jetzt erzählt habe, wieder zu erneuern. Weil ich aber an selbigem Tage mehrere Freundinnen bei mir zu sehen hoffte, welche auch auf männliche Unterhaltung Anspruch machen würden, wie ich glaubte, so willigte ich in diesen Vorschlag nicht. Sie baten mich aber so flehentlich, dass ich mich genötigt sah, jedem eine Opferung zu erlauben.
Liebau, der unter den Anwesenden sich befand, bat, mich auf ein niedriges Bette zu legen, welches in meinem Schlafzimmer sich befand und fragte die andern, ob sie nicht Lust hätten, sich mit ihm zugleich zu unterhalten? Auf ihre Frage: wie dies geschehen könnte? antwortete er ihnen: Einer müsste sich der Venus, der andere des Steißes, der dritte der Brüste, der vierte des Maules bedienen, die übrigen beiden aber mögen selbst ein Mittel ersinnen.
»Den übrigen beiden,« sagte ich, »soll auf den Abend meine Grotte zu Diensten stehen.«
Ich legte mich mit dem halben Körper quer übers Bette; vorher aber legte ich einige Betten unter den Rücken und das Haupt, um mit diesem etwas höher zu liegen. Kaum war dies geschehen, so fühlte ich schon Liebaus Pfeil in meinem Köcher. Hasslo bohrte meinen Steiß an und Sternheim machte sich über meine Brüste, die er fest zusammenpresste. Dem Herrn von Halbau blieb das Maul noch übrig. Ich setzte die Zähne fest aufeinander, und wusste seinem Cupido, der zwischen den Backentaschen und den Zähnen raspelte, mit meinen Lippen einen solchen Reiz zu geben, dass er mir seine gänzliche Zufriedenheit bezeugte. Die übrigen beiden, welche ihre Amors vor Angst auch entblößt hatten, mussten mir dieselben in die Hand geben, die ich während der Aktion bald drückte, bald kitzelte.
So ein vielfaches Vergnügen zu einer Zeit, in einem Momente, hatte ich nie genossen. Fast in einem Augenblicke sprangen alle Fontänen und überschwemmten mich von innen und außen. Ich fiel für Entzücken in eine drei Minuten lange Ohnmacht, aus der ich nur durch das Betasten meiner Schamteile erweckt wurde.
Nach und nach wurde unsere Gesellschaft schwach. Einige mussten das Reich der Venus mit dem Reiche des Pluto vertauschen; andere hatten entweder ihre Begierden durch öfteren Genuss gestillt oder waren durch selbigen für die Zukunft untauglich geworden. Ich aber habe nie Mangel an wollüstigen Begierden und Wünschen gehabt. Jetzt, in meinem zweiundsechzigsten Lebensjahre, bin ich für die Freuden der Wollust noch nicht unempfindlich geworden. Ich genieße sie öfters an dem Busen und in den Armen eines Mannes und finde die Wahrheit bestätigt: dass das Leben schön ist, wenn man es zu genießen weiß.
Anmerkungen des anonymen Verfassers:
1) So nennt man diejenigen Frauenzimmer, die für bares Geld sich jedem Liebhaber überlassen.
2) Eine Krankheit, welche in beständiger Ausdehnung des Amors besteht, ohne Lust und Kraft ihn mit einer weiblichen Muschel zu vereinigen.
Maria Janitschek: »In Schönheit«
Sie war schön wie das Mondlicht, das auf einem stillen Teich spielt. Man sprach leiser in ihrer Gegenwart und dämpfte seine lebhaften Gebärden.
Sie hieß Liane von Immen, und niemand konnte ihr beweisen, dass sie nicht so hieß, denn niemand hatte ihren Taufschein gesehen. Sie besaß nicht die plumpe Berühmtheit, durch ein Buch, das sie geschrieben, oder einen neumodischen Kleiderschnitt, den sie erdacht, im Meyer oder Brockhaus mitsamt der Angabe ihres Lebensalters der Welt vorgestellt zu werden. Sie blieb ein Geheimnis. Nur denen, die ihr wert waren, offenbarte sie sich in einer wunderbaren lichtblauen Nacht. Sie führte eine alte Frau bei sich, die sie bediente und die irr war. Sie war wirklich irr. Berühmte, nüchterne Nervenärzte hatten es bestätigt. Irgendetwas im Leben hatte sie um den Verstand gebracht. Liane erzählte, dass sie entfernt verwandt mit ihr wäre und sie schon vor ihrer Geistesverdüsterung bei sich gehabt hätte. Die letztere zeigte sich vornehmlich darin, dass die alte Frau beständig abgerissenes, zusammenhangloses Zeug vor sich hin schwatzte. Übles fügte sie keiner Seele zu. Im Gegenteil. Sie sorgte mütterlich für Liane und war Tag und Nacht zu ihrem Dienst bereit. Verschiedene Leute behaupteten, dass sie durchaus keine Verwandte von Liane wäre, dass diese sie aus andern Gründen bei sich hatte.
Lianens Äußeres besaß viel Anmut.
Sie war hoch, schlank; die rote Haarfarbe, die bereits Fünfzig-Pfennig-Dirnen trugen, trug sie nicht mehr. Ihr stand die weiße Farbe besser zu Gesicht. Dichte, schneeweiße Haarwellen hoben den zarten Rosenton ihres Fleisches und machten ihre großen, dunklen Augen doppelt geheimnisvoll.
Sie trug nur weiße Gewänder. Da ihre Gemächer mit dunklen Tapeten geschmückt waren, Ebenholzmöbel und Teppiche in den mattesten Farben ihre Ausstattung bildeten, so war sie das einzig Helle in dieser dämmerhaften Umgebung. Sie glitt wie ein silberner, schlanker Strahl in der milden Nacht dieser Gemächer dahin. Abends wurden hohe Stehlampen angezündet, deren Licht purpurne Seidenschirme milderten.
Ein großer Garten mit einer hohen Mauer umgab ihr Haus. Sie hatte ein elegantes Cab gemietet, das sie täglich an die Luft führte, sie setzte nie einen Fuß aufs Straßenpflaster. Sie besaß wenig Verkehr. Die paar Familien, mit denen sie sich traf, kamen ihr sehr zuvorkommend entgegen, wenn auch nicht ohne leise Unsicherheit. Wo sie sich befand, herrschte sofort jene zitternde Schwüle, wie sie über den Wiesen webt, wenn Juliglut schweigsam auf ihnen buhlt. Und doch war Liane nicht das geringste Üble nachzusagen, ja sie besaß sogar äußerst strenge Grundsätze.
Um ihr in Gärten gebettetes Landhaus herrschte Einsamkeit. Ab und zu kam ein Bauernwagen mit rasselndem Milchgeschirr vorüber, oder ein Landauer mit einer zahlreichen Familie fuhr am Sonntagmorgen die Strasse entlang aufs Land hinaus. Selten ereignete es sich, dass in vorgerückter Stunde ein Mann im langen englischen Überzieher, den Kragen hochgeklappt, die Gartentür öffnete. Er verschwand dann in dem zur ebenen Erde gelegenen Saal, wo verhangene Lampen die zauberhafte Frauengestalt phantastisch beleuchteten, die dort auf der Ottomane ruhte.
An einem milden Augustabend ruhte sie wieder dort. Die Alte hatte ihr zu Füssen ein Tischchen mit in Eis gekühlten Früchten hingestellt und war dann, leise vor sich hin schwatzend, verschwunden. Einige Minuten darauf öffnete sich ein Flügel der breiten Tür nach dem Garten hinaus, und die hohe Gestalt eines Mannes trat ein. Liane neigte stumm das Haupt.
Ebenfalls ohne ein Wort zu verlieren, ging er auf sie zu und führte ihre Hand an die Lippen.
Dann warf er Überrock und Zylinder auf einen Sessel, näherte sich ihr und sah, mit verliebten Blicken, in ihr wunderschönes, ruhiges, bleiches Gesicht. Ihre Augen wiesen nach den duftenden Früchten. Er schüttelte den Kopf. »Mich dürstet nur nach Ihnen, Liane.« Über sein von den Erfahrungen des Lebens stark verwüstetes Gesicht flog leichte Röte. »Mir kommt’s Ewigkeiten vor, seit ich zum letzten Mal hier war. Eine schale Zeit liegt hinter mir. Nichts wie Banalität, Repräsentationspflichten, Familienjammer, Öde, wohin man blickt. Alles immer dasselbe, immer dasselbe. Und glaubt man einmal etwas Neues gefunden zu haben, dann ist es plump, plump zum Verletzen.«
»Wie geht’s der Prinzessin?« Ihre Stimme klang tief und weich. »Ist es vorüber?«
»Ach,« er verzog den Mund, »reden Sie nicht davon. Es war eine Schlächterei. Wir wollten unsere Tochter nicht verlieren, er nicht den Erben. Die Ärzte stritten sich im Nebenzimmer wie die Marktweiber um den armen, in der Narkose noch stöhnenden Körper, bis endlich wir, die Eltern, siegten. Das zerstückelte Kind ist bereits beigesetzt, sie mit ihren neunzehn Jahren ein Krüppel, der indessen die Hoffnung hat, wie ihr Leibarzt bemerkte, die nächste Geburt besser zu überstehen.«
Liane verhüllte sich das Gesicht. »Entsetzlich! Dieses holde Madonnenbild! Aus welchem Barbarenwinkel stammt eigentlich ihr Gatte?«
»Lassen wir das, Liebste. Unsere Kultur glaubt eine noch nie erreichte Blüte gewonnen zu haben. Sie baut elegante Zuchthäuser, Frauenkliniken, die wahren Palästen gleichen, sie gestattet uns, Bordelle zu besuchen, – die geliebte Frau vor dem Schicksal, geschlachtet zu werden, zu bewahren, gestattet sie uns indessen nicht. Unsere Moral will nicht nur die Art unserer Sinnengenüsse vorschreiben, sie will sogar die Vorgänge im Ehebett regeln. Diese Moral ist gut für die, die sie gut finden, für die meisten. Glauben Sie nicht, dass diese Millionen an unsern Freuden Gefallen fänden, sie würden