werden. Und wenn'n Sticksken zu morjen mittag fier unsere Kinderkens iebrigbleiben tut, is es ooch jut angewandt. Soll ick nu'n Kaffee bringen, Frau Doktern?«
»Ja, ich weiß wirklich nicht, Hanne, ob wir schon anfangen sollen. Meine Schwägerin Ola fehlt noch mit den Kindern, Hans kommt wohl erst später. Ja, und Vera und Margot werden sich auch nicht so früh freimachen können«, überlegte Annemarie.
»Ach was, uff de Frau Amtsrichtern Ola wird nich jewartet«, meinte Hanne kategorisch. »Die is immer 'n bisken nuselig. Bis se det Waldemarchen und det Herbertchen ankledascht hat, und bis se ihren Herrn Amtsrichter 'n Abschiedskuss jejeben, wird mich allemal mein Essen kalt. Nee, jetzt jibt's Kaffe! Was unse ollen Damen sind, die missen nach de Reise hier raus mal erst 'n warmen Droppen in'n Magen kriejen.« Hanne eilte, so schnell ihre Füße, die schon lange nicht mehr so wollten wie sie, es gestatteten, ins Haus.
»Also Hanne befiehlt, daß wir uns an den Kaffeetisch setzen – ich habe heute nichts hier zu sagen«, rief Annemarie lustig. »Rudi, schiebe Urmütterchen bitte den Korbsessel oben an den Tisch!«
Aber als die alte Dame den ihr zugedachten Ehrenplatz einnehmen wollte, thronte bereits ein anderer dort: Klein-Ursel.
»Hier sit Lein-Usche«, verkündete der winzige Punkt mit der ganzen drolligen Frechheit, die ihm eigen. »Nu Tasse tinken, Tittatt.«
»Ja, wo soll Urmütterle denn Kaffee trinken, wenn du dich halt auf ihren Platz setzt, Ursel? Da gehören Kinder nimmer hin. Gleich stehst auf«, befahl der Vater.
»Ninner.« Klein-Ursel bleibt mit Gemütsruhe sitzen. »Nu Tuchen – Usche Tuchen haben.«
»Ja, Prügel wirst gleich kriegen, aber keinen Kuchen nit.« Der gestrenge Vater hob den schreienden, strampelnden Punkt in die Lüfte und setzte ihn auf seine beiden kleinen Lackschuhchen. »Schau, da drüben ist der Katzentisch für die Kinder.«
Aber Ursel wollte weder schauen, noch am Katzentisch sitzen.
»Niß Tattentiß – Tittatt Tattentiß – – –«. Es gab ein lautes Gebrüll.
»Laß doch das Kind, Rudi. Komm, Urselchen, wir stellen noch einen Stuhl neben Ticktack. Wir können beide hier sitzen«, versuchte das gute Urmütterchen das schreiende Kind zu beruhigen.
Vergeblich. Wenn Klein-Ursel einmal schrie, dann schrie sie ihre Naht unentwegt zu Ende.
»Annemarie, deine Tochter benimmt sich noch nit gesellschaftsfähig. Ich denk, wir sperren das garstige Kind in den Ziegenstall – – –«, rief Rudolf zu seiner ganz gemütlich plaudernden Frau hinüber.
»Mach' mit deiner Hälfte, was du willst, Rudi. Ich lasse meine Hälfte schreien. Jetzt will ich auch mal bei mir zu Besuch sein. Selbst auf die Gefahr hin, in den Ruf zu kommen, schlechterzogene Kinder zu haben«, war die lachende Antwort.
»Niß Ziedentall, niß Ziedentall.« Annemaries Nesthäkchen zeigte sich ganz als ihre Tochter, indem es jetzt auch noch nachdrücklich mit dem Fuß aufstampfte.
Aber wozu gibt es in der Welt denn Großmütter? Die Omama hatte sich bereits liebevoll des kleinen Wüterichs bemächtigt, und ehe noch alle Platz genommen hatten, war bereits wieder Sonnenschein bei Klein-Ursel. Allerdings waren die diplomatischen Verhandlungen mittels eines großen Stück Kuchens unterstützt worden.
»Du verziehst halt die Krabbe, Mutterle.« Doktor Hartenstein war nicht ganz einverstanden mit der Erziehungsweise seiner Schwiegermutter.
»Ei, Rudi, nicht mehr, als ich mein eigenes Nesthäkchen verzogen habe«, lachte Frau Doktor Braun. »Ich denke, das ist doch noch so einigermaßen zur Zufriedenheit ausgefallen.«
»Omama, wer ist denn dein Nesthäkchen?« fragte Vronli neugierig, in der Hoffnung, künftig eine kleine Spielgefährtin im Hause der Großeltern vorzufinden.
Allgemeines Gelächter.
»Dem Vronli geht's so, wie dem Sprössling des Götz von Berlichingen, vor lauter Gelehrsamkeit kennt sie die eigene Mutter nicht«, amüsierte sich Klaus.
»Aber Vronli, weißt du wirklich nicht, wer mein Nesthäkchen ist?« fragte die Omama lachend.
»Nee – – –.« Vronli schüttelte den Kopf. »Hab' ich bestimmt noch nie gesehen. Bloß euren Puck kenn' ich.«
»Aber Vronli, bist du dumm! Deine Mutti ist doch mein Nesthäkchen – – –«, weiter kam Frau Doktor Braun nicht mit ihrer Erklärung. Denn jetzt war es Vronli, welche die Omama weidlich auslachte.
»Jawoll – wer's glaubt! Mutti ist doch eine große Dame und kein Nesthäkchen!«
»Omama auch dumm!« stellte Hansi fest.
»Aber Hansi, das sagt man doch nit zur Omama! Weißt, Frauli, unsere Kinder können sich heute als glänzende Erziehungsprodukte halt für Geld anschauen lassen. Sonst ist der Hansi natürlich das bravste Bübele auf der Welt, und die Mädle nit minder.«
Inzwischen hatte Frau Doktor Braun Vronli klarzumachen versucht, daß ihre Mutti auch mal ein kleines Nesthäkchen mit zwei Rattenschwänzchen gewesen sei, was dieser aber immer noch nicht recht glaubhaft erschien. Hansi lief um den Tisch herum, von einem zum anderen: »Wo sit denn iß – wo sit denn iß?« Bis Onkel Klaus ihn schließlich auf seinem Knie unterbrachte.
»Kinder, bedient euch. Streusel- und Mohnkuchen stammt von Hanne – also besonders zu empfehlen. Wer ißt gern Klietsch mit Wasserstreifen in Gestalt einer Schildkröte? Himmel, da gehören ja Pferdekräfte dazu, um diese Missgeburt in Stücke zu schneiden. Wie Stein!« Annemarie machte ein verzweifeltes Gesicht.
»Tut mir halt den Gefallen, Kinderle, und opfert euch für mich. Ich kann nimmer die ganze Woche von dem Schildkrötenkuchen zehren.« Rudi bot den allerdings wenig verlockend aussehenden Kuchen gastfrei herum.
»Wasserstreifen ess ich am liebsten von der Sandtorte.« Frau Marianne langte tapfer zu.
»Den Wassersteifen hat Hansi demacht.« Stolz schaute der kleine Mann vom Knie des Onkels aus in die Runde.
»Ja, gestört haben sie mich, die Gören, Hansi allen voran. Dadurch ist der Kuchen so wundervoll geraten«, bekräftigte Annemarie.
Marianne biß indessen mit gesunden Zähnen in das harte Stück hinein. Es knirschte bedenklich.
»Pfui – – –«, der abgebissene Happen verschwand schleunigst im Taschentuch. »So 'ne Bosheit, Annemie – du bist noch genau dieselbe durchtriebene Range wie früher, wenn du jetzt auch Mutter von dreien bist«, schalt Marianne lachend.
»Ja, was ist denn los?« verwunderte sich Annemarie. »Ist die Sandtorte wirklich so schlecht?«
»Tu nur nicht so scheinheilig. Spiegelberg, ich kenne dir! Das ist eine Sandtorte im wahrsten Sinne des Wortes. Statt Eier hast du Sand hineingetan.«
»Du bist wohl total hops, Marianne?« ereiferte sich die junge Wirtin. »Frage gefälligst meine Hühner, ob da Eier drin sind oder nicht. Und Sand? Nächstes Mal werde ich dir wirklich welchen reinbacken, wenn du mich derart verleumdest.«
»Aber kostet doch bloß mal – überführe dich doch selbst, Annemie.«
Keiner wollte sich zum Probierkarnickel hergeben. Unter allgemeiner fideler Spannung biß Annemarie selbst in die Sandtorte. Sie spuckte nicht weniger als Marianne. »Deibel nicht noch mal – das knirscht ja tatsächlich wie ein Kinderspielplatz im Tiergarten. Nun möchte ich doch bloß wissen, wie da Sand hineingekommen ist – – –«
»Hat Hansi demacht. Waffersteifen und Sand hat iß danz erlein debackt. Feut siß Muttißen nu?« Es war unsagbar komisch, mit welchem stolzwichtigen Gesichtchen der kleine Kuchenbäcker dasaß.
Ja, Mutti freute sich unbändig. So sehr, daß Onkel Klaus es für geraten fand, seinen Neffen schnell vom Knie unter den Tisch in Sicherheit rutschen zu lassen, bis wohin das mütterliche Strafgericht ihn nicht erreichte.
»Bengel – Schlingel – na, warte nur, mir meine Sandtorte zu verderben. Und ich zerbreche