren ab und zu Sicherheitsleute durch die Straßen.“

      Er führte sie hinter das Haus zu einem Nebeneingang. Die Tür war nicht verschlossen, ließ sich aber nur schwer aufschieben. Eine Taschenlampe blitzte in seiner Hand auf und Sophia sah einen staubigen Lagerraum vor sich, in dem einige Kisten und alte Möbel herumstanden. Julius leuchtete hoch auf eine Empore.

      „Dort oben ist ein Büro“, meinte er. „Da ist es etwas gemütlicher.“

      Kurze Zeit später betraten sie ein schäbiges kleines Büro, das von einer Glasfront zum Lager abgetrennt wurde. Im schwachen Lichtschein waren ein Schreibtisch, ein paar Regale mit vergammelten Aktenordnern und ein verschlissener Schreibtischstuhl zu sehen.

      Das Mobiliar interessierte sie nicht. Julius schaltete die Taschenlampe aus und griff wieder nach Sophia. Diese ließ sich nur zu gerne die Jacke ausziehen und umarmen.

      „Du bist echt süß, Sophia“, murmelte Julius ihr ins Ohr. „Hast du – hast du was dagegen, wenn ich dein T-Shirt, ... also ... ich meine ...“

      Sophia kicherte etwas verlegen. „Du meinst, ich soll es ausziehen?“

      „Äh, ja. Ich ... ich kann dir ja helfen.“

      „Wie süß!“

      Die spöttische Frauenstimme erklang wie aus dem Nichts. Die beiden Teenager erstarrten vor Schreck. Dann wirbelte Sophia mit einem entsetzten Schrei herum. Eine große Männerhand legte sich um ihren Mund und ein kräftiger Arm umschlang ihren Körper. Julius starrte mit offenem Mund auf die drei Gestalten, die plötzlich im Raum standen. Eine hielt Sophia umklammert, die sich verzweifelt gegen den Griff wehrte.

      „Tut mir echt leid für dich Kleiner, aber deine Prinzessin ist schon vergeben.“

      Der zweite Mann trat vor ihn und versperrte die Sicht auf Sophia.

      „Wer sind Sie?“, stammelte Julius.

      Statt eine Antwort zu geben, hob der Mann den Arm. Ungläubig starrte Julius in den Lauf einer Pistole. Das war das Letzte, was er sah.

      Sophia hörte den Schuss und schrie. Doch die Hand ließ nur ein gedämpftes Geräusch nach außen dringen. Ihr Bedränger fluchte.

      „Verdammt, Coleman, jag ihr endlich die Spritze rein. Das Biest beißt.“

      Besagter Coleman drehte sich um und langte in seine Jackentasche. Panik schoss in Sophia hoch, als sie die Spritze in seiner Hand sah.

      „So Prinzessin, jetzt wirst du einen kleinen Schönheitsschlaf halten.“

      Seine Zähne blitzten weiß in der Dunkelheit. Sophias Tritt erwischte ihn am Oberschenkel und ließ ihn fluchen.

      „Miststück!“

      Sein Griff um ihren Oberarm war schmerzhaft, genauso wie der Stich der Nadel. Sofort spürte sie, wie ihre Beine weich wurden. Vor ihren Augen verschwamm alles. Das Letzte was sie noch wahrnahm, war die unangenehme Stimme von Coleman.

      „So Frau, jetzt bist du an der Reihe.“

      „Dann verschwindet. Ich kann euch dabei nicht gebrauchen. Und nehmt den Abfall da mit.“

      Die Frauenstimme klang kalt und gereizt. Sophia spürte noch einen letzten Schwall von Furcht, dann wurde es dunkel um sie.

      Samstag, 14. März, 2015

       Madrid, Spanien

      Der Klang der Männerstimme ließ sofort alle Alarmglocken in Asher Hunter anschlagen.

      „Boss, ich ... ich weiß nicht, wie ich’s sagen soll. Es ist nur ... also ...“

      „Medon!“, knurrte Asher Hunter. „Was ist los?“

      „Sophia ist verschwunden.“

      Er starrte auf den Telefonhörer. Lange Sekunden verstrichen, bis er sich wieder im Griff hatte.

      „Was ist genau passiert?“

      „Wir haben sie heute Abend zur Schule gebracht, wegen dieser verdammten Schulfete. Ausgemacht war, dass sie sich alle zwei Stunden zeigt und wir sie um halb Zwölf wieder heimbringen. Um Acht war sie noch da, doch um zehn hat sie sich nicht wie vereinbart gemeldet. Wir haben das