Hubert Wiest

Dennis & Guntram – Zaubern für Helden


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dir, dass du mir die Wahrheit erzählst.“

      „Mach ich doch“, antwortete Dennis bockig. Er hatte keine Ahnung worauf seine Mutter hinauswollte.

      „Ich war heute Vormittag in deiner Schule“, sagte sie, und ohne die Mundwinkel auch nur einen Millimeter zu verziehen fuhr sie fort: „Ich hatte ein Gespräch mit Herrn Zieseke.“

      „Aber das solltest du nicht“, sagte Dennis. Und dann fiel ihm wieder diese Kleinigkeit ein, die er vergessen hatte seiner Mutter zu erzählen.

      Frau Blauberg hielt das offenbar nicht für eine Kleinigkeit. Sie brauste auf: „Da hab' ich mich aber schön blamiert bei deinem Herrn Zieseke. Blödmann hast du ihn genannt.“

      Dennis lief knallrot an. Jetzt war die Kleinigkeit wenigstens heraus. „Ich wollte es dir noch sagen, Mama. Gestern habe ich es einfach vergessen.“ Dennis hatte ein schlechtes Gewissen, aber irgendwie war er auch wütend auf den Zieseke und regte sich auf: „Mama, der Zieseke will, dass wir alle Bundesländer auswendig können und kennt noch nicht einmal meinen Namen.“

      Frau Blauberg setzte ihre Lesebrille wieder ab und sah längst nicht mehr so ärgerlich aus. Sie strich Dennis über den Kopf und sagte: „Ich will dir doch helfen. Alles was ich von dir erwarte, ist Ehrlichkeit.“

      Dennis nickte und schob ein trotziges Aber hinterher. Frau Blauberg legte ihm den Zeigefinger auf den Mund und sagte: „So übel ist Herr Zieseke gar nicht. Der arme Mann unterrichtet über hundert Schüler. Er tut sich einfach wahnsinnig schwer, alle Namen und Gesichter zu lernen. Er hat mir versprochen, sich zu bemühen.“

      Dennis grummelte.

      Und Frau Blauberg lächelte schon wieder, als sie verkündete: „Ich habe mit Herrn Zieseke verhandelt. Es genügt, wenn du alle Bundesländer fünfundzwanzig Mal aufschreibst.“

      „Danke“, murmelte Dennis. „Dann habe ich die Strafarbeit wenigstens schon erledigt.“ Trotzdem blieb so ein mulmiges Gefühl.

      Am nächsten Morgen begann die Schule mit Geografie. Natürlich ließ sich Herr Zieseke als Erstes Dennis' Strafarbeit zeigen. Ganz genau las er sie durch und zählte die Wörter.

      Die Klasse war so still, dass man Herrn Ziesekes Finger über das Papier fahren hörte.

      Ob es wieder ein Donnerwetter geben würde?

      Herr Zieseke sah auf Dennis herab. Er machte seinen Mund ganz dünn und sagte: „Na also, geht doch.“ Dann wandte er sich an die Klasse: „Wir schreiben heute in der zweiten Stunde einen kleinen Test. Ich möchte sehen, ob ihr die Bundesländer ordentlich gelernt habt.“

      Ein Stöhnen ging durch die Klasse. Herr Zieseke fuchtelte mit dem großen Lineal durch die Luft, um die Kinder zur Ruhe zu ermahnen, und begann mit dem Unterricht.

      Dennis hatte sich fest vorgenommen heute besonders gut zuzuhören. Aber so richtig gelang ihm das nicht. Es war so langweilig. Herr Zieseke schritt die Fensterreihe ab. Wie immer trug er einen dunkelbraunen Cordanzug. So einen mit aufgenähten Lederflicken an den Ellenbogen. Dennis fand das lächerlich. Herr Zieseke hatte seine Ärmel bestimmt nicht aufgewetzt.

      Da beugte sich Guntram zu Dennis hinüber und flüsterte: „Ziesekes Cordhose ist an den Knien ganz ausgebeult. Ob er dort auch bald Lederflicken aufnäht?“

      Dennis musste kichern, so sehr er sich auch auf die Lippe biss.

      Wie ein Nashorn walzte Herr Zieseke auf Dennis zu. Sein Zeigefinger ragte aus dem Cordsakko. Er schien Dennis fast zu durchbohren.

      „Du da, was habe ich gerade gesagt?“, schnauzte er Dennis an. Dennis zitterte vor Wut und schnaubte. Herr Zieseke sprach ihn immer noch nicht mit Namen an!

      Das Schnauben schien Herrn Zieseke zu verwirren. Für den Augenblick ließ er von Dennis ab und fuhr mit dem Unterricht fort. Er erzählte irgendetwas von Endmoränen und der Eiszeit. Mann, war das langweilig. Dennis kochte vor Wut auf den Zieseke.

      Nach einer gefühlten Ewigkeit ertönte der Pausengong. Alle Kinder drängten nach draußen, so schnell sie nur konnten.

      „Seid pünktlich zurück“, mahnte Herr Zieseke, damit wir unseren kleinen Test schreiben können. „Vielleicht wollt ihr die Bundesländer in der Pause noch einmal wiederholen.“

      Im Pausenhof stand die ganze Klasse so dicht zusammen wie sonst nie. Keiner fehlte.

      „Der Zieseke ist wirklich ein Idiot“, schimpfte Kalle, „eine Frechheit, wie er Dennis behandelt.“

      Eddie und Bruno nickten.

      „Meinen Namen kennt er auch nicht“, meldete sich Flora.

      Da drängelte sich Guntram in die Mitte. „Ich glaube, ich hab' da so eine Idee“, sagte er und wedelte mit seinem dunkelgrünen Samtumhang.

      Dennis schöpfte Hoffnung und deutete auf Guntrams Zauberstab.

      Guntram schüttelte den Kopf. „Den brauchen wir nicht“, sagte er. „Ich weiß, wie wir Herrn Zieseke eine kleine Lektion erteilen.“

      Alle Kinder starrten Guntram erwartungsvoll an. Sogar Kalle spitzte die Ohren und knuffte Bruno in die Seite, er solle doch endlich still sein.

      „Der Zieseke nennt alle du da“, erklärte Guntram.

      „Ach nee“, fuhr Dennis genervt dazwischen.

      Guntram Mempelsino von Falkenschlag räusperte sich und fuhr fort: „Wenn Herr Zieseke unbedingt möchte, heißen wir alle du da, zumindest in der nächsten Stunde.“

      Niemand schien Guntram zu verstehen.

      Guntram zwinkerte und sagte: „Auf den Test schreiben wir alle unseren neuen Namen: Du da. So nennt er uns schließlich.“

      Bei Dennis machte es klick. Und er sah an den Gesichtern der anderen Kinder: Sie hatten es auch verstanden. Alle waren Feuer und Flamme.

      Ein paar Kinder kicherten, als Herr Zieseke am Ende der nächsten Stunde die Arbeiten einsammelte. Schließlich hielt er vierundzwanzig Arbeiten von du da in den Händen. Und Herr Zieseke hatte überhaupt nichts bemerkt. Er war viel zu beschäftig damit, für Ruhe zu sorgen. Und dann rauschte er aus dem Klassenzimmer.

      In der nächsten Woche zitterte Dennis genau wie alle anderen Fünftklässler vor der Geografie-Stunde. Vielleicht hatten sie es doch übertrieben?

      Herrn Ziesekes Schuhe knarzten, als er das Klassenzimmer betrat. Es war totenstill. Dennis starrte auf seinen Tisch. Niemand wagte, Herrn Zieseke anzusehen.

      Herr Zieseke donnerte seine Aktentasche aufs Pult, und dann fing er an, laut zu lachen. Noch nie hatte Dennis Herrn Zieseke lachen gehört. „Kinder, da habt ihr mich ganz schön an der Nase herumgeführt. Einen Spiegel habt ihr mir vorgehalten, so hat sich meine Frau ausgedrückt. Sie meinte, ich muss mich bei euch entschuldigen und schleunigst eure Namen lernen.“

      Herr Zieseke ging durch die Reihen und sagte: „Es tut mir leid, Andrea, Jana, Michael, Sebastian.“ Dennis zitterte, als Herr Zieseke vor ihm stand und zum ersten Mal seinen Namen aussprach: „Entschuldigung, Dennis.“

      Dennis grinste und Guntram stieß ihn freundschaftlich in die Rippen. „Manchmal geht es auch ganz ohne Zaubern“, flüsterte er.

      2. Die Monatskarte

      Die 37er-Straßenbahn bimmelte, als sie quietschend am Mühlbachplatz hielt. Dennis drückte sich vom Bordstein ab, so fest er konnte. Die Türen sprangen auf. Gleich hinter Kalle, Eddie und Bruno schwang er sich ins Abteil. Platz vier, noch vor Guntram. Das war ziemlich gut, aber auch notwendig, um noch einen Sitzplatz zu ergattern.

      „Rüpel“, schimpfte ein Mann hinter ihm. „Stellt euch gefälligst hinten an“, nörgelte ein anderer. In einer langen Schlange warteten viele Leute an der Haltestelle.

      Nur nicht umdrehen. Auf keine Diskussion