Hans-Joachim Koehl

Sehnsucht nach Zärtlichkeit


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Söhne und deren Söhne saßen links und rechts neben mir. Die Frauen und Mädchen hatten sich auf den ausgelegten Fellen etwas abseits platziert, sie sollten uns mit den Sklaven und ihren Kindern die Speisen bringen.

      Vor 150 Jahren hatte ich eine Menschenfrau genommen. Die Lebenserwartung der Erdlinge betrug damals bis zu 900 Erdenjahre. Wir hatten Kinder und Kindeskinder; inzwischen war die ganze Sippe auf ungefähr dreihundert Personen angewachsen. Als Stammesvater wurde ich hoch verehrt. Alle hatten großen Respekt, ja sogar Angst vor mir. Irgendwelche Anmaßungen mir gegenüber wurden von mir sehr hart bestraft.

      „Vater?“

      Ich erwachte aus meinen Gedanken. „Ja, Betschep?“

      „Du bist so schweigsam! Das Essen ist fertig; wir könnten beginnen.“

      Lena, meine erste Frau, brachte mir Tonschalen mit Fleisch gefüllt, Fladenbrot und einen gegorenen, berauschenden Saft. Also fing ich an zu essen. Nach ein paar Bissen und einem Schluck nahm ich ein Stück Fladenbrot, riss es in zwei Teile und gab es meinen Söhnen. Dann stand ich auf, klatschte dreimal in die Hände und rief:

      „Das Fest kann beginnen! Lasst uns essen und trinken!“

      Ich nahm ein Stück Fleisch. Danach zog ich mich in mein Zelt zurück. Dort wartete die junge Frau auf mich, die Haleb mir schenkte.

      Sie lag auf meinem Lager. Zwei Katzen mit denen sie spielte stoben davon. Ich legte mich zu ihr, streichelte ihr Haar

      „Komm näher! Wie ist dein Name?“

      Schamvoll schaute sie mich an: Sie rufen mich Waali“,

      sagte sie. Sie war noch sehr jung. Die alten Frauen hatten sie gewaschen und mit gewürztem Öl eingerieben. Sie roch verführerisch. Sie war vorbereitet und mit Kräutersud war ihr das Blut heißgemacht worden, um ihr die Furcht zu nehmen.

      „Komm näher, leg dich hier neben mich!“

      Was mich erstaunte, sie hatte keine Scheu, schmiegte sich an mich und sie ließ sich mit Datteln füttern. Als ich sie küsste, war ihr Mund zuckersüß. Langsam ertasteten meine Hände ihren Körper. Als ich ihr den Rücken massierte, schnurrte sie wie eine Katze.

      „Du hast schon bei einem Mann gelegen?“

      

      „Nein Herr, die alten Frauen haben mich eingewiesen und der

      Priester unseres Stammes hatte mich auserwählt Agni, dem Gott des Feuers zu dienen.“, sagte sie voller Stolz in ihrer Stimme.

      „Als Agni, der Feuergott zum ersten Mal in mich eindrang, fühlte ich die schmerzenden Flammen in mir. Der Priester zeigte mir alles was Agni gefallen konnte. Ich durfte ihm eine

      kurze Zeit dienen.“

      Ich streichelte ihren Rücken. Sie schmiegte sich an mich, lag halb auf mir. Ihre Wärme durchströmte mich und ehe wir wollten waren wir im Lande der Begierde. Unsere Körper bewegten sich im Rhythmus der Trommeln. Ein leises Stöhnen ging von ihr aus.

      Inzwischen war das Fest in vollem Gange und das Essen fast beendet. Als ich wieder zu meinen Leuten ging, hob ich die Hände und die Musik verstummte.„Wir feiern heute ein Abschiedsfest!“

      Langsam verstummten die Stimmen und eine gespannte Ruhe legte sich über alle.

      „Ein Abschied von diesem Ort; ein Abschied vom Euphrat!ich konnte ihnen nicht sagen, dass sie wahrscheinlich alle in einer große Flut ertrinken würden, so griff ich zu einer List: „Im Traum hat mir der Vater aller Dinge ein fernes Land gezeigt.“Jetzt war es nicht mehr mein Entschluss, jetzt kam er von den Göttern — was ja indirekt auch stimmte.

      „In diesem Traum sah ich schon mehrere Male ein großes, grünes Tal. Von einem Fluss voller Fisch wurde es durchzogen. In den Wäldern gab es reichlich Wild. Dieses Tal war eingeschlossen von sehr hohen Bergen mit immer weißen Kuppen. In diesen Bergen verlaufen zwischen den Steinen silberne Adern. Silber ist ein Metall wie Gold, es hat eine hell-glänzende Farbe.

      Das große Tal wird uns gehören. Keine andere Sippe hat es je gesehen. Es wird uns Macht und immer reichlich Speise geben. Noch sechs Mal wird der Mond wieder groß werden, dann werden wir aufbrechen. Die im Traum gesehenen hohe Berge und grünen Hochtäler liegen weit im Norden; dort will ich mit euch hin. Ich werde euch nicht zwingen mitzukommen; ihr könnt auch hierbleiben. Wer sich mit auf die Reise begibt ist willkommen. Es wird eine lange, gefährliche und beschwerliche Wanderung. Ihr müsst euch nicht jetzt entscheiden, aber in sieben Tagen will ich wissen, wer von euch mitkommt. Lasst uns jetzt das letzte Mal alle zusammen bis zum Morgen feiern.“

      Die Trommeln setzten wieder ein, doch es blieb stumm. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.

      Nach einer Weile wandte sich Haleb an mich:„Ich werde mitkommen! Einen guten Lanzenarm und Bogenschützen kannst du doch gebrauchen.“

      Ich hatte mir gedacht, dass er sich ein solches Abenteuer nicht entgehen ließ.

      Ich legte ihm meinen Arm auf die Schulter:„Du bist willkommen! Wir werden alles jagen, was Beine hat.“Solche Sprüche waren ganz nach seinem Herzen. Doch mich zog es in mein Haus.„Meine Freuden sind heute Nacht ganz anderer Art!“ Damit stand ich auf und zog mich zurück. Meine Lenden trieben mich aufs Lager. Denn immer lockt das Weib. Es war Waali die mich erfreute.

      Außer den Wachen waren alle berauscht vom vielen Sud und die nächsten Tage vergingen besinnlich. Faule Tage machten nur müde. Es galt alles so vorzubereiten als gingen wir auf eine lange, große Jagd. Gesalzener Fisch und in Steifen getrocknetes Fleisch wurde verpackt; für jeden einen Sack Gerste, Feuersteine und feines, trockenes Gras. Wasser — nicht viel, doch die Ziegenfellbalgen mussten feucht bleiben.

      Alles Wertvolle, was ich zum Tauschen gesammelt hatte, würde ich am Körper tragen. Die kleinen goldenen Amulette wurden auf alle verteilt, doch wer würde mitkommen? Nehu würde mir fehlen. Ob er mitkam? Wohl kaum; er würde bei Akida bleiben. Sie würde hier als große Zauberin Furcht und Schrecken verbreiten und die Macht übernehmen. Mich störte es nicht, solange sie mir nicht in die Quere kam.

      Jedes Mal mussten diese störrischen Biester von Dromedaren erst eingeritten werden. Sie dazu zu bringen etwas zu tragen ohne zu spucken, zu treten oder zu schreien verstanden nur wenige. Bei mir waren sie immer ganz zahm. Es war ja keine Kunst. Ich klickte mich in ihr Spatzenhirn und sie tanzten nach meiner Pfeife. Alle bewunderten mich, wie gut ich mit Tieren umgehen konnte. Bei meinem ersten Tier hatte ich etwas übertrieben. Als ich es ansah, fiel es bei dieser Aktion einfach tot um. Jeder, der damals dabei war, schaute mir danach nicht mehr in die Augen. Das brachte mir zwar Respekt ein, aber Freude hatte ich nicht daran.

      Waali

      An meiner Seite hatte ich meistens ein gezähmtes Raubtier. Das brachte mir bei den Menschen großes Ansehen ein, wenn ich mit einer der wilden Katzen zur Versammlung kam.

      Ich besaß bereits einen männlichen Löwen. Sobald er satt war, wurde er zahm wie eine kleine Katze. Weibchen sind viel zu empfindlich und nervös für eine Dressur.

      Diesmal war es ein junger Gepard. Seine Mutter hatte ich während einer Jagd getötet. Als wir rasteten, kam er aus seinem Versteck, stupste seine tote Mutter an und begriff die Welt nicht mehr. Ich nahm ihn mit und wir zogen ihn mit Milch

      und ein wenig Fleisch groß. Die Kinder im Lager hatten ihren Spaß mit ihm. Sie streichelten und neckten ihn.

      Er bedankte sich mit zärtlichen Bissen in die Kinderbeine.

      Er wuchs schnell und das Spielen und Beißen ließen nach. So kam er in mein großes Zelt. Vor dem Eingang war er an einem langen Seil angebunden. Niemals verrichtete er seine Notdurft im Zelt.

      Als Waali das Fell seiner Mutter umlegte wurden die beiden beste Freunde. Sie fütterte ihn und er schnurrte und schmuste mit ihr. Was er gar nicht leiden konnte, wenn er plötzlich in seine Ruhe