»Und wo liegen die Zusammenhänge, warum reist dieser Mann mit den Papieren von Rin Mura?«
»Wir nehmen an, dass sie die Rollen getauscht haben«, antwortete Halls.
»Na das ist mir auch klar. Ich meinte, warum veranstaltet Rin Mura diesen Zirkus?«
»Vielleicht ist Louk Bourey Rin Muras Mörder, ein Attentäter. Rin Mura wäre dann der Siebte auf der Liste. Der siebte ehemalige Rote Khmer, der in diesem Jahr ermordet wurde.«
»Haben Sie Anhaltspunkte dafür, dass Rin Mura tot ist?«, fragte der Colonel. »Sie sagen, dieser Louk Bourey hätte vom Gefängnis aus telefoniert. Wen hat er angerufen?«
»Das wissen wir leider noch nicht. Wie gesagt, ist es momentan etwas schwierig. Schweden ist ein sehr demokratisches Land, wo auch ein Beschuldigter seine Rechte hat.«
Der Colonel nickte. »Unabhängig davon werden Sie doch mittlerweile etwas über diesen Mann wissen, gibt es einen Zusammenhang zwischen ihm und Rin Mura?«
»Wir wissen bereits eine ganze Menge«, erklärte Tillman Halls. Er tippte auf der Tastatur des iBooks. Die Fotografie verschwand von der Leinwand und ein Dokument öffnete sich. »Wir haben ein Dossier. Louk Bourey ist wie gesagt schwedischer Staatsbürger mit vietnamesischer Abstammung. Geboren am 9. November 1940 in V?ng Tàu, ehemals Cap Saint-Jacques, im Südosten Vietnams. Er ist unverheiratet, keine Kinder, keine Angaben über noch lebende Verwandte. Er hatte eine Lebensgefährtin, die aber vor fünf Jahren an Krebs gestorben ist. Er ist selbstständiger Kaufmann, Exportgeschäfte über Asien und Nordafrika. Er handelt mit Gewürzen. Und er ist Mitglied in einem Berliner Alpenverein und dort in der Gruppe der Snowboarder.«
»Snowboard?«, fragte der Colonel.
»Es ist eine Wintersportart ähnlich dem Skifahren«, erklärte Halls.
»Ich weiß, was ein Snowboard ist«, entgegnete der Colonel. »Aber was hat das mit der Sache zutun?«
»Wahrscheinlich nichts, nur eine Information«, sagte Halls kleinlaut und fuhr mit seinem Bericht fort. »Obwohl Bourey derzeit keine Wohnadresse in Schweden besitzt, ist er in den letzten drei Monaten mehrfach in Göteborg und Stockholm gewesen. Er ist überhaupt sehr viel gereist. Interessant ist, dass er vor vier Wochen zuletzt in London war.«
»Und er wollte dort wieder hin, diesmal mit den Papieren von Rin Mura, wenn ich Sie richtig verstanden habe.«
»So sieht es aus, Sir. Er war vor vier Wochen in London und ist von dort nach München geflogen. Drei Tage später ist er dann über den Flughafen Basel-Mulhouse-Freiburg nach Berlin zurückgekehrt.«
»Und dort lebt er auch, ich meine in Berlin?«
Halls nickte. »Seit vier Jahren hat er nur noch eine Adresse in Berlin, im Bezirk Steglitz-Zehlendorf. Wir haben die genaue Anschrift.«
»Sie haben recht, das klingt alles sehr merkwürdig«, stellte der Colonel fest. »Was ist mit Rin Muras Haus in Olofstorp.«
»Eines unserer Teams war vor ein paar Stunden dort«, erklärte Halls. »Das Haus wurde anscheinend geräumt. Es waren keine persönlichen Sachen mehr zu finden und erst recht keine Dokumente oder irgendetwas anderes, dass einen Hinweis auf Rin Muras Verbleib gibt.«
»Haben Sie ihre Spurensicherung hingeschickt?«
Halls schüttelte den Kopf. »Wir haben nicht die Ressourcen vor Ort, außerdem gab es einen Zwischenfall. Es ist jemand von dort geflüchtet, als unsere Leute eingetroffen sind.«
»Rin Mura?«, fragte der Colonel sofort.
»Das wissen wir nicht. Unsere Leute haben einen schwarzen Volvo 940 verfolgt, der anscheinend Richtung Stockholm unterwegs war. Leider haben wir ihn verloren.«
»Volvo 940, schwarz?«, wiederholte der Colonel. »Woher wissen Sie das so genau, wenn Sie ihn verloren haben?«
»Unser Mann war an dem Wagen dran«, erklärte Halls. »Außerdem wissen wir, dass Rin Mura drei schwarze Volvo 940 gemietet hat.«
Tillman Halls öffnete eine Datei auf dem iBook. »Hier sind die Kennzeichen.«
Der Colonel nickte und starrte eine ganze Zeit lang auf die Daten, die der Beamer an die Leinwand projizierte. »Warum wird nicht nach den Kennzeichen gefahndet?«
»Wie gesagt haben wir dafür momentan zu wenig Leute in der Gegend«, erklärte Halls. »Und die schwedische Polizei können wir nicht schon wieder einschalten.«
Der Colonel wandte sich an den Commander. »Stockholm, Berlin, Sie gehen der Sache doch wohl nach.«
»Wir haben die Flugverbindungen von Stockholm nach Berlin selbstverständlich schon gecheckt«, erklärte der Commander, »aber dort sind weder Rin Mura noch eine Person aufgetaucht, die sich für Louk Bourey ausgibt. Wir werden die Flughäfen aber weiterhin im Auge behalten.«
»Aber Sie meinen, Rin Mura reist jetzt unter dem Namen Bourey?«
»Wir haben noch keine vollständige Meinung«, antwortete der Commander. »Es gibt mehrere Optionen. Rin Mura ist tatsächlich tot, ermordet, oder er hat Louk Boureys Identität angenommen.« Der Commander machte eine Pause. »Dann haben wir uns natürlich überlegt, wie Rin Mura sonst noch nach Berlin gelangen könnte?«
Der Commander blickte zu Halls, der sofort auf dem iBook tippte. Das Dokument auf der Leinwand wurde durch eine Karte ersetzt.
»Die Möglichkeit per Flugzeug von Stockholm nach Berlin zu fliegen hatten wir schon. Er könnte es aber auch über Göteborg versuchen, weil er denkt, dass wir ihn dort ja nicht mehr suchen.« Halls ließ den Mauszeiger über der Karte kreisen. »Richtung Süden kämen dann noch die Flughäfen Malmö und der Københavns Lufthavn infrage. Wir haben auch das gecheckt, von allen Airports gehen täglich mehrere Flüge nach Berlin.«
»Ich bin davon überzeugt, dass er fliegt«, warf der Colonel ein. »Ich tippe auf Stockholm, aber er könnte auch woanders hingefahren sein, zu einem anderen Flughafen.« Der Colonel überlegte. »Linköping oder Borlänge oder Vimmerby.«
»Sie kennen sich gut aus«, stellte der Commander fest.
Der Colonel zuckte mit den Schultern. »Wir haben Rin Mura seinerzeit in Schweden platziert.«
Der Commander nickte. »Es gibt aber noch Alternativen zum Flugzeug.« Er sah Halls an, der sich erhob und an die Leinwand trat.
»Sehen Sie diese gestrichelten Linien«, erklärte Halls, »hier wo das Wasser ist, hier bei Trelleborg. Das sind Fährverbindungen, die nach Lübeck, Rostock und nach Sassnitz gehen.«
Der Colonel schüttelte den Kopf. »Das ist zu umständlich und dauert wahrscheinlich auch zu lange.«
Halls überlegte. »Sie könnten recht haben, Lübeck wäre in der Tat ein zu großer Umweg, aber Rostock und Sassnitz, von dort könnte man mit dem Auto weiter nach Berlin fahren.« Halls ging zum Tisch zurück und tippte auf dem iBook. »Sassnitz wird allerdings an diesem Wochenende nicht von den Schwedenfähren angelaufen. Es gab dort vor ein paar Tagen eine Havarie im Hafen.«
»Bleibt noch Rostock, meinen Sie.« Der Colonel dachte erst darüber nach, schüttelte dann aber den Kopf. »Mura würde einen ganzen Tag verlieren, wenn er die Fähre nimmt. Das kann ich mir nicht vorstellen, dass er sich darauf einlässt. Für ihn zählt jetzt Geschwindigkeit. Er ist bestimmt schon in Berlin.«
»Wenn er noch lebt«, warf der Commander ein.
»Gehen Sie doch einfach davon aus, dass er noch lebt.« Der Colonel erhob sich von seinem Stuhl. »Ich kann ihnen nur den Rat geben, Rin Mura in Berlin zu suchen. Haben Sie ein Team in der deutschen Hauptstadt?«
Der Commander nickte.
»Werden Sie mich über Ihre weiteren Schritte informieren?«, fragte der Colonel.
»Selbstverständlich, Sir. Sie erfahren es sofort, wenn wir Neuigkeiten haben.«
Der Colonel nickte. »Danke! Es ist mir etwas