Marvin Roth

Hanky und der Mächtige


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bleiben. Die dortigen Agenten und Ärzte führten unzählige Tests mit ihm durch und waren sehr erstaunt über die außerordentlichen Ergebnisse. Noch nie hatte eine Testperson so hohe Psi-Werte erzielt. Am liebsten hätten sie Hanky gar nicht mehr gehen lassen, da er ein so interessanter Fall war. Doch Hanky stellte klar, dass er nach Abschluss der

      Tests seinen eigenen Weg zu gehen beabsichtigte. Dem stellvertretenden Direktor Davis Miles gelang es schließlich, ihn als freien Mitarbeiter zu gewinnen. So zog Hanky von dannen und nach New York, wo er zusammen mit Walt Kessler ein privates Ermittlungsbüro eröffnete.

      Richard war nach Fargo zurückgekehrt und hatte vor zehn Tagen einen Brief von der New York Times bekommen. Voller Erstaunen öffnete er den Umschlag, fand ein Flugticket und eine Einladung zu einen Gespräch mit dem Chefredakteur der Times.

      So war er gestern angekommen, hatte im Marriott sein reserviertes Zimmer bezogen und sich für den nächsten Abend mit Walt und Hanky verabredet. In der folgenden Nacht bekam er fast kein Auge zu, so aufgeregt war er. Am nächsten Morgen stand er wie gerädert auf, schleppte sich müde ins Bad, duschte und kleidete sich an. Danach ließ er sich vor dem Hotel ein Taxi rufen und fuhr direkt zur 620 Eight Avenue, dem Hauptsitz der New York Times. Natürlich war er fast eine Stunde zu früh dran, und so setzte er sich in ein kleines Cafe gegenüber und frühstückte, allerdings mit einem mulmigen Gefühl im Bauch, da er nicht abzuschätzen wusste, was der Tag bringen würde. Seine Frau Rita war nicht so recht begeistert gewesen, als sie die Einladung gesehen hatte. Mit einem gezwungenen Lächeln hatte sie Rich aber schließlich ziehen lassen.

      Nach dem Frühstück begab sich Richard Miller zu seinem Gespräch. Zwei Stunden später verließ er mit einem strahlenden Lächeln und einem neuen Job die Redaktion.

      Morgen würde er ein noch viel schwierigeres Gespräch vor sich haben. Er musste seine Frau davon überzeugen, nach New York City umzuziehen, zumindest in eine der Vorstädte. Aber heute wollte er erst einmal seine Freunde treffen, um mit ihnen seinen Erfolg zu feiern. Das Leben war eben doch aufregend.

      Kapitel 2

      Salt Lake NY State

      Der VW-Bus der Hippies stand auf dem Parkplatz an der Miller Hill Road, direkt vor einem Restaurant. Nur wenige Schritte entfernt befand sich das kleine Postamt.

      Drei schwarz lackierte Ford SUVs fuhren langsam auf den Parkplatz. Männer mit schwarzen Sonnenbrillen schauten aufmerksam die kleine Einkaufszeile entlang. Natürlich hatten sie den bunt bemalten VW-Bus gesehen. Aber wo waren dessen Besitzer? Es dauerte nicht lange, bis die Männer das Hippiepärchen entdeckten. Sie saßen an einem Fensterplatz im Restaurant und schienen bester Laune zu sein. Eine Kellnerin brachte ihnen gerade ein volles Tablett, mit Tellern und Schüsseln beladen, die leicht ausgereicht hätten, um eine vierköpfige Familie mehr als satt zu bekommen.

      Im ersten SUV aktivierte ein schwarz gekleideter Mann sein Funkgerät und rückte das Headset zurecht. »Player fünf an Teamleader«, sprach er leise in das Mikrofon. Sofort antwortete eine befehlsgewohnte Stimme: »Ich höre.«

      »Wagen lokalisiert. Zielpersonen ebenfalls. Sie befinden sich in einem Restaurant und scheinen bester Laune zu sein. Kein konspiratives Verhalten zu erkennen. Kein Versuch seit unserem Eintreffen, mit einer dritten Person Kontakt aufzunehmen. Wie sollen wir vorgehen?«

      »Erst einmal abwarten und beobachten. Wenn die Zielpersonen kein auffälliges Benehmen zeigen, lassen wir sie in Ruhe. Wir können uns kein Aufsehen erlauben. Ende.«

      Es knackte kurz in der Leitung, und Player fünf wusste, dass der Teamleader abgeschaltet hatte.

      Keiner der Männer in den SUVs kam auf die Idee, das Postamt direkt neben dem Restaurant mit den Hippies in Verbindung zu bringen, was diesen das Leben rettete.

      Nur wenige Kilometer entfernt lag der FBI-Agent hinter einem mit Moos bedeckten Baumstumpf und schaute sich nach seinen Verfolgern um. Nichts rührte sich, kein Geräusch anschleichender Füße, kein Rascheln im Laub, kein brechender Ast knackte verräterisch. Nichts. Gerade diese Tatsache beunruhigte den Agenten. Zumindest hätte er Vogelstimmen hören müssen, doch auch die Tiere verhielten sich ruhig, was darauf hindeutete, dass hier etwas nicht stimmte. Waldbewohner spürten, wenn Gefahr in der Luft lag.

      Plötzlich erscholl übermäßig laut der Warnschrei eines Eichelhähers, keine hundert Meter entfernt. Der FBI-Mann erstarrte. Seine Verfolger waren ganz nah. Hatten sie ihn gefunden? Befand er sich schon im Visier eines Scharfschützen? Sein Atem beschleunigte sich, und er verwünschte diese Stressreaktion seines Körpers. Auf seiner Stirn bildeten sich dicke Schweißtropfen, die brennend in seine Augen tropften. Er duckte sich so weit als möglich und presste seinen Körper in das feuchte Laub. Da hörte er ein leises Rascheln und gleich darauf ein metallisches Klicken. Er rechnete damit, einen Schuss zu hören oder Schmerz zu fühlen, der seinem Leben ein Ende setzte. Doch nichts geschah. Nach einigen sich unendlich in die Länge ziehenden Minuten glaubte er Schritte zu hören. Sie entfernten sich von seiner Position und wurden leiser. Mit angehaltenem Atem streckte er seinen Kopf aus der Deckung und sah rechts, fast hundert Meter entfernt, einen Mann in Tarnkleidung durch den Wald schleichen.

      Während der Agent seinen Jäger mit den Augen verfolgte, suchte er zugleich den Wald nach Hinweisen auf andere

      Verfolger ab. Erstaunt stellte er fest, dass es nur der eine war. Angestrengt dachte er nach. Was war zu tun, was sollte er nun machen? Eine Möglichkeit war, einfach liegen zu bleiben und zu warten, bis sein Verfolger verschwunden war. Dies war eine sehr verführerische Option, da er nicht in Aktion treten musste und die Hoffnung hegte, ungeschoren davonzukommen. Andererseits würde der Jäger Verstärkung anfordern, sollte seine Suche erfolglos sein. Dann hatte der FBI-Mann es mit mehreren Gegnern zu tun. Nein, auf dieses Risiko konnte er sich auf keinen Fall einlassen. Die andere Option war einfach, aber sehr riskant: Er musste seinen Jäger verfolgen und in einem günstigen Moment eliminieren.

      Er entschied sich für die zweite Option. Behutsam darauf achtend, keinerlei Geräusch zu machen, stand er auf. Geduckt und mit flüssigen Bewegungen schlich er zu dem nächsten Baum, immer seinen Gegner im Auge, der anscheinend nur auf das Areal vor sich konzentriert war. Lautlos ließ der Agent sich auf die Knie nieder und robbte auf allen vieren zu einem Gebüsch. Auf dem Bauch liegend schaute er durch die Blätter. Sein Verfolger war stehen geblieben, das Scharfschützengewehr in der Armbeuge. Langsam drehte er sich im Kreis und lauschte auf verdächtige Geräusche. Nachdem er seine Drehung vollendet hatte, schlich er weiter in die ursprüngliche Richtung.

      Auf einmal blieb er ruckartig stehen und horchte angespannt. Der FBI-Beamte hatte sich nicht gerührt und somit auch kein Geräusch verursacht. Was hatte den Jäger alarmiert?

      Stimmen hallten durch den Wald. Es hörte sich an, als ob zwei oder mehrere Personen sich unterhielten. Die Stimmen wurden lauter und bewegten sich auf die Position des Verfolgers zu. Dieser stand zuerst völlig reglos da und lauschte. Vermutlich versuchte er herauszufinden, wie viele Leute da durch den Wald stapften. Nach einer weiteren Minute, die Stimmen waren inzwischen schon sehr gut zu verstehen, bewegte er sich rückwärts von seinem Standort weg und genau auf das Versteck des

      FBI-Mannes zu. Unruhig beobachtete der Agent, wie er immer näher herankam. Er war nun keine vierzig Meter mehr entfernt. Tastend, auf der Suche nach irgendeiner Waffe, glitt die rechte Hand des Agenten über den Waldboden, während die Augen beständig seinem Gegner folgten. Seine Hand fand einen etwa apfelgroßen Stein und schloss sich darum. Der Stein fühlte sich kühl an und vermittelte ihm die Hoffnung, sich halbwegs wehren zu können.

      Mittlerweile waren aus den Stimmen Personen geworden, vier an der Zahl, die mit ihren geschulterten Rucksäcken, festen Stiefeln und derber Kleidung ohne Zweifel Wanderer waren, die hier in den Wäldern ihrem Hobby frönten. Wie durch ein übergeordnetes Navigationssystem geleitet, marschierte die Gruppe genau auf den Jäger zu. Die Wanderer waren nun schon so nah, dass sie ihn eigentlich hätten sehen müssen. Nur seiner Tarnkleidung und dem angeregten Gespräch der Gruppe verdankte er es, bisher nicht entdeckt worden zu sein. Hastig, entgegen seiner bisherigen Verhaltensweise, rannte er auf die Buschgruppe zu, ließ davor sich auf die Knie fallen und schob sich rückwärts unter die tief hängenden Äste, immer