Mo. Moser

Schattenkind


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Geist dabei hat, der leuchtet wie ein Flutlicht im Fußballstadion. Jim hoffte inständig, dass seine Eltern tief und fest schliefen, denn wenn sie jetzt aus dem Fenster schauen würden, würde sie wahrscheinlich der Schlag treffen. Die Tatsache, dass sie sich gemeinsam auf den Weg machten, schien den Geisterjungen mit ungeahnter Energie zu versorgen. Er zappelte ganz aufgeregt herum, während Jim nach einer Schaufel suchte und kaum das er sie hatte, lief er nach draußen und in Richtung des Waldes. Sie brauchten keine Lampe. Rings um den Geisterjungen schien es taghell. Ein aufkommender Wind strich durch die hohen Fichten und Tannen und sie waren schon ein gutes Stück bergauf gelaufen, als Henry fragte, ob es noch weit sei. Der Geisterjunge schüttelte den Kopf und deutete auf eine Stelle, die schräg über ihnen lag. Sie liefen noch zweihundert Meter den Feldweg entlang, dann bog der Geisterjunge unvermittelt in den buschigen Wald ab, wo er etwas langsamer lief, damit seine Begleiter auf den mit Wurzeln und Ästen übersäten Untergrund genug sahen, um sicher voranzukommen. Auch hier ging es ein kleines Stück bergauf, doch es dauerte nicht lange, bevor sie eine flache Lichtung erreichten und schon von weitem konnte Jim das plätschern von Wasser hören. Als sie näher herankamen, wirkte der Ort fast magisch. Von einem hohen Felsen, der im Licht des Geisterjungen silbern schimmerte, fiel ein kleiner Wasserfall herab, in einen von Steinen umrandeten Teich, vor dem sich ein Teppich aus grüner Wiese und kleinen rosa Heideröschen befand. Als Jim den Ort sah, der ihn so deutlich an seinen Traum erinnerte, musste er schlucken. Es war nicht nur die Wiese mit ihren kleinen Rosen, - es war vor allem die kleine Engelsfigur, die verwittert neben dem Teich stand. Es war nicht das erste Mal das Jim hier oben im Wald war, doch diese Stelle hatte er noch nie zuvor gesehen. Als hätte sie sich auf wundersamer Weise seinem Blick entzogen. Jetzt da er sie sah, war er zutiefst berührt von ihrer Schönheit. Der Geisterjunge lief zu dem Engel und deutete nicht weit davor auf den Boden. Obwohl es offensichtlich war, fragte Jim nur zur Sicherheit, „sollen wir hier graben?“ Der Junge nickte heftig mit dem Kopf. „Ich weiß nicht, sagte Henry, aber wenn du mich fragst, sieht das aus wie ein Grab.“ „Ach weißt du, erwiderte Jim grinsend, bevor er die Schaufel in die Erde stieß, so langsam gewöhne ich mich an so was.“ Während Jim grub, fiel Henry auf, das der Geisterjunge immer wieder besorgt in Richtung Osten schaute, wo die Morgendämmerung den neuen Tag ankündigte und er fragte sich ernsthaft, ob sie das Richtige taten. Was, wenn dort keine Kette lag, sondernd etwas anderes? Etwas…Düsteres. Was, wenn der Geist gar nicht das war, was er Vorgab zu sein und sie ihm halfen etwas zu finden, das besser verborgen geblieben wäre? In welcher Gestalt würde sich wohl der Teufel nähern, wenn er möchte, dass du ihm vertraust? Henry sah sich den Jungen genauer an. Sicher, er sah aus wie ein Engel, aber was wenn… „Ich glaub ich hab was gefunden.“ Jim legte die Schaufel auf die Seite und wühlte mit den Fingern in der Erde. „Was ist es denn?“ Henrys Nerven waren gespannt wie Drahtseile, gleichzeitig fiel ihm auf, dass der Junge im hereinbrechenden Licht des Morgens immer mehr verblasste. „Ich glaub… es ist… eine Dose.“ Jim beförderte eine olivgrüne Dose ans Tageslicht, mit abschraubbaren Deckel. Der Geisterjunge schien jetzt so aufgeregt, wie ein kleines Kind am Geburtstagmorgen. Er machte eine hastige Geste, dass Jim sie aufschrauben sollte. Während Jim sie mit zitternden Fingern aufschraubte, konnte Henry nur an eines denken - die Büchse der Pandora. Nachdem Jim sie geöffnet hatte, griff er hinein und zog eine goldene Kette heraus. An ihrem Ende hing ein kunstvoll verziertes Medaillon. Er drücke auf den kleinen, seitlichen Verschluss und als es aufschnappte, sah er ein altes Schwarzweißbild. Auf der Innenseite des Deckels stand in kleinen Buchstaben eingraviert; v.H.f.S. Der Geisterjunge gestikulierte heftig und deutete an, Jim solle sie sich umhängen. Jim sah kurz zu Henry, der mit blassem Gesicht den Kopf schüttelte und dann wieder zu dem Geisterjungen, der ihn mit großen Augen ansah. Jim kam sich vor, als stünde er auf einem Berg und würde ein uraltes Ritual durchführen. Nur das er nicht wusste, was es zu bedeuten hat. Er blickte erneut zum Geisterjungen und sah ihm tief in die Augen. Es war, als würde er eine Seele erforschen, die verborgen unter Sand am Grund eines tiefen Meeres liegt. Alles was er darin erkennen konnte, war der flehentliche Ausdruck sich zu beeilen. Sich zu entscheiden. Und wenn Jim genau darüber nachdachte, blieb ihm eigentlich gar keine andere Wahl. Die einzige Möglichkeit herauszufinden, was das alles zu bedeuten hatte, war das Ritual durchzuführen. Er zögerte noch einen Moment, dann klappte er kurzerhand den Deckel zu und zog sich die Kette über den Kopf. In dem Augenblick, als sie um seinen Hals fiel, ging die Sonne hinter den östlichen Bäumen auf. Ein rötlicher Sonnenstrahl ließ die Kette leuchten wie goldenes Feuer und der Geisterjunge, - war verschwunden.

      Etwas in Jims Blick ließ Henry nervöser werden, als eine langschwänzige Katze in einem Raum voller Schaukelstühle. Er blickte so verwirrt, als hätte er gerade erfahren, dass er eigentlich vom Mars kommt. „Jim?“ Keine Reaktion. „Jim, alles in Ordnung?“ Es schien, als ob Jim weit weg wäre und erst langsam wieder zu sich kommen würde. „Jim!“ Jim warf Henry einen Blick zu der ihn frösteln ließ. Es dauerte lange, bevor er etwas sagen konnte und als er es schließlich tat, wurde aus Henrys frösteln, ein eisiger Sturm des Entsetzens. „Er ist… in mir.“ „Was heißt das er ist in dir?“ Henry hatte das Gefühl, als sei er kurz vorm durchdrehen. Als könnte sein Verstand jederzeit in eine andere Welt abdriften, wo glitzernder Regen von einem rosa Himmel fällt und eine schwarze Sonne über phosphorisch leuchtende Hügel aufgeht. „Ich weiß doch auch nicht“, sagte Jim gereizt. „Ich weiß nur, dass ich ihn in mir hören kann und dass ich fühle dass er da ist.“ „Das… also ich…“ Als Jim das Flackern in Henrys Augen sah, beschloss er Henry schleunigst zu beruhigen, bevor die Probleme noch größer wurden. Er legte seine Hände auf Henrys Schultern und sah ihm dabei fest in die Augen. Er senkte auch bewusst seine Stimme, denn Henrys braune Augen, sahen ihn an wie ein scheues Reh, das jederzeit in Panik davon rennen könnte. „Er ist kein außerirdischer Parasit der mich befallen hat, Henry. Er ist ein neunjähriger Junge und sein Name ist Alexander.“ „Also ich… ich glaub das einfach nicht.“ „Ich glaub, das spielt keine Rolle“, entgegnete Jim mit einem müden Lächeln.

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