Hubert Wiest

Dennis & Guntram – Zaubern für Helden


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hinten schob sich ein Mann in schwarzer Lederjacke durch den Gang. Er trug seine Haare streng gescheitelt. Der Mann kämpfte sich nicht wortlos durch die Straßenbahn. Er sprach jeden Fahrgast einzeln an und unterhielt sich kurz mit ihm.

      „Was will der?“, fragte Dennis nervös und zeigte mit dem Finger auf den Mann.

      Guntram zuckte mit den Schultern: „Weiß nicht? Den kenne ich nicht.“

      Kalle drehte sich nach dem Mann um und als er wieder zu Dennis sah, war er ganz blass im Gesicht. „Das ist ein Kontrolleur“, murmelte er. Der Kontrolleur war nur noch vier Sitzreihen entfernt.

      Dennis rang nach Luft, riss seinen obersten Jackenknopf auf. Er fühlte sich, als hätte ihm der Kontrolleur bereits einen Magenschwinger verpasst. „Was soll ich tun?“, japste er.

      „Wir springen einfach an der nächsten Station raus“, schlug Kalle vor.

      „Bis dahin hat er uns längst erwischt“, zischte Dennis. „Guntram, du musst mir helfen. Bitte.“

      Guntram Mempelsino von Falkenschlag konzentrierte sich. Er schien zu wissen, dass es jetzt wirklich darauf ankam. Guntram riss ein Blatt Papier aus dem Schulranzen und zückte seinen Zauberstab. Zackig schwang er ihn hin und her. Er murmelte Zaubersilben und endlich hörte Dennis das erlösende Plombat.

      Es war allerhöchste Zeit. Der Kontrolleur stand nur noch zwei Reihen entfernt. Er schnauzte gerade eine Frau an, sie solle gefälligst ihren Kinderwagen ordentlich an den Rand schieben und ihren Fahrschein herzeigen. Der Kontrolleur machte einen ungenießbaren Eindruck. Dennis lief es eiskalt über den Rücken.

      Das Blatt Papier zuckte unter Guntrams Zauberstab. Es blitzte kurz auf und im nächsten Moment schrumpfte es zu einer kleinen Karte zusammen. Es leuchtete marzipanrosa und war rund wie ein Bieruntersetzer. In goldenen Schnörkelbuchstaben stand darauf zu lesen: Dennis' Monatskarte.

      „Spinnst du?“, rief Dennis. „Das geht niemals als Fahrkarte durch. Das Ding kann ich dem Kontrolleur auf keinen Fall zeigen.“

      Guntram machte ein betretenes Gesicht. „Ich kann's ja noch einmal probieren“, murmelte er und ließ den Zauberstaub über die rosa runde Fahrkartenfälschung kreisen.“

      Eddie und Bruno rutschten ein wenig zur Seite, so als würden sie Dennis nicht kennen.

      „Gleich hält die Straßenbahn“, murmelte Kalle.

      Aber es war zu spät. Der Kontrolleur stand schon vor ihnen. Er hatte sich breitbeinig aufgestellt. Es gab kein Entkommen. Die alte Frau im braunen Wollmantel hatte er mit dem Ellenbogen zur Seite geschoben: „Fahrkartenkontrolle“, bellte er und hielt den Jungs seinen Ausweis unter die Nase.

      Umständlich kramte Kalle in seiner Hosentasche. Eddie hatte seine Fahrkarte als Erster gefunden. Bruno machte so eine bescheuerte Verbeugung, als er sein Ticket vorzeigte. Zuletzt fischte Guntram seine neue Monatskarte aus dem Geldbeutel.

      „Und du?“, wandte sich der Kontrolleur an Dennis.

      Dennis wäre am liebsten in Ohnmacht gefallen. Er starrte auf den Boden.

      „Deine Fahrkarte!“, forderte der Kontrolleur.

      Der Kontrolleur würde ihn bestimmt gleich verhaften und seine Eltern anrufen. Dennis haspelte: „Ich, ich meine, also …“ Aber Dennis meinte überhaupt nichts.

      „Aha, ein Schwarzfahrer“, schnarrte der Kontrolleur. „Name, Adresse, Telefonnummer.“ Zufrieden strich er sich über den Scheitel. „Wird's bald?“

      „Dennis. Dennis Blauberg.“

      In diesem Moment drängelte sich die Frau im braunen Wollmantel vor. Sie drückte dem Kontrolleur einfach ihre Handtasche in den Bauch.

      „Guter Mann“, sagte sie, „für meinen Enkel Dennis habe ich die Karte gelöst.“

      Sie hielt dem verdutzten Kontrolleur eine gültige Fahrkarte unter die Nase.

      Dennis starrte die Frau ungläubig an. „Wieso ...?“, murmelte er.

      Guntram kniff Dennis in den Arm.

      „Warum nicht gleich so?“, knurrte der Kontrolleur und warf einen abschätzigen Blick auf die Fahrkarte. Enttäuscht ließ er von Dennis ab.

      „Danke“, murmelte Dennis fassungslos und starrte die Frau im braunen Mantel an.

      „Ich habe euch gestern zugehört“, sagte die Frau zu Dennis und lächelte. „Es ist nicht deine Schuld, dass du keine Monatskarte kaufen konntest. Du hast einem Freund aus der Patsche geholfen. Da dachte ich mir, heute helfe ich dir.“

      Kalles Kopf leuchtete rot wie eine Weihnachtskugel. „Morgen bringe ich das Geld mit. Ganz bestimmt“, murmelte er und kritzelte noch ganz viele Ausrufezeichen in sein Hausaufgabenheft.

      „Vielen Dank“, stammelte Dennis. Dann stand er auf und fragte: „Möchten Sie meinen Platz haben?“

      „Ja, gerne.“ Die Frau strich ihren Wollmantel glatt und setzte sich.

      „Wenn Sie möchten, halten wir Ihnen jeden Morgen einen Sitzplatz frei“, schlug Dennis vor.

      „Klar, ist doch Ehrensache“, meinte Kalle. Eddie und Bruno nickten. „Ganz genau“, fügte Guntram hinzu und schob seinen Zauberstab zurück in den Umhang.

      3. Die Notlüge

      Als Herr Blauberg an diesem Abend nach Hause kam, schoss ihm seine Frau entgegen: „Bernd, wo bleibst du? Wir haben Kinokarten für die Acht-Uhr-Vorstellung.“

      Herr Blauberg hatte einen knallroten Kopf. Er schnappte nach Luft. „Tut mir leid, dass ich so spät dran bin. Herr Frügge, mein neuer Chef, hat mich noch zu einer Besprechung gerufen.“

      „Der hat wohl keine Familie“, meinte Frau Blauberg schnippisch.

      Herr Blauberg schüttelte den Kopf. „Mit dem Knallkopf würde es niemand lange aushalten. Der schwafelt ohne Punkt und Komma, stundenlang.“ Dann gab Herr Blauberg seiner Frau einen Kuss: „Wenn wir uns beeilen, Hanne, schaffen wir es noch.“ Er rupfte seine Krawatte vom Hals und stopfte nebenbei eine Scheibe Brot in den Mund.

      „Guntram übernachtet heute bei uns“, meldete sich Dennis. „Dürfen wir noch einen Film anschauen?“

      „Nein, keinen Film“, sagte Frau Blauberg bestimmt und malte mit dem Lippenstift über ihren Mund.

      „Warum nicht, Mama? Morgen ist Samstag. Wir können ausschlafen.“

      Frau Blauberg sah kritisch in den Spiegel und zupfte ihre Haare zurecht. „Nein“, sagte sie. „Ihr habt heute Nachmittag zwei Stunden vor dem Computer gesessen. Das ist wirklich genug. Lest ein gutes Buch oder vergnügt euch mit einem Brettspiel.“

      „Mama, bitte!“

      „Nein!“

      Und schon rauschten Herr und Frau Blauberg aus dem Haus. Mit einem Rums schlug die Tür hinter ihnen zu.

      „Schade, dass wir keinen Film mehr ansehen dürfen“, sagte Guntram enttäuscht.

      Trotzig verschränkte Dennis seine Arme vor der Brust. „So einfach lass ich mir das nicht verbieten. Meine Mutter hat wohl vergessen, dass ich schon elf bin.“

      Dann holte Dennis seinen Schulranzen. Aus dem Reißverschlussfach ganz hinten, das er sonst nie benutzte, zog er mit spitzen Fingern eine DVD-Box.

      Das Cover zeigte einen Mann mit zwei riesigen Pistolen. Er sprang aus einem brennenden Auto. Abgerechnet wird zum Schluss stand in lodernden Buchstaben darüber.

      „Ein richtig cooler Actionfilm. Knallhart“, verkündete Dennis stolz. „Kalle hat ihn mir geliehen. Er meint, wir müssten uns den Film unbedingt ansehen.“

      Guntram bekam ganz große Augen. „Wahnsinn!“

      Die