Hubert Wiest

Dennis & Guntram – Zaubern für Helden


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im ganzen Haus gelöscht. Dann würden sie es unbemerkt ins Bett schaffen, falls Herr und Frau Blauberg vorzeitig nach Hause kämen.

      Dennis ließ die silberne Scheibe in den DVD-Spieler gleiten. Der Film zeigte eine Warnung, dass sie noch viel zu jung wären, aber das machte ihn in Dennis' Augen nur noch interessanter. Der Film begann mit einer abenteuerlichen Verfolgungsjagd. Pistolenschüsse peitschten aus den Lautsprechern. Dennis blieb das Herz beinahe stehen, als Agent Conelli die Pistole aus der Hand rutschte. Dann fiel er auch noch hin. Dennis stopfte sich mit beiden Händen Chips in den Mund.

      Begeistert rief Guntram: „Jetzt haben sie ihn gleich.“

      Dennis zuckte. Conelli rannte jetzt in einen dunklen Gang. Er hatte keine Waffe mehr. „Dieser Idiot, warum macht er das?“, zischte Dennis unter Chipskrümeln.

      Da wurde Conelli von hinten gepackt. Vor Aufregung trat Dennis gegen den Couchtisch. Er hätte beinahe die Glasplatte heruntergestoßen. Dennis schob sich noch mehr Chips in den Mund. Sie blieben an seinen schweißnassen Händen kleben.

      „Echt lässig, der Film“, freute sich Guntram. „Ich bin gespannt, wie Conelli aus diesem Schlamassel wieder herauskommt.“

      „Mmh“, machte Dennis. Er war quarkweiß im Gesicht, und übel von den vielen Chips war ihm auch. „Sollen wir umschalten? Vielleicht kommt im Fernsehen ein besserer Film.“

      „Spinnst du? Jetzt doch nicht.“

      „War ja nur so eine Idee“, gab Dennis nach. Er zitterte vor Angst. Aber das konnte er nicht zugeben. Er wollte sich nicht vor Guntram blamieren. Sein Mund fühlte sich ganz trocken an. Nach all den salzigen Chips bekam er schrecklichen Durst. Er traute sich nicht, alleine in die Küche zu gehen. Die ganze Wohnung war dunkel. Was, wenn dort jemand auf ihn lauerte? War die Haustür überhaupt abgesperrt?

      Begeistert verfolgte Guntram den Film. Immer wenn es spannend wurde, kreischte er vor Vergnügen.

      Dennis zog seine Haare vors Gesicht. Wenn er den Kopf schief hielt, konnte er hinsehen und wegsehen zugleich. Hoffentlich blieb sein Herz nicht stehen.

      Dennis änderte seine Taktik und versuchte es mit lautem Gähnen. Guntram schien es nicht einmal zu bemerken.

      „Uhaa, bin ich müde.“ Dennis riss den Mund auf. Er machte eine ganz verschlafene Stimme.

      „Du kannst doch jetzt nicht ins Bett gehen“, fertigte ihn Guntram ab, ohne seine Augen auch nur einen Moment vom Bildschirm zu wenden.

      „Nein, will ich auch gar nicht“, gab Dennis beleidigt zurück. Heimlich zählte er die Sekunden. Noch eine ganze Stunde würde der Film dauern. Schrecklich. Warum hatte er diesen Vorschlag gemacht?

      Plötzlich sprang Guntram auf.

      Dennis zuckte zusammen. „Was ist? Hast du etwas was gehört?“ Sein Herz dröhnte.

      „Quatsch! Ich will mir nur etwas zu trinken holen.“

      Dennis atmete auf. „Kannst du mir ein Wasser mitbringen?“

      „Klar, mache ich.“

      Wenigstens musste er nicht in die dunkle Küche gehen. Doch als Guntram das Wohnzimmer verlassen hatte, fühlte sich der Film noch viel gruseliger an. „Warte auf mich!“, rief Dennis und folgte seinem Freund mit zitternden Knien.

      „Du kannst dich heute gar nicht entscheiden. Ist alles in Ordnung?“, fragte Guntram.

      Dennis schluckte. Er stürzte ein ganzes Glas Wasser auf einmal hinunter. In der dunklen Küche war es richtig unheimlich. Dennis hätte schwören können, dass dort neben der Vorratskammer so ein komischer Schatten war, den er noch nie gesehen hatte.

      „Hallo“, rief Guntram und schüttelte Dennis an der Schulter. „Ja, alles in Ordnung“, hauchte Dennis.

      Dicht an Guntram gedrängt, schlich er zurück ins Wohnzimmer.

      Dennis kam es vor, als würde der Film noch eine Ewigkeit dauern. Aber irgendwann war die Qual doch zu Ende. Ganz tief atmete Dennis durch. „Und jetzt nichts wie ab ins Bett.“

      „Von mir aus“, gab Guntram nach. Er hätte den Film wahrscheinlich gerne noch einmal gesehen.

      An diesem Abend konnte Dennis überhaupt nicht einschlafen. Die Verbrecher aus dem Film verfolgten ihn die ganze Nacht. Sie trieben ihn in wilde Albträume, aus denen Dennis aufschreckte und im nächsten Augenblick doch wieder darin versank, ohne ihnen zu entkommen.

      Gerädert saß Dennis am nächsten Morgen beim Frühstück. Seine Laune war so grau wie das Novemberwetter. Er konnte noch nichts essen, während Guntram schon seinen vierten Toast mit Erdnussbutter bestrich.

      „Was habt ihr gestern Abend noch gemacht?“, fragte Frau Blauberg.

      Mit einem Schlag war Dennis hellwach. Seine Mutter hatte schon wieder diese komische Stimme, als lauerte sie auf irgendetwas.

      „Mensch-ärgere-dich-nicht gespielt“, gab Dennis blitzschnell zurück. Unter dem Tisch trat er nach Guntram, der schon den Mund aufgemacht hatte, um etwas zu sagen. Guntram schien verstanden zu haben. Er klappte den Mund zu, machte ihn wieder auf und plapperte: „Ja, genau.“

      „Bist du dir ganz sicher, Dennis?“, fragte Herr Blauberg und sah seinen Sohn streng an.

      „Na klar“, sagte Dennis trotzig.

      „Wirklich?“, fragte Frau Blauberg.

      „Sag ich doch.“

      Wie einen Trumpf beim Kartenspiel zog Herr Blauberg aus seiner linken Hand, die er die ganz Zeit so komisch unter dem Tisch gehalten hatte, eine DVD: Abgerechnet wird zum Schluss.

      „Ähm“, machte Dennis. Auf die Schnelle fiel ihm nichts ein.

      Guntram schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn. „Auweia, die haben wir vergessen.“

      Eine Standpauke, wie sie Dennis selten erlebt hatte, hagelte auf ihn herab.

      „Du hast uns angelogen, Dennis. So verspielst du unser Vertrauen“, schimpfte sein Vater.

      „Ich bin furchtbar enttäuscht. Das hätte ich nicht von dir gedacht. Und dann auch noch so einen Film“, warf seine Mutter dazwischen.

      Dennis fühlte sich elend, noch schlimmer als gestern Abend.

      Er musste versprechen, nicht mehr zu lügen. Und seine Eltern verhängten eine Woche Fernseh- und Computerverbot. Dennis duckte sich. Er würde die Strafe schon akzeptieren, wenn Mama und Papa nur endlich aufhören würden herumzuschimpfen. Doch sie ließen sich schrecklich viel Zeit und wiederholten dieselben Dinge mit immer anderen Worten. Er war doch nicht begriffsstutzig.

      Guntram saß bedröppelt daneben. Er konnte Dennis aus dieser Sache auch nicht heraushelfen.

      Das Telefon klingelte. Einmal. Zweimal. Dennis hoffte, dass damit das Donnerwetter vorüber sein würde, aber Frau Blauberg sagte nur: „Guntram, kannst du bitte schnell rangehen?“

      Guntram stand auf und nahm das Telefon von der Küchenablage. „Bei Blauberg“, meldete er sich und dann: „Ah ja.“

      Guntram nahm den Hörer vom Ohr. Er hielt die Sprechmuschel zu. „Es ist Herr Frügge, Ihr Chef“, raunte er Herrn Blauberg zu.

      Herr Blauberg verdrehte die Augen, als wäre ihm das furchtbar lästig. Er hielt seine Hände wie einen Trichter an den Mund und zischte Guntram zu: „Sag ihm, dass ich nicht da bin.“

      Guntram nickte und sagte in aller Ruhe: „Herr Blauberg lässt ausrichten, dass er nicht da ist. Im übrigen findet Herr Blauberg, dass sie ein Knall ...“

      Bevor Guntram das Wort Knallkopf vollenden konnte, hechtete Herr Blauberg nach dem Telefon und riss es Guntram aus der Hand. „Schönen guten Morgen, Herr Frügge. Ich wollte Sie auch gerade anrufen“, haspelte Herr Blauberg, „und Ihnen sagen, dass ich den Knüller für unsere Aktenablage gefunden habe. Ich meine, ein echter Knaller ist mir durch den Kopf gegangen.“

      Und