Hans-Joachim Koehl

Sehnsucht nach Zärtlichkeit


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Mann. Trotzdem blieb er bei mir. Er sah seine Aufgabe darin, mich zu beschützen. Groß, breitschultrig gewachsen war er ein tapferer, begabter Krieger. Aber auch feinfühlig genug, um ein guter Schnitzer zu sein. Mit seinen scharfen Feuersteinmessern schnitzte er aus Horn oder Elfenbein kleine Figuren und Amulette. Jede der beiden neuen Frauen legte ich unser Sippenamulett um den Hals. Jetzt gehörten sie zu meinem Besitz.

      Die feine Melodie war inzwischen lauter geworden.

      „Wie ist dein Name?“

      „Akida!“

      „Schlagt die Trommeln! Akida wird für uns tanzen. Doch lasst euch nicht verführen sie anzufassen; sie gehört mir!“

      Langsam ertönte der Trommeltakt. Schlangengleich bewegte sie ihren Körper. Den Kopf warf sie lachend in den Nacken, nahm einigen Männern das Trinkhorn aus der Hand und während ihre Füße sich zum Takt bewegten, ließ sie den gegorenen Saft in ihren Mund und an sich herunter rinnen.

      Das feine nasse Leder schmiegte sich an ihren Körper. In diesem Moment setzte eine Flöte ein und der Tanz wurde schneller. Aus unseren Reihen schlugen einige Frauen die Hände im Takt zusammen. Die Männer riefen: „He-ha, he-ha“ und feuerten Akida an. Ihr Tanz wurde aus ihrer Bewegung und Elastizität heraus noch schneller. Sie stand auf den Zehenspitzen und drehte sich um ihre Hüfte. Vor einem Mann tanzte sie immer wieder ganz nah, sah ihn mit Begierde in den Augen an, als gäbe es nur ihn.

      Der junge Mann sprang auf, wollte sie anfassen und mit ihr tanzen. Er hatte anscheinend meine Worte vergessen.

      Ein Wink an Nehu und der Mann lag im Sand. Ein anderer trug ihn fort.

      Das Feuer loderte hell auf und laut lachend tanzte sie weiter, wurde immer schneller. Das nasse Rehleder war von ihrer Schulter gerutscht und sie tanzte nur noch mit einem Schurz. Ihre Haut glänzte und die Brüste wippten zu ihren kleinen, schnellen Schritten.

      Die Arme gingen über ihre Kopf und die Hände bewegten sich wie tausend Schlangen, dann löste sich das lange, pechschwarze Haar und fiel in den Rücken, beim Tanzen und Drehen über ihre nackten Brüste. Die Beine waren die einer Gazelle, doch ihr Körper war gespannt wie ein Leopard während des Angriffs. Die Bewegungen ihres Leibes forderten auf, sie zu nehmen. Immer schneller wurde ihr Drehen. Sie winkte der Trommel zu, immer schneller und schneller zu schlagen, dann ließ sie sich bebend, wild zuckend in den Sand fallen und ihre Schenkel öffneten sich.

      Die Trommel, das Händeklatschen, die wilden Schreie verstummten. Für einen Moment blieb jede Bewegung in sich erstarrt.

      Behände sprang ich hinzu und warf meinen Umhang über sie. Ich hatte das Gefühl, alle jungen Männer wollten sich auf mich stürzen und sie mir entreißen. Als ich mich bückte, schlug sie ihre Arme um mich, ihre Zunge kitzelte meinen Hals, ging ins Ohr und sie flüsterte leise: „Nimm mich — nimm mich jetzt sofort, vor allen anderen. Lass uns einen Sohn zeugen!“

      Ich nahm sie auf und wollte sie ins Haus tragen, doch ihre Beine umklammerten meine Hüften, sie warf sich nach hinten und schon war ihre Hand unter meinem inneren Kleid und suchte mein Glied zu fassen. So rannte ich zu meinem Zelt. Die Männer und Frauen, die es sahen, grölten und jauchzten mir hinterher. Der Trommel gab ich ein Zeichen und das Fest ging weiter. Heute Nacht würde so mancher Sohn gezeugt — aber nicht von mir!

      Im Haus warf ich mich mit ihr auf mein Lager und drückte sie fest unter mich. Sie wand sich und wollte frei ihren Trieb entfalten. Dann sprach ich zu ihr: „Du bist doch eine von uns, lass ab!“

      Akida wand sich weiterhin lautlos unter mir.

      Eine tiefe Stimme kam aus ihrem Inneren und nicht nur meine Ohren hörten sie: „Wer bist du?“

      „Ich bin Halenabis und bin mit den ersten 600 gekommen!“

      „Ich bin Tara, einer der ganz kleinen Engel. Mein Herr war Arasjal. Ich habe von dir gehört, Halenabis. Viele haben dich gesucht. Doch du wolltest nicht mehr mit den anderen die Erde in Gemeinschaft mit uns in Besitz nehmen. Sie glaubten, du hättest den Abfall bereut. Jetzt zeig deine wahre Größe! Alle werden von dir sprechen. Komm, komm … lass´ uns einen Sohn zeugen, du bist noch erregt, ich spüre es in meiner Hand. Zwei Lichtgeister versucht durch die Menschen einen Nachkommen zu zeugen. Wenn es gelänge, würde er Großes vollbringen!“

      Akida versuchte mich zu küssen, ihr wilder Körper wand sich unter mir, ihre Hand suchte mein Geschlechtsteil in sich einzuführen. Allein würde ich ihr nicht widerstehen können. Noch einen Sohn zeugen? Er würde nur noch ein weiterer Unheil stiftender Riese. Von dieser Art gab es schon genug auf der Erde. So rief ich so laut ich konnte: „Nehu!“

      Er war von mächtiger Gestalt und Größe, ein kleiner Gigant in meiner Nähe. Zwei Köpfe größer als ich.

      „Komm, hilf mir, binde sie, bring´ sie von hier fort! Am besten du schlägst ihr den Kopf ab oder lässt sie im Euphrat ersaufen!“

      Er zögerte, mit anzufassen. Natürlich verstand er meine Handlungsweise nicht. Er wusste ja nicht, welcher Dämon in ihr war. Tara würde sich ein anderes Opfer suchen. Doch als Akida meine Worte hörte, wurde sie unter mir ganz weich, ruhig und schmiegsam.

      Sie ließ von mir ab, nahm beide Hände und legte sie um mein Gesicht:

      „Herr, sei barmherzig, ich werde mich zähmen. Lass´ mich bei dir, ich kann dir sehr nützlich sein deine Macht zu stärken, ich kenne viele Heilpflanzen. Lass´ mich dir und den deinen dienen!“

      Erwartet hatte ich, dass sie schreiend Verwünschungen ausstoßen würde. Aber mit einer solchen Milde und Klugheit hatte ich nicht gerechnet. Sie war schlau wie eine Schlange. Nun ja, so eine Zauberin auf meiner Seite zu wissen und einen meiner Brüder in ihr, war für das, was ich vorhatte, eventuell von Nutzen.

      „Gut, wir werden sehen. Falls du aber auch nur das Geringste gegen mein Haus im Schilde führst, ist dein Ende besiegelt. Nehu, bring sie in dein Gemach. Mach mit ihr was du willst, aber lass’ sie nicht raus!“

      Kein Wort kam über seine Lippen. Er hob sie leicht wie eine Feder auf. Ich wusste genau, was passieren würde: Sie würde Nehu verführen und ihre Lust an ihm stillen. Sollte sie nur. Nehu hatte alle seine Frauen verloren, sie waren dahingesiecht und jetzt wollte keine mehr sich mit ihm einlassen, denn sein Glied war so groß wie das eines Esels. Ich rief ihm noch hinterher: „Wenn sie schreit, halte ihr den Mund zu!“

      Solch eine Frau ohne einen Mann in der Siedlung zu haben brachte alles durcheinander. Sie hatte weder mich noch einen meiner Söhne bekommen. Damit zeigte ich ihr, von welch geringem Wert ich sie erachtete. Sie würde es zur Kenntnis nehmen und versuchen mein Wohlwollen zu erlangen. Trotzdem war Vorsicht angebracht.

      Ja, Tara hatte recht: Ich hatte es bereut. Was gäbe ich darum, noch im ersten Universum beim Vater zu sein und bei meinen Brüdern. Ich hatte mich, wie so viele von uns, von Satanel, dem schönsten Engel Gottes verführen lassen. Doch er wurde durch seinen Machthunger zum Höllenengel und sein neuer Name wurde Satan. Er würde nach der bestimmten Zeit alles verlieren und die Seinen mit ihm. Als ich das verstand, hatte ich mich schon mitreißen lassen; ich wusste, es gab kein zurück!

      Ich trauerte drei Zeiten, denn ich sollte und wollte meinen Weg auf der Erde alleine gehen, ohne die anderen. Wir hatten alle unsere Erfahrungen gemacht.

      Wenn wir mit mehreren einen Wirt benutzten, dann verändert sich sein Verhalten: Er war nicht mehr er selbst. Er bekam Anfälle von Tobsucht, sein Gehirn setzte aus und er wurde häufig ohnmächtig, konnte keine Nahrung mehr aufnehmen oder bei sich behalten.

      Die gesamte Steuerung der Motorik fiel mehr oder weniger aus. Einen Menschen über längere Zeit als Wirt zu benutzen funktionierte nur mit einem Einzelnen von uns. Selbst dann war es noch schwierig, da wir ihn nicht mit unserem gesamten Quantenwissen konfrontieren konnten. Dazu war sein Gedankenspeicher viel zu klein. Um den Wirt zu steuern und dabei seinen körpereigenen Ablauf nicht zu stören, erforderte es Feingefühl und Geduld. In seine Persönlichkeit sollte nicht eingegriffen werden, er musste das Gefühl haben, er träfe alle Entscheidungen aus sich selbst heraus.