M.H. Murray

Tod am Lagerhaus


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von der Seite voll erwischt. Sie hatte keine Chance.“

      „Bitte entschuldigen Sie, ich hatte keine Ahnung“, murmelte Graham leise und Sarah konnte es ihm ansehen, dass er es ernst meinte.

      „Ist schon gut“, erwiderte sie und wischte sich unauffällig eine Träne weg. „Darf ich Sie auch etwas fragen? Über die Galerie und besonders über den Job als Ihre Assistentin?“

      „Aber natürlich.“

      „Was stellen Sie alles so aus?“

      „Wir haben viele unterschiedliche Kunstwerke hier, besonders auch aus Asien und Süd- und Mittelamerika. Wir kaufen und verkaufen natürlich weltweit, aber wir stellen ebenfalls Leihgaben aus. Was wir nicht so oft hier haben, ist zeitgenössische Kunst.“

      „Aha, verstehe. Und ist es nicht schwer, an klassische Kunstwerke zu kommen, gerade aus Asien und Mittelamerika?“

      „Das stimmt, das ist nicht einfach, aber ich habe es mit viel Geduld und einigen Mühen geschafft, verlässliche Partner in diesen Ländern zu finden, die mir ihr Vertrauen schenken.“

      „Das hört sich wirklich toll an“, erklärte sie und dachte: ’Ich bin ja gespannt, was das für saubere Partner sind, die jemandem wie ihm vertrauen.’

      „Aber Sie sind sicher auch neugierig, was die Assistentinnenstelle angeht. Darum möchte ich Ihnen erst einmal die wichtigsten Eckpunkte nennen.“

      „Das wäre nett.“

      „Als meine Assistentin wären Sie für meinen Terminplan zuständig, sowie für die Organisation von Ausstellungen, für meine Unterlagen und Daten, außerdem für die Organisation von allen geschäftlichen Kontakten und gesellschaftlichen Events, also Abendessen mit Kunden, Partys und so weiter. Auch wenn es nicht oft vorkommt, aber Sie würden mich ebenfalls auf Geschäftsreisen begleiten. Es ist wichtig, dass ich jemanden mit ausgezeichnetem Sachverstand an meiner Seite habe, denn Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, gerade im Kunsthandel und vier geschulte Augen sehen immer mehr als nur zwei.“

      „Ich verstehe“, erwiderte Sarah nur.

      „Natürlich bringt das mit sich, dass Sie oft keine geregelte Arbeitszeit haben werden, da viele dieser Transaktionen am Abend oder auch am Wochenende stattfinden und das oft auch noch kurzfristig. Natürlich versuchen wir immer, so gut es geht, einen Ausgleich zu schaffen, was die Arbeitszeit betrifft, aber ich mache Ihnen nichts vor. Es gibt auch Zeiten, da ist meine Assistentin rund um die Uhr im Dienst.“

      Sarah atmete hörbar ein.

      „Ich halte es nur für fair, wenn ich Sie auch über die weniger angenehmen Seiten des Jobs bereits vorher aufkläre.“

      „Oh ja, das ist sehr hilfreich“, bestätigte Sarah.

      Graham nahm einen Stift und schrieb etwas auf einen kleinen Zettel, den er dann zu ihr über den Schreibtisch schob.

      „Ich möchte Ihnen aber ebenfalls gleich mitteilen, was mir dieser Einsatz wert ist.“

      Sarah nahm den Zettel, las die Zahl, die darauf stand und nickte dann.

      „Ich denke, das ist ganz fair“, befand sie. „Und wird das Gehalt immer direkt am Anfang des Monats gezahlt?“

      Graham lächelte.

      „Jeden Montag, die Summe auf dem Zettel wäre ihr wöchentlicher Verdienst, nicht der monatliche.“

      Ihre Augen wurden groß.

      „Ernsthaft?“

      Für dieses Gehalt musste sie mehrere Monate als Detective arbeiten.

      „Ja, ernsthaft“, bestätigte er amüsiert. „Also, haben Sie immer noch Interesse?“

      „Oh ja, absolut.“

      „Gut. Wenn Sie möchten, kann ich Sie ja ein wenig herumführen und Ihnen ein paar Ausstellungsstücke zeigen“, bot Graham an.

      „Sehr gern“, entgegnete sie begeistert.

      Sie erhoben sich von ihren Sesseln und David Graham hielt ihr – ganz Gentleman - die Tür auf. Als Sarah für einen kurzen Moment seine Hand leicht auf ihrem Rücken spürte, hatte sie das Gefühl, ihr Atem würde stocken. Gleichzeitig breitete sich wieder ein warmes Kribbeln durch ihre Körpermitte aus. Zum Glück war es nur ein flüchtiger Moment und gleich darauf liefen sie nebeneinander den Flur entlang und die Treppe hinunter in die Ausstellungsräume.

      „Was halten Sie hiervon?“, fragte Graham lächelnd, als sie vor einer Vitrine standen, in der eine rund zehn Zentimeter hohe Figur aufgestellt war, die grau-grün schimmerte und aus der ein Relief mit einer angsteinflößenden Fratze hervortrat.

      Sarah beugte sich vor und betrachtete das Ausstellungsstück aufmerksam. Dann richtete sie sich wieder auf und schaute David Graham ungläubig an.

      „Sagen Sie mir nicht, Sie haben die kaufen können? Soweit ich weiß, dürfen die nicht gehandelt werden.“

      Ein zufriedenes Schmunzeln huschte über Grahams Gesicht.

      „Dann wissen Sie, was das ist?“

      Sarah nickte.

      „Eine Götterfigur der Maya aus Jade. Ich würde sagen Frühklassik, gut 1500 Jahre alt.“

      „Sehr gut“, war Graham beeindruckt. „Das stimmt.“

      „Ich habe so eine schon einmal im Met in New York gesehen“, erklärte Sarah und schaute ihn wieder an. „Verraten Sie mir, wo Sie sie her haben?“

      David Graham lachte.

      „Sie könnten auch eine gute Polizistin abgeben. Sie scheinen ein Talent zu haben, Leute zu verhören.“

      Sarah blieb für einen Moment das Herz stehen. Sie war offensichtlich zu sehr aus der Rolle gefallen.

      „Oh nein, es tut mir leid, so war das nicht gemeint“, wiegelte sie schnell ab. „Ich bin nur so begeistert. Ich hätte nicht erwartet, so eine Statue außerhalb eines Museums zu sehen.“

      „Sie müssen sich nicht entschuldigen. Mir gefällt, dass Sie kein Blatt vor den Mund nehmen“, versicherte er ihr. „Diese Statue steht eigentlich auch im Museum, aber ich habe es über meine Kontakte in Honduras geschafft, dass sie für drei Monate hier ausgestellt werden kann.“

       „Unglaublich“, murmelte sie überrascht und betrachtete erneut die Figur, während Graham hingegen Sarah bewundernd beobachtete.

      „Wollen wir dann weiter? Ich habe da noch etwas für Sie“, unterbrach er nach einigen Minuten die Stille.

      Sarah nickte und folgte ihm in einen anderen Raum, wo sie vor einer großen Vase stehen blieben.

      „Was meinen Sie dazu?“, wollte er wissen und zeigte auf das Gefäß.

      Sarah beugte sich wieder vor und sah sich das Stück aufmerksam an.

      „Ist das auch eine Leihgabe?“, fragte sie dann.

      „Warum?“

      „Weil es sich dann nicht wirklich lohnen würde, sie zurückzugeben.“

      „Wie bitte?“

      Sie richtete sich wieder auf und zuckte mit den Schultern.

      „Das soll eine blau-weiße Mingvase sein, ist aber nur eine Kopie – und nicht einmal eine besonders gute.“

       „Ach nein?“, tat Graham verwundert.

      „Nein, hier ist deutlich zu sehen, dass die Vase erst nach dem Brennen bemalt wurde, während die echten Mingvasen immer in Unterglasurtechnik hergestellt wurden“, erläuterte sie.

      David Graham musste schmunzeln.

      „Dann sind Sie sich sicher, dass es eine Fälschung ist?“

      Sarah nickte.

      „Ja bin ich, und Sie wussten es auch. Habe ich den Test