Hannes Kratzer

Psychologie für Sportschützen


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gute Übereinstimmung mit gleichzeitig durchgeführten Konzentrationstests.

      ① Ist der Sportler nach langem, intensiven Spezialtraining kaum noch in der Lage, konzentriert mitzuarbeiten, so ist das ein wichtiger Hinweis auf eine ungenügend ausgeprägte Konzentrationsausdauer. Wird gegen Ende des Trainings die Vorhersage der Schussabgabe deutlich schlechter (zum Beispiel „Acht links“, tatsächlich „9 rechts), so deutet das auf Konzentrationsschwankungen bzw. Konzentrationsausfälle hin.

      ② Orientiert sich der Schütze relativ stark auf Nebendinge (andere Schützen, Zuschauer) und lässt sich dadurch beeinträchtigen, zeigt das seine Unfähigkeit, die Aufmerksamkeit auf das Wesentliche zu konzentrieren.

      ③ Fehlschüsse sind oft darauf zurückzuführen, dass grundsätzliche Sachverhalte (zum Beispiel Wind-, Lichtverhältnisse, Schussvorbereitung, Abzugsverhalten) wider besserem Wissens im konkreten Fall nicht beachtet werden. Hier gelingt es dem Schützen nicht, die notwendige Verteilung der Aufmerksamkeit auf mehrere wichtige Sachverhalte zu sichern.

      ④ Der Sportler lässt sich mitunter durch kleinste Störungen während des Trainings oder Wettkampfes so stark ablenken, dass sich das nachteilig auf die Leistung auswirkt. Der Sportler ist nicht in der Lage, unwichtige bzw. störende Reize aktiv abzuschirmen.

      ⑤ Wettkampf- oder Serienunterbrechungen lenken den Schützen von der Wettkampfgestaltung ab; er kommt aus dem Rhythmus und ist nicht in der Lage, den Wettkampf nach der Unterbrechung wieder mit voller Konzentration aufzunehmen. Auch nach Wettkampfpausen gelingt es ihm nicht, sich zu konzentrieren und auf die folgenden Serien einzustellen. Der Schütze hat noch nicht gelernt, seine Aufmerksamkeit entsprechend den Anforderungen (Entspannung - Grundbereitschaft - höchste Konzentration) umzuschalten.

      Betrachten wir unsere Schützen anhand dieser Kriterien, so werden wir deutliche Unterschiede feststellen. Gleichzeitig sind damit wesentliche Ansatzpunkte für eine zielgerichtete Verbesserung der Konzentrationsfähigkeit gegeben.

      So wichtig die Kenntnis leistungsbestimmender psychischer Komponenten für den Ausbildungs- und Erziehungsprozess ist, praktisch umsetzbar ist dieses Wissen erst dann, wenn man weiß, inwieweit bestimmte Leistungsvoraussetzungen überhaupt entwickelbar sind.

      Im Bereich der Antriebs- und Zustandsregulation gibt es hier kaum unterschiedliche Auffassungen. Nahezu alle Trainer gehen davon aus, dass motivationale und volitive (willensmäßige) Eigenschaften gut entwickelbar sind. Gleiches gilt für die Erlernung der Fähigkeit zur Selbststeuerung. Aber wie ist das mit solchen Eigenschaften wie Reaktionsfähigkeit oder Auffassungsgeschwindigkeit? Hier gehen die Meinungen schon auseinander, wird doch häufig angenommen, dass die Geschwindigkeit informationsaufnehmender, verarbeitender und reaktiver Prozesse im Wesentlichen durch den (ererbten) Typ der höheren Nerventätigkeit bestimmt werden und somit nur ein begrenzter Trainingseffekt zu erwarten ist.

      Längsschnittuntersuchungen, die aufgrund der sich über Jahrzehnte erstreckenden aktiven Zeit nur in wenigen Sportarten möglich sind, konnten hier Licht ins Dunkel bringen. Aussagen in der Literatur über eine geringe Trainierbarkeit einzelner Komponenten konnten widerlegt werden. Es kann resümierend festgestellt werden, dass prinzipiell alle der aufgeführten Leistungsvoraussetzungen trainierbar sind.

      Einige ausgewählte Untersuchungsergebnisse sollen das belegen.

      Die Reaktionsfähigkeit kann wie jede andere Leistungsvoraussetzung mit Hilfe geeigneter Trainingsmittel (vgl. Punkt 3.) weiterentwickelt werden. Der Übungsgewinn ist für die einzelnen Reaktionsarten unterschiedlich. Es gilt:

      „Je komplexer die Reaktion, desto größer der Übungsgewinn“

      Tab. 2 verdeutlicht den unterschiedlichen Übungsgewinn nach achtjährigem Labortraining. Erwartungsgemäß erweist sich die einfache Reaktion (auf rotes Licht) als vergleichsweise wenig trainierbar. Anhand der nachfolgenden Abbildung zeigt sich aber auch, wie wenig aussagekräftig Mittelwerte sein können.

      Deutlich werden die interindividuellen Unterschiede bezüglich der Trainierbarkeit der Reaktionsfähigkeit. Es gibt Schützen, bei denen trotz zusätzlichem Labortraining (Training an Reaktionsgeräten, computergestütztes Training) kaum Fortschritte erreicht werden, während es bei anderen zu deutlichen Verbesserungen kommt. Und das unabhängig vom Ausgangsniveau!

      Die seit 1975 erhobenen Daten lassen den Schluss zu, dass jene Schützen, deren Leistungsvoraussetzungen sich nicht weiterentwickeln, letztlich auch in ihrer sportlichen Leistung stagnieren. So sind die Sportler A - D (Abb. 5) nach 5 Jahren aufgrund mangelnder Leistungsentwicklung aus dem leistungssportlichen Training ausgeschieden.

      Zusammenfassend kann man feststellen, dass nicht der Ausprägungsgrad der Reaktionsfähigkeit, sondern deren Entwicklung übereinen längeren Zeitraum ein wichtiges Kriterium für die Eignung eines Sportlers ist, wobei einschränkend bemerkt werden muss, dass eine deutlich unterentwickelte Reaktionsfähigkeit natürlich nicht unbegrenzt trainierbar ist.

      Oft wird auch die Frage gestellt, bis zu welchem Alter man die Reaktionsfähigkeit trainieren kann bzw. inwieweit diese im Alter nachlässt. Inzwischen liegen eigene Daten über einen Zeitraum von fast 40 Jahren vor und die sind insbesondere für die älteren Schützen erfreulich:

      ① Die Reaktionsfähigkeit kann etwa bis zum 40. Lebensjahr entwickelt werden. Die meisten unserer älteren Spitzenschützen haben erst jenseits der 30 ihre individuellen Spitzenwerte erreicht. Ein Schütze erreichte seine Bestwerte erst jenseits des 50. Lebensjahres.

      Demzufolge sind im Hochleistungsbereich ältere Schützen häufig auch reaktionsschneller als jüngere. Hier muss man natürlich in Betracht ziehen, dass nur jene älteren Schützen im Hochleistungsbereich verbleiben, die auch über die entsprechenden Leistungsvoraussetzungen verfügen, während andere wahrscheinlich ausscheiden.

      ② Die Reaktionsfähigkeit kann bei regelmäßigem Training lange im Bereich des individuellen Spitzenniveaus gehalten werden.

      Diese Ergebnisse erklären auch, warum in Sportarten, in denen die Reaktionsfähigkeit leistungsbestimmend ist, häufig ältere Sportler zu den Besten gehören (Torhüter in Spielsportarten, Schützen).

      Im Vergleich zu anderen leistungsbestimmenden Komponenten erweist sich die sensomotorische Koordinationsfähigkeit als besser trainierbar. Dies bestätigen vielfältige Befunde aus der Literatur, aber auch eigene Untersuchungen, die im Labortraining mit Schützen gewonnen wurden.

      Je höher die koordinativen Anforderungen, desto größer der Übungsgewinn. Jeder Trainer wird das anhand seiner praktischen Erfahrungen bei der Vermittlung der sportlichen Technik bestätigen können.

      Als Überprüfungsmethoden kommen solche vom Typ Auge-Hand-Koordination (z.B. Liniennachfahren, Kreuzsupport) in Frage, denn nur hier kann ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen Testleistung und sportlichem Leistungsniveau nachgewiesen werden.

      Die Trainierbarkeit der einzelnen Wahrnehmungskomponenten ist erwartungsgemäß unterschiedlich ausgeprägt.

      So