M.H. Murray

Tod am Lagerhaus


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ich bin Sarah“, stellte sie sich vor. „Schön, Sie kennenzulernen.“

      „Oh ja, gleichfalls“, entgegnete einer der beiden Männer.

      „Was? Sie sind auch Sarah?“, fragte sie scherzhaft und hörte David Graham neben sich lachen.

      „Ähm, nein. Ich meinte, es ist auch schön, Sie kennenzulernen. Ich bin Dimitri“, stammelte dieser.

      „Ach so“, entgegnete Sarah schmunzelnd und schüttelte erst ihm und dann Henry die Hand.

      „So! Nun kennen Sie alle aus unserer kleinen Familie“, stellte Graham lächelnd fest. „Dann zeige ich Ihnen jetzt noch die anderen Räume.“

      Sie nickte und folgte ihm wieder hinaus in den Flur. Beim Wort Familie hatte sie instinktiv an Mafia denken müssen - auch wenn sie sich David Graham irgendwie so gar nicht als Zigarrenraucher vorstellen konnte, der seine Katze streichelte, während er Mordanweisungen gab. Er öffnete den linken Flügel einer Doppeltür und schaltete die Beleuchtung ein.

      „Unser Lagerraum“, sagte er. „Hier landen die Sachen, die gerade nicht in der Ausstellung sind. Hier wird auch alles verpackt oder ausgepackt, je nachdem.“

      Sarah schaute sich in dem großen Raum, in dem hauptsächlich Kisten und hohe Regale standen, um. Sie erinnerte sich, dieses Lager gerade auf einem der Monitore im Überwachungsraum gesehen zu haben. Da Graham allerdings gerade erst das Licht eingeschaltet hatte, mussten die Kameras auch mit Infrarot funktionieren. Interessiert betrachtete sie verschiedene Kunstwerke, die sicher in den Regalen verstaut waren.

      „Und hier ist alles drin, was nicht in den Ausstellungsräumen ist?“, wollte sie wissen.

      „Die wertvollsten Sachen auf jeden Fall. Wir haben noch einen Platz in einem Lagerhaus beim Hafen gemietet. Dort werden auch die Sachen zuerst zwischengelagert, die aus dem Ausland eintreffen.“

      „Verstehe“, murmelte Sarah beiläufig, um ihr besonderes Interesse an dem Lagerhaus zu verstecken.

      „Wollen wir dann weiter?“

      Sie nickte.

      David Graham schaltete das Licht hinter ihnen aus und schloss die Tür ab, bevor sie die restlichen Räume der Galerie besichtigten und schließlich irgendwann vor seiner Bürotür ankamen.

      „Mein Büro kennen Sie ja schon“, bemerkte er und Sarah nickte bestätigend.

      „Tja und das hier“, er machte mit dem Arm eine Halbkreisbewegung durch das große Büro, in dem sie standen. „Das hier ist sozusagen Ihr Reich.“

      Sarah schaute sich um.

      „Und das ist dann mein Schreibtisch, nehme ich an?“

      „Sie nehmen richtig an“, erklärte er lächelnd und Sarah wurden dabei wieder die Knie weich.

      Schnell ging sie an den Schreibtisch und setzte sich.

      „Schauen Sie sich alles in Ruhe an. In den Aktenschränken sind Verzeichnisse und Verträge, Lieferscheine und alles, was wir für die Behörden und das Finanzamt brauchen. Natürlich ist vieles davon auch im Computer. Machen Sie sich mit allem vertraut und wenn Sie Fragen haben, kommen Sie zu mir“, sagte er. „Ich weiß, es ist ziemlich viel verlangt, dass Sie sich das alles in kürzester Zeit ohne richtige Anleitung aneignen sollen. Aber es ging leider nicht anders und ich verspreche Ihnen, ich werde versuchen, jederzeit für Sie da zu sein.“

      Sarah sah zu ihm und lächelte.

      „Vielen Dank. Ich werde sicher darauf zurückkommen.“

      „Nur leider nicht im Moment, denn ich erwarte gerade einen wichtigen Anruf“, entschuldigte er sich und zwinkerte. „Aber später gern.“

      Damit verschwand er in seinem Büro und Sarah war allein. Sie überlegte, womit sie anfangen sollte, stand dann wieder auf und ging zu den Aktenschränken. Sie zog eine Schublade auf, ließ die Finger über die Ordner streichen und zog einen heraus, um darin zu blättern und zu lesen. Das wiederholte sie mit verschiedenen Ordern aus den unterschiedlichsten Schubladen und verschaffte sich so einen groben Überblick, welche Dokumente wo einsortiert waren. Ihr fiel allerdings bald auf, dass sich in den Aktenschränken nichts zu befinden schien, das etwas mit dem Lagerhaus an den Docks zu tun hatte. Vielleicht würde der Computer ihr in dieser Beziehung weiterhelfen.

      Sarah ging zurück an den Schreibtisch, setzte sich und ließ den Rechner hochfahren. Nachdem sie sich zum ersten Mal eingeloggt und ihr Passwort geändert hatte, machte sie sich mit der Ordnerstruktur vertraut und konnte zu ihrer Enttäuschung hier ebenfalls keinen Hinweis auf das Lagerhaus entdecken. Wenn wirklich alle Lieferungen aus dem Ausland dort ankamen, musste es aber Unterlagen darüber geben. Vielleicht gab es diese jedoch nur in Grahams Computer – oder in dem Aktenschrank in seinem Büro. Das musste sie auf jeden Fall herausfinden.

      Für heute beschloss sie aber, noch kein Risiko einzugehen und machte sich weiter mit ihren Aufgaben als Grahams Assistentin vertraut. Sie entschied außerdem, alle Fragen an ihn auf morgen zu verschieben, denn es waren nur noch zwei Stunden bis zum Feierabend und für diese Zeit hatte sie mehr als genug zu lernen und zu entdecken.

      „Na, immer noch fleißig?“

      Die Frage ließ Sarah aufschrecken. Sie war gerade in den Terminkalender auf dem Monitor vertieft und hatte gar nicht bemerkt, dass David Graham sein Büro verlassen hatte und jetzt vor ihrem Schreibtisch stand.

      „Nun ja, dazu bin ich ja hier“, entgegnete sie lächelnd.

      „Schon, aber Feierabend war schon vor einer Viertelstunde.“

      „Oh“, sie schaute auf die Uhr. „Das habe ich gar nicht bemerkt.“

      Er lachte kopfschüttelnd.

      „So etwas ist Debbie oder Amanda noch nie passiert.“

      „Jetzt übertreiben Sie aber sicher“, lachte sie nun ebenfalls.

      „Nein, ehrlich“, beharrte er. „Nun schalten Sie aber den Computer aus und dann ab nach Hause.“

      „Ja Chef“, entgegnete sie, ungewöhnlich heiter, und ließ den Rechner herunterfahren, bevor sie ihre Handtasche nahm und aufstand.

      Graham stand immer noch vor ihrem Schreibtisch.

      „Haben Sie Ihr Auto schon zurück aus der Werkstatt“, fragte er.

      „Nein, aber irgendwann im Laufe der Woche.“

      „Und wie kommen Sie jetzt nach Hause?“

      Sarah zuckte mit den Schultern.

      „Genauso, wie ich hergekommen bin - mit dem Bus.“

      „Falsch!“, widersprach er.

      „Warum falsch?“, erkundigte sie sich verwirrt.

      „Weil ich Sie nach Hause fahren werde.“

      „Oh, nein! Nein, das ist wirklich nicht nötig“, wehrte sie schnell ab.

      Der Gedanke, allein mit ihm im Auto zu sein, ihm viel zu nah zu kommen, ließ ihren Bauch sofort wieder kribbeln, als hätte sie den nächsten Bienenschwarm verschluckt.

      „Es ist mir egal, ob es nötig ist. Ich lasse Sie nicht am Abend mit dem Bus durch Los Angeles fahren. Das ist viel zu gefährlich“, ließ er sich nicht beirren.

      Sarah seufzte innerlich laut auf. Ihr war klar, dass er nicht aufgeben würde.

      „Also gut, wenn Sie darauf bestehen“, gab sie schließlich nach.

      „Ich bestehe“, erwiderte er grinsend.

      Sie verließen zusammen ihr Büro und gingen durch den Flur zur Treppe. Als sie unten ankamen, liefen sie aber nicht zum Haupteingang, sondern durch den anderen Flur, vorbei am Lagerraum zu einer Metalltür. Als sie durch diese ins Freie traten, befanden sie sich in einem kleinen Hof. Nur wenige Schritte entfernt vom Ausgang konnte Sarah des Mercedes Coupé sehen, mit dem sie gestern zu David