Hans-Joachim Koehl

Sehnsucht nach Zärtlichkeit


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etwas Besonderes, Rund gebaut, aus dicken Mauern aus Schlammsteinen mit Lehm, gehacktem Schilfrohr, Palmblätter vermischt.

      Hier ließ sich einer der Ersten der 600, Inanna, als Göttin

      verehren. Inanna war in eine von Kains Töchtern gefahren. Als diese starb, wurde immer wieder eine der schönsten Frauen von ihm als Hohepriesterin ausgesucht. So dachten die Menschen, Inanna sei unsterblich. Mit Spiel, Tanz und nacktem Fleisch dienten die Priesterinnen im Tempel den Männern — gegen entsprechende Opfergaben natürlich.

      Am nächsten Morgen legten wir ab und Akida sagte: „Haleb, sei die kommenden Nächte besonders wachsam, es liegt Tod in der Luft!“

      Akida musste einen guten Grund für eine solche Warnung haben, denn sie hatte während unseres Aufenthaltes im Tempel der Inanna ihre Triebhaftigkeit ausgelebt.

      Am zweiten späten Nachmittag, als die Sonne fast gegangen war, kam der Angriff. Mit Schilfbooten und Guffas, kleinen runden Booten, die aus Binsen geflochten mit Fellen bespannt und Erdpech versiegelt waren. Die Krieger kamen plötzlich von beiden Ufern auf uns zu. Schon flogen die ersten Pfeile. Wir hatten sie erwartet und waren bereit. Den Ersten, die an Bord springen wollten, schlugen wir mit unseren Steinbeilen ihnen die Schädel ein. Mit den neuen Pfeilen aus Kupfer- und Bronzespitzen hielten wir sie auf Abstand und den Rest der Meute in Schach, denn jeder von Halebs Pfeilen traf.

      Trotzdem jammerte und fluchte er: „Meine schönen Pfeilspitzen! Bei der Jagd hätte ich sie alle wieder bekommen! Rudert, Leute, rudert!“

      Ich hatte für die Reise ein schmaleres langes Schiff bauen lassen. Durch diese Bauweise konnten wir sehr schnell werden, so entkamen wir.

      „Einer deiner Männern hat wohl im Tempel der Fruchtbarkeit ausgeplaudert, welch schöne Sachen wir dabei haben“, meinte Nehu zu Haleb.

      Haleb war schweigsam. Mit finsterer Miene schlug er die Faust auf die Reling, ging zu einer Ruderbank und schlug mit den anderen das Ruderblatt ins Wasser.

      Die Nächte wurden immer dunkler und als das Licht der Nacht ganz verschwand, näherten wir uns der ersten gebauten Stadt auf der Erde.

      Wir, die ersten 600 Wächter, wollten die Erde besitzen und hatten uns auf ihr verteilt.

      Drei von uns — Inanna, Nabu und Marduk — hatten die Stadt Uruk gegründet. Alle drei wohnten bei Abanahsis, dem König von Uruk. Inanna hatte schon vor vielen Jahren den Menschen gezeigt, wie ein Samenkorn in die Erde gegeben wurde und wie mit guter Bewässerung drei Ernten erzielt werden konnten. So ließ er sich als Göttin der Fruchtbarkeit verehren.

      Eines Morgens sahen wir aus dem Dunst die Zikkurat, den Turm von Uruk, auftauchen. Auf diesen Turm aus Lehmziegeln konnten die Einwohner bei einem Angriff durch andere Stämme fliehen. Er hatte nur einen Zugang, eine lange Treppe, ansonsten waren die Wände so glatt, dass kein Fuß die Zikkurat erklimmen konnte. Er gab ihnen Schutz und hielt die Menschen davon ab, die Stadt zu verlassen. Um den Schutzturm herum hatten sie ihre Häuser gebaut. Große bewässerte Gärten und Felder lagen außerhalb von Uruk; sie versorgten die Menschen mit Gemüse, Obst und Gerste.

      Adonai wollte nicht, dass sich die Menschen zusammenrotteten und Städte bauten. Sie sollten nicht eingezwängt sein, von keiner Obrigkeit dirigiert werden und nicht an diese Tribut zahlen. Er wollte die Menschen frei sehen, als Sammler und Jäger auf einer paradiesischen Erde.

      Die von ihm eingesetzten Wächter hatten später die Menschen um sich geschart und sich als Götter verehren lassen.

      Uruk war eine große Stadt. Ihr Reichtum war das schwarze Gold. Es quoll in ihrer Nähe aus der Erde, wurde getrocknet und war heiß begehrt zum Haus- und Schiffsbau.

      Als wir am Ufer von Uruk festmachten, kamen die Händler und Schadur, der Diener des Königs; er erhob Wegezoll.

      „Seid gegrüßt, ich bin Kannat, dieser ist mein Sohn Haleb und dieser mein Diener Nehu! Melde uns bei deinem Herrn, ich werde ihm die Gaben selbst bringen.“

      Noch am Abend waren wir bei Abanahsis zum Mal eingeladen.

      Abanahsis war ein stattlicher Mann. Sein Haar war glatt, schwarz und lang. Es wurde von einem goldenen geflochtenen Band gehalten.Sein Gesicht zierte ein schwarzer glänzender Vollbart. Deren Haare in kleinen Locken gedreht war.

      Ein breiter Ledergürtel hielt seinen Umhang um die Hüften und ein dicker bronzener Griff ragte aus dem Gürtel.

      Am linken Handgelenk trug er einen nicht geschlossenen, breiten gehämmerten Armreif aus Gold.

      „Kannat, von dir und deinen Söhnen, besonders von deinem Sohn Haleb, habe ich schon gehört. Was führt dich aus deinem Lande Mitanni und deiner Stadt Mari zu mir?“ An allen vier Ecken des Raumes standen bewaffnete Diener. Er traute uns wahrscheinlich nicht über den Weg.

      „Mari habe ich meinen zwei Söhnen, Sinks und Betschep, gegeben. Ich will in ein neues Land im Norden und eine neue, noch größere Stadt bauen. Wenn du von mir gehört hast, dann hast du auch gehört, dass am Oberlauf des Euphrat ein Mann namens Noe mit seinen Söhnen einen wasserdichten großen Kasten baut. Adonai hat ihm eine große Wasserflut vorhergesagt, in der alles Lebende umkommen soll. Ich will mit einigen, die wirklich zu mir stehen, in das Land der hohen Berge. Denn was Adonai plant, das führt er auch durch. Ich weiß nur nicht, wann. So sind wir auf der Durchreise und ich hoffe, du kannst mir mit einem guten Tausch helfen.“

      Wie vom Schlag getroffen fiel Abanahsis zu Boden. Er zuckte, schlug um sich, Schaum trat aus seinem Mund. Ich hörte, wie die drei Titanen in ihm jammerten und zeterten.

      „Die Zeit des Herrn ist noch gar nicht gekommen; er wird uns doch nicht töten wollen? Wehe uns, was sollen wir nur tun?“

      Inzwischen hatten sich die Diener um Abanahsis bemüht, ihn festgehalten und auf die Seite gelegt; damit er nicht an seinem Erbrochenen erstickte.

      Telepathisch sprach ich mit ihnen: „Brüder, bleibt ruhig, sonst stirbt euer Wirt. Die Gefahr ist ja noch nicht akut!“

      Daraufhin erholte sich Abanahsis wieder. Er wusch sich und nach einer Weile trank er und nahm etwas Speise zu sich.„Es kommt selten vor, aber manchmal schlagen mich die Götter!“, meinte er.

      Wenn du wüsstest, wie recht du hast … du würdest es nicht glauben, dachte ich bei mir. „Abanahsis, ich habe eine Bitte. Wenn du es willst, kannst du mir helfen. Wir benötigen 10 bis 12 Tragetiere, reichlich Salzplatten und Pfeilspitzen aus Metall, Goldblättchen und einige gelbe, durchsichtige Steine zum Tauschen. Wir wollen auf dem Weg als Händler angesehen werden.“

      „Voller Gefahren und Hindernissen ist der Weg durch das Land Martu. Was hast du mir zum Tausch anzubieten?“ fragte er.

      „Mein Schiff mit den Rudersklaven. Mit diesem Schiff kannst du mit einem tüchtigen Führer auf dem Fluss Handel treiben.“ Ein habgieriges Glitzern trat in seine Augen und er fing an, sich die Hände zu reiben. „Du bekommst von mir alles, was du benötigst. Es wird einige Tage dauern, bis alles bereit ist. In dieser Zeit kannst du mit den deinen in meinem Haus wohnen.“

      „Danke, du bist sehr großzügig. Auch wir müssen uns noch vorbereiten. Bis wir zum Aufbruch bereit sind, bitte ich noch auf dem Schiff bleiben zu dürfen.“

      „Es sei so, wie es dir gefällt“, sagte er.

      So blieben wir auf dem Schiff. Ich wollte nicht, dass wir ganz unter der Beobachtung Abanahsis standen. Vom Schiff aus unternahmen wir Jagden in die nähere Umgebung und in der Stadt tauschen wir die Felle gegen einen großen Kupferkessel.

      Der König hatte sein Wort gehalten. Er gab uns Dromedare und einige Esel, Pfeil- und Speerspitzen sowie Feuersteine. Mir schenkte er sogar einen wertvollen Armreif aus purem Gold.

      Nach einem Abschiedsfest im Hause des Königs zogen wir los. Vor uns lag weites Savannenland. Zu unserem Schutz bekamen wir zwölf Krieger mit, sie sollten uns bis zum Tigris begleiten und vor Überfällen bewahren.

      Jetzt wurde