M.H. Murray

Tod am Lagerhaus


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ich halte es möglicherweise für die einzige Chance, den Fall zu lösen und Graham zu überführen.“

      „Das ist gut, dass Sie es dem Chief gesagt haben, denn Sie werden ganz sicher die Konsequenzen dafür tragen“, bestätigte der Captain in einem auffallend leisen Ton.

      „Ja Sir.“

      Es fiel Sarah schwer, trotz der inneren Anspannung ruhig zu wirken.

      „Gut, dann kommen wir jetzt zur Sache“, beendete Mancini das Thema. „Ihr Deckname ist Sarah Porter. Unter dem haben Sie sich ja auch beworben. Bis morgen ist der Lebenslauf fertig. Die Papiere hat das Labor erst übermorgen, da denen noch Passbilder von Ihnen fehlen.“

      „Ich bringe gleich morgen früh welche ins Labor“, versicherte Sarah.

      „Okay, außerdem erhalten Sie übermorgen ein Prepaidhandy mit GPS-Ortung und wenn Sie den Job bekommen sollten, ziehen Sie für die Zeit in eine unserer Wohnungen, die wir für solche Aktionen haben“, informierte er sie weiter und schob ihr einen dicken Ordner über den Schreibtisch. „Ihre Hauptaufgabe ab jetzt. Hier steht alles drin, was wir über David Graham wissen. Sie können sich gleich an die Arbeit machen. Ihren bisherigen Fall übernimmt solange O’Neill.“

      „Alles klar, Sir!“

      „Sie können jetzt gehen.“

      „Danke Sir!“, erwiderte sie und nahm den Ordner vom Schreibtisch.

      „Ach, eine Sache noch“, fiel Mancini noch ein. „Das war das erste und letzte Mal, dass Sie versucht haben, mich hinters Licht zu führen. Sie haben alle Voraussetzungen, die man braucht, um ein hervorragender Detective zu sein: Intelligenz, Hartnäckigkeit und Bauchgefühl. Ihnen fehlt aber noch Erfahrung und vor allem Respekt vor den Vorschriften. Ich würde es schade finden, Sie deshalb zu verlieren. Also reißen Sie sich in Zukunft gefälligst zusammen, verstanden?“

      Sarah starrte ihn fassungslos an. War da gerade etwas über seine Lippen gekommen, das man als Anerkennung auffassen konnte?

      „Ich verspreche es, Sir!“

      „Gut, dann raus jetzt … Und wenn Sie jemanden auch nur ein Wort von dem verraten, was ich gerade gesagt habe, werde ich Sie alle zur Verkehrspolizei versetzen lassen, ist das klar?“, drohte er.

      Ein flüchtiges Schmunzeln huschte über Sarahs Gesicht und sie nickte eifrig, bevor sie sein Büro verließ und wieder zu ihrem Schreibtisch zurückkehrte, um sich den Ordner über David Graham anzusehen.

      ***

      Sarah machte heute pünktlich Feierabend, denn sie wollte noch neue Passbilder anfertigen lassen und hatte auch noch weitere Vorbereitungen für ihren ersten Undercover-Einsatz auf ihrer Liste.

      Am nächsten Morgen suchte sie als Erstes das Labor auf, um ihre Passbilder abzugeben. Als sie eine Weile später die Räume der Mordkommission betrat, war niemand zu sehen. Sie ging direkt weiter zur Tür von Captain Mancinis Büro und klopfte an.

      „Herein!“

      Er sah vom Schreibtisch auf, als Sarah eintrat und ihn grüßte.

      „Guten Morgen, Sir.“

      „Ah, Detective Williams, da sind Sie …“, er stockte. „Was zum Teufel?“

      „Stimmt etwas nicht, Captain?“,

      „Ob etwas nicht stimmt? Warum zum Teufel sehen Sie so … blond aus?“

      „Ich habe mir gestern die Haare färben lassen“, entgegnete sie.

      Mancini schlug mit der Faust auf den Tisch.

      „Bin ich hier im Irrenhaus? Wir sind die Mordkommission und kein Kosmetikstudio oder Friseursalon. Lassen Sie das wieder wegmachen.“

      „Das geht nicht, Sir. Ich habe die Passbilder mit den blonden Haaren bereits im Labor abgegeben“, klärte sie ihn auf.

      „Aber was haben Sie sich dabei gedacht? Sie gehen undercover und nicht zum Karneval.“

      „Ich hoffe, damit meine Chancen auf den Job bei Graham zu erhöhen“, erklärte sie ihm. „Ich habe viele Fotos von ihm im Internet studiert und immer, wenn er in Begleitung einer Frau war, war es eine Blondine. Ich denke, das ist kein Zufall.“

      Mancini starrte sie eine Weile an und seine Miene entspannte sich etwas.

      „Wenigstens ist das eine Erklärung, die ich akzeptieren kann, ohne an Ihrem Verstand zu zweifeln“, brummte er. „Also gut, da es sich sowieso nicht mehr rückgängig machen lässt …“, gab er schließlich nach und zeigte auf einen großen Umschlag auf dem Schreibtisch. „Das hier ist Ihr Lebenslauf, Miss Porter. College, Abschluss in Kunstgeschichte, Nebenfach Computersicherheit, anschließend ein Jahr beschäftigt am Museum of Fine Arts in Boston, danach bis vor einigen Monaten in einer kleinen Galerie und Umzug nach L.A. Das College und das Museum wissen Bescheid. Sie arbeiten mit uns zusammen. Die kleine Galerie gibt es nicht mehr, seit der Besitzer vor einiger Zeit gestorben ist. Da kann also niemand nachfragen.“

      „Klingt gut“, meinte Sarah und nahm den Umschlag vom Tisch.

      „Noch Fragen?“

      „Nein Sir.“

      „Gut, dann gehen Sie jetzt nach Hause und bereiten sich auf Ihr Bewerbungsgespräch und auf Graham vor. Bevor Sie morgen dort hingehen, kommen Sie wieder her. Dann gebe ich Ihnen die Papiere und das Handy. Der Chief wollte Ihnen zur Sicherheit eine Wanze verpassen, aber ich fürchte, wenn es stimmt, was das FBI über Graham sagt, würden Sie damit ziemlich schnell auffliegen. Ich will Sie deshalb nur noch einmal darauf hinweisen, wie gefährlich es werden kann, da wir Sie nicht ständig im Auge behalten können.“

      „Ich weiß, Captain. Ich werde vorsichtig sein.“

      „Gut, die Kontaktaufnahme erfolgt ausschließlich über das Prepaidhandy oder später über das Telefon in der Wohnung, aber das besprechen wir noch genauer, falls Sie den Job bekommen sollten.“

      „Alles klar, Sir.“

      „Okay, dann bis morgen.“

      Als Sarah das Büro verließ, war immer noch niemand von ihren anderen Kollegen zu sehen und so machte sie sich auf den Heimweg, wieder mit einem leichten Kribbeln im Bauch. Morgen würde es so weit sein. Morgen würde sie damit beginnen können, ihr Versprechen wahr zu machen und Bennys Mörder zu überführen. Morgen würde sie diesem Monster endlich Auge in Auge gegenüberstehen.

      Kapitel 3

      Als Sarah am nächsten Tag ihre Wohnung verließ, verspürte sie eine unerwartete Ruhe in sich. Sie hatte seit drei Nächten keine Albträume mehr gehabt und war jetzt felsenfest davon überzeugt, dass sie das Richtige tat. In wenigen Stunden war ihr Vorstellungsgespräch bei Graham und natürlich trug sie heute nicht wie üblich Jeans und T-Shirt, sondern einen dunklen Rock, der bis eine Hand breit über ihre Knie reichte, eine helle Bluse und hochhackige Schuhe. Vervollständigt wurde ihr Outfit von einer Handtasche und einer Sonnenbrille, während ihr erblondetes, langes Haar offen bis auf den Rücken fiel.

      Sie hatte gerade die Räume der Mordkommission betreten, als Rodriguez und O’Neill von ihren Stühlen aufsprangen und regelrecht auf sie zu gestürmt kamen.

      „Entschuldigung, Miss, können wir etwas für Sie tun?“, fragte O’Neill.

      „Können wir Ihnen irgendwie helfen?“, ergänzte Rodriguez eifrig.

      Sarah blieb stehen und nahm ihre Sonnenbrille ab.

      „Ich weiß nicht. Wollen Sie für mich zum Captain gehen?“

      Sie konnte sehen, wie ihre Kollegen sie mit großen Augen anstarrten.

      „Sarah?“

      „Sind Sie das wirklich?“

      „Warum sollte ich es nicht sein?“, erwiderte sie schmunzelnd.

      „Na ja, Sie sehen so anders aus, so wie