ihre Dienstmarken und wurden sofort durchgelassen. Die Beifahrertür des Streifenwagens stand offen und der Oberkörper des getöteten Officers war herausgesackt, während seine Beine sich noch im Inneren des Autos befanden.
Sarah schaltete ihre Taschenlampe ein, beugte sich hinunter und betrachtete den Toten.
„Drei Einschüsse in der Brust. Die Sicherung des Holsters ist offen, aber er hat es offensichtlich nicht mehr geschafft, die Waffe zu ziehen.“
„Ja“, bestätigte Rodriguez ihre Beobachtungen. „Kennen Sie ihn?“
Sarah schüttelte den Kopf.
„Ich glaube nicht.“
„Officer Tim McFadden“, klärte der junge Polizist, der ihnen gefolgt war, sie über das Opfer auf.
„Der Name kommt mir aber irgendwie bekannt vor“, murmelte Sarah, als sie wieder aufstand.
Sie gingen um das Auto herum zur Fahrerseite.
„Der andere hatte überhaupt keine Chance“, berichtete der junge Polizist weiter. „Officer …“
„Ben Richards“, beendete Sarah seinen Satz und blieb erstarrt stehen.
Der Tote saß noch hinter dem Steuer, die Splitter der zerschossenen Seitenscheibe überall auf seiner Uniform verstreut und zwischen seinen Augen waren zwei Einschusslöcher zu erkennen.
„Sarah? Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“, fragte Rodriguez besorgt, denn ihm war trotz der schlechten Beleuchtung aufgefallen, wie blass sie plötzlich wurde.
Anstatt ihm zu antworten, rannte sie los, verschwand hinter dem Müllcontainer, der an der Wand des einen Lagerhauses stand, und musste sich dort zweimal übergeben. Sie atmete mehrmals tief durch, als sie sich wieder aufrichtete und zwang sich, ruhig zu den anderen zurückzugehen.
„Wollen Sie sich lieber ins Auto setzen? Ich kann auch allein weitermachen“, bot Rodriguez ihr an.
Doch Sarah schüttelte den Kopf.
„Nein, es geht schon wieder.“
Sie wollte jetzt nicht allein sein und sie wollte auch keine Schwäche zeigen. Sie war sich sicher, Captain Mancini würde darauf nur warten.
„Okay“, nickte Rodriguez. „Ich gehe also davon aus, Sie kannten Officer Richards?“
Sarahs Blick fiel erneut auf das erstarrte Gesicht des toten Polizisten.
„Benny war mein bester Freund – seit ich fünf war“, bestätigte sie leise.
„Das tut mir sehr leid“, sagte Rodriguez und legte mitfühlend seine Hand auf ihre Schulter.
„Danke Emilio“, erwiderte sie leise und schaute zu ihm hoch, da er fast einen Kopf größer war als sie. „Lassen Sie uns weitermachen.“
Sie wandte sich dem jungen Polizisten zu.
„Was können Sie uns noch sagen? Warum waren die beiden hier?“
Er zuckte mit den Schultern.
„Das ist noch nicht klar. Vermutlich haben sie irgendetwas Verdächtiges bemerkt. Laut Zentrale wurden sie weder hier her geschickt, noch haben sie eine Meldung durchgegeben. Vor 80 Minuten ging ein anonymer Notruf ein. Ein Mann sagte, er habe hier mehrere Schüsse gehört.“
Sarah leuchtete mit der Taschenlampe in den Wagen.
„Vermutlich wollten sie gerade die Meldung durchgeben. Das Mikrofon des Funkgerätes ist nicht in der Halterung und hängt herunter.“
Rodriguez nickte.
„Sieht so aus. Da soll sich die Spurensicherung mit beschäftigen. Wo sind die eigentlich? Und der Gerichtsmediziner?“
„Kommen gerade an“, berichtete der junge Polizist.
„Okay, würden Sie sie gleich herbringen?“
„Aber natürlich.“
Rodriguez blickte ihm kurz hinterher und wandte sich dann Sarah zu.
„Was denken Sie?“
Sie zuckte mit den Schultern.
„Es waren mindestens zwei Täter, denn sie wurden aus verschiedenen Richtungen erschossen. Man hat ihnen keine Chance gelassen und wie es aussieht, passierte alles aus unmittelbarer Nähe. Sieht ganz nach Profis aus, die so etwas nicht zum ersten Mal getan haben.“
Rodriguez nickte zustimmend.
„Das war fast wie eine Hinrichtung. Leute, die so etwas machen – noch dazu mit Polizisten …“ Er runzelte die Stirn. „Das sieht man nicht oft. Ich frage mich, über was die beiden hier gestolpert sind.“
Inzwischen waren die Mitarbeiter der Spurensicherung eingetroffen und hatten ihre Arbeit aufgenommen. Für die beiden Detectives der Mordkommission war die Arbeit am Tatort erst einmal beendet. Bevor sie zu ihrem Wagen gingen, fiel Sarahs Blick noch einmal auf ihren toten Freund und ihr Magen krampfte sich zusammen. Sie wusste, dieses Bild würde sie von jetzt an verfolgen, aber sie schwor sich, den Mörder von Benny zu finden.
Doch das sollte nicht so einfach werden, denn am nächsten Tag erfuhr sie von Captain Mancini, dass sie nicht weiter an diesem Fall arbeiten würde. Er hatte ihn Rodriguez und O’Neill übergeben, weil diese seiner Meinung nach mehr Erfahrung hatten und auch nicht auf persönlicher Ebene betroffen waren. Er hatte versucht, ihr zu erklären, dass kein Verdacht aufkommen durfte, die Ermittlungen würden zu einem privaten Rachefeldzug der Polizei werden. Sarah hielt das alles für faule Ausreden, aber er war nun einmal ihr Vorgesetzter.
Es fühlte sich schrecklich an, Benny verloren zu haben, aber noch unerträglicher war es für sie, nichts tun zu können. Er war ihr einziger Freund gewesen. Mit allen anderen aus der Schulzeit oder vom College war der Kontakt irgendwann abgerissen. Und da sie völlig in ihrem Job aufging, war ihr Privatleben so gut wie nicht existent und sie hatte in den letzten Jahren keine Gelegenheit gehabt, neue Freunde zu finden.
Rodriguez und O’Neill hielten sie unter der Hand über die Ermittlungen auf dem Laufenden – ohne dass der Captain darüber etwas erfahren durfte. Es hatte sich bestätigt, dass die Opfer mit zwei verschiedenen Waffen aus kurzer Distanz erschossen worden waren. An der Stelle, an der einer der Schützen gestanden haben musste, war ein silberner Kugelschreiber gefunden worden.
Sie hatten außerdem herausgefunden, dass das eine Lagerhaus leer stand und das andere vermietet war - an einen Kunsthändler, der auch eine Galerie besaß. Der Mann hieß David Graham. Durch einen Kontakt beim FBI hatte ihr Chief erfahren, dass Graham wohl schon länger unter dem Verdacht stand, im großen Stil zu schmuggeln - ob nur Kunstschätze oder auch andere Dinge wie Drogen, da ließ sich das FBI offenbar nicht in die Karten sehen. Fest stand nur, dass Graham nie etwas nachgewiesen werden konnte, aber die Information hatte ausgereicht, um diesen Kunsthändler zu einer Befragung einzubestellen.
Graham hatte sich nicht geweigert. Er hatte sich kooperativ gezeigt und sogar freiwillig seine Fingerabdrücke abnehmen lassen. Als sich jedoch herausgestellt hatte, dass seine Fingerabdrücke mit denen auf dem Kugelschreiber am Tatort übereinstimmten, hatte Graham seinen Anwalt eingeschaltet, der sofort mehrere Zeugen präsentiert hatte, die den Kunsthändler am Mordabend auf einer Ausstellung gesehen haben wollten und so hatten sie ihn wieder gehen lassen müssen.
Sarah war sich seitdem trotzdem sicher, dass Graham hinter den Morden steckte, doch offensichtlich kamen Rodriguez und O’Neill mit den Ermittlungen keinen Schritt mehr weiter. Immer wieder schossen ihr Bilder von Benny durch den Kopf, sein Lachen, seine Scherze, ihre gemeinsamen Judostunden – Sarah war zwar klein und zierlich, aber Benny hatte sie immer als gefährlich wie eine Tigerin bezeichnet, wenn er wieder einmal einen Kampf gegen sie verloren hatte. Er war es auch, der sie damals mit beeinflusst hatte, Polizistin werden zu wollen.
Sie hatte begonnen, alle Informationen über Graham zu sammeln, die sie bekommen konnte – vor allem im Internet. David Graham war 36 Jahre alt, groß, sportlich, dunkelhaarig. Sarah musste sich eingestehen, dass er auf