Gabriele Schillinger

Spuren im Nebel


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zu den Brüsten. Sie versuchte seine Hand wieder dort wegzunehmen, doch je mehr sie daran zog, desto fester wurde sein Griff.

      Frank wurde zunehmend gröber und quetschte ihre Brüste schmerzhaft zusammen. Sue bat ihn darum, aufzuhören. Er murmelte nur, dass sie sich nicht so zieren muss, er wüsste doch, dass sie es hart mochte. Nun glitt seine Hand in ihre Shorts und obwohl sie die Beine fest zusammenpresste, gelang es ihm, diese brutal auseinanderzuziehen. Sue schrie, hielt sich die Hände vor die Augen. Gerade als er kurz davor war, in sie einzudringen, ließ er plötzlich von ihr ab. Er sagte, dass es ihm furchtbar leidtäte. Sie wäre wahrscheinlich noch nicht so weit.

      Sue rollte sich zusammen und weinte. Danach ging sie ins Badezimmer, um seinen Geruch vom Körper abzuduschen. Die Brüste schmerzten ihr noch eine ganze Weile und auf den Innenschenkeln bildeten sich blaue Flecken.

      Sie konnte den Montag kaum erwarten, denn da wollte Frank wieder arbeiten gehen.

      Der Herbst war bereits eingezogen. Die Blätter schimmerten in verschiedenen Farben und raschelten leise, wenn der Wind an den Bäumen vorbei blies. Frank kam in den Garten, um Sue eine Decke zu bringen, damit sie sich nicht erkältete. Er packte sie fest ein und streichelte über ihre Wange. Sue erschrak und zuckte zusammen. Keine Ahnung, ob Frank es bemerkte, er küsste ihre Stirn und ging wieder ins Haus zurück.

      Es war sehr seltsam, dass sie ein fremder Mann so oft berührte. Wie lange waren sie eigentlich schon verheiratet? War möglicherweise die große Liebe schon vorbei? Konnte sie sich deswegen nicht an ihn erinnern und ekelte ihr vielleicht deshalb, wenn er sie berührte?

      Die Grübelei machte sie müde. Sue nickte ein, träumte von den bunten Blättern und einem saftigen Steak. Nach dem Sonnenuntergang trug Frank sie vorsichtig ins Bett, wo sie dann gleich weiterschlief.

      Der Therapeut

      An einem Nachmittag fuhr Frank seine Frau zu einem Psychotherapeuten. Er selbst hielt nicht viel davon, aber die Ärzte drängelten dazu. Sie meinten, es wäre wichtig für Sue, denn auch wenn sie sich aufgrund des Unfalls vielleicht nie wieder an die Vergangenheit erinnern würde, bräuchte sie Hilfe, um mit der Situation zu Recht zu kommen. Sue wusste noch nicht, dass die Chance, sich wieder an die Vergangenheit zu erinnern, fast bei null lag. Der Therapeut sollte es ihr vorsichtig beibringen.

      Als Sue die Praxis betrat, hatte sie gleich ein komisches Gefühl. Ein Mann um die 40 kam auf sie zu und begrüßte sie freundlich. Der Mann war groß gewachsen und sein Lächeln schien nicht ehrlich zu sein. Sue wusste gleich, dass sie ihn nicht mochte. Sie gab ihm absolut keine Chance in ihr Inneres zu sehen. Frank fuhr sie trotzdem zweimal die Woche in seine Praxis, was Sue zudem sehr auf die Nerven ging. Ihr Ehemann ließ sie nirgendwo alleine hinfahren. Langsam kam sie sich wie eine Gefangene vor. So kam es dann auch bald zum Streit. Sue wollte ihre Arztwege und auch den zum Therapeuten alleine beschreiten, außerdem hin und wieder einmal alleine spazieren gehen. Frank gefiel das gar nicht. Er wollte sie nicht aus den Augen lassen. Sue erklärte warum. Sie empfand dies als sehr einengend. Ein wenig Freiheit und Selbständigkeit musste er ihr schon einräumen. Er blieb stur.

      Sue beschloss nicht mehr mit Frank zu reden, bis er aufhörte, sie wie ein kleines Kind zu behandeln. Ein paar Tage später, kam er plötzlich mit einem Straßenplan in der Hand nach Hause. Frank breitete den Plan am Küchentisch aus und rief nach seiner Frau. Er hatte Sue die Route zum Arzt rot eingezeichnet und die zum Therapeuten in blau. Sue schüttelte den Kopf und meinte nur, dass sie sich lediglich an die Vergangenheit nicht mehr erinnern konnte, aber nicht verrückt, oder tatsächlich unselbständig geworden war.

      Sue wusste jedoch, dass Frank es nur gut meinte. Wenn er sich besser fühlte, dann nahm sie halt den dummen Plan mit. Erleichtert machte sie sich im Bad fertig und ging gleich los. Frank stand am Fenster, so als wollte er seinem Kind winken, welches gerade in die Schule ging.

      Sue war sehr erleichtert, als das Haus hinter ihr verschwand. Die Fahrt mit dem Bus gefiel ihr. Keiner der Mitfahrenden wusste, dass sie einen Autounfall hatte. Niemand sah sie bedauernd an, weil sie ihre Vergangenheit nicht kannten. Sie war nur eine erwachsene Frau, welche mit dem Bus fuhr. Beim Arzt angekommen, setzte sie sich ins Wartezimmer. Einmal alleine im Wartezimmer sitzen, ohne Frank, der ständig mit zum Arzt hineinging. Zum ersten Mal seit ihrem Unfall huschte ein kleines Lächeln über ihre Lippen.

      Sue wurde aufgerufen und ging ganz stolz ins Untersuchungszimmer. Der Arzt stelle mit Erstaunen fest, dass sie diesmal alleine zu ihm kam. Sie erzählte von ihrem Kummer, dass sie sich kontrolliert und eingesperrt fühlte. Ebenso klagte sie, dass sie sich dem Therapeuten nicht anvertraute, weil er ihr äußerst unsympathisch war. Der Arzt fragte, woher sie den Therapeuten hatte. Sie erklärte, dass den ihr Ehemann ausgesucht hatte und er angeblich ein guter Freund eines Freundes war. Sue begann zu weinen, sie wollte nicht mehr zu dem Therapeuten gehen, geschweige, ihm von ihren Gefühlen erzählen. Der Arzt kramte in einer seiner Schubladen und zog eine Visitenkarte hervor. Darauf stand eine Psychotherapeutin, die er empfahl. Er griff gleich zum Telefonhörer und machte einen Termin mit ihr aus, dann gab er Sue die Karte.

      Fröhlich ging sie nach Hause. Frank wollte sie lieber nichts von der neuen Therapeutin erzählen, sonst gab es wieder nur Streit. Beim Heimweg ging sie bei einer Fleischerei vorbei. Der Geruch von Wurst und Speck lockte sie ins Geschäft. Sue kaufte sich eine Leberkäsesemmel, Frank musste ja nicht alles wissen. Genussvoll biss sie in die Semmel. Ihr Gaumen fühlte sich wie im zehnten Himmel. Wie konnte sie nur Vegetarierin geworden sein? Kurz vorm Haus kontrollierte sie noch schnell, ob sie keine Reste in den Mundwinkeln hatte. Es war schade um den guten Geschmack im Mund, aber sie kaute sicherheitshalber noch an einem Kaugummi, bevor sie die Türe öffnete. Nun fühlte sie sich wirklich wie ein Kind, welches sein erstes Geheimnis vor den Eltern verbarg.

      Am nächsten Tag war sie zum letzten Mal bei Franks Therapeut. Sie sagte ihm, dass es wahrscheinlich besser wäre, wenn sie den nächsten Termin bei jemand anderen hätte. Sichtlich war er genauso erleichtert wie Sue, versuchte aber sein Bedauern auszudrücken. Er hatte einem Freund den Gefallen getan, Sue zu betreuen, doch wenn die Sympathie zwischen Klienten und Therapeut nicht stimmte, konnte es auch kein gutes Ergebnis geben.

      Sue verabschiedete sich und freute sich darüber, dass sie noch gut eine Stunde für sich hatte. Sie ging in die Stadt, sah sich Schaufenster an, ging in einige Geschäfte, probierte Kleidung an und kaufte sich eine Wurstsemmel, denn den Leberkäse schien sie doch nicht so gut vertragen zu haben. Als sie so durch die Straßen schlenderte, fiel ihr ein, dass sie keine einzige Jeanshose in ihrem Kleiderschrank hatte. Gleich wurde dies geändert und eine gekauft. Frank staunte nicht schlecht, als sie ihm die Hose vorführte. Er dachte, Sue hätte sich etwas gekauft, was ihre Weiblichkeit unterstrich, stattdessen kam sie mit einer Jean an. Der Ehemann lästerte und Sue war enttäuscht. Sie war überzeugt, dass sie betrunken gewesen sein musste, als sie diesen Mann heiratete.

      Da Frank das schlechte Gewissen wegen seiner Äußerungen plagte, näherte er sich langsam seiner Frau. Er schlang von hinten seine Arme um sie und flüsterte ihr eine Entschuldigung ins Ohr. Sue zog den Hals ein, sie mochte nicht, wenn er so nah war.

      Franks Hände rutschten auf ihre Brüste und Sue versuchte sie vorsichtig daran zu hindern. Seltsamerweise schien ihn die sanfte Abwehr zu erregen, was ja nicht gerade ihre Absicht war. Sue begann sich immer heftiger zu wehren und stieß Frank von sich weg. Der jedoch zog sie erneut zu sich. Seine Stimme schien vor Erregung zu zittern, Sue bekam Angst. Seine Hände schienen schon wieder überall zu sein. Erneut riss sie sich los und lief in den Garten. Sie hörte noch, wie Frank irgendetwas gegen die Wand schmiss, dann knallte eine Türe. Er war gegangen. Sue dachte nur, er sollte sich doch einfach eine Freundin nehmen und sie besser in Ruhe lassen.

      Sie ging Frank besser aus dem Weg. Gesprochen wurde nicht viel und auch, wenn er sich sichtlich Mühe gab, lag Spannung in der Luft. Sue war durcheinander, denn bislang gab er sich ruhig und geduldig. In dieser Situation jedoch bekam er einen seltsamen Blick, der sie noch zusätzlich schaudern ließ. Sue wich bei jeglicher, auch zufälliger, Berührung zurück. Das verrückte war nur, obwohl sie sich vor ihm ekelte, hinterließ der Übergriff keinerlei Schock. Natürlich erweckte Franks Verwandlung ein wenig Angst,