Andre Garfeld

Pumping Art


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Restaurantbuchten mit billigem Plastikmobiliar. Tax-free Läden. Eine Auskunft. Und zuletzt ein Saal, in den das Deck hier drinnen mündet, in dem dutzende kleine runde Tische stehen mit Stühlen daran, nur wenige Sessel. Im Hintergrund ein Podest, das eine Bühne suggerieren soll mit drei weißen Anzugtypen darauf, die auf Gitarren spielen, was wiederum Musik suggerieren soll. Das Publikum reagiert überhaupt nicht darauf. Nur hie und da johlt ein Depp, indem er den drei Musikern zuprostet, ob aus Spott oder Anteilnahme.

      In dem gesamten Saal stehen nur drei Tische mit jeweils drei Sesseln. Auf einem sitzt Peter, neben ihm ist einer frei. Frank schlängelt sich durch die Leute, die überall an den Tischen sitzen.

      „Wo warst du?“

      „Draußen. Hatte ich doch gesagt.“

      „So lange? Bei dem Wetter?“

      „Immer noch besser als das hier.“

      „Ah, du mußt nur genug trinken. Hier ... !“

      Peter deutet auf ein volles Glas Bier. Dann auf den freien Sessel.

      „Setz dich. Trink.“

      Im dritten Sessel sitzt ein Mädchen, das zu jung ist, um alleine unterwegs zu sein. Es muß irgendwo zugehören. Sie sieht goth oder emo aus. Frank kann das nicht unterscheiden. Dies hier ist schwarz gekleidet, gewollt ungepflegt, schwarzes Haar nach allen Richtungen abstehend, dunkel geschminkte Augen, große Ohrringe. Magerer Typ. Sie guckt Frank intensiv an.

      Peter deutet auf das Mädchen.

      „Das ist Julia. Sie fährt mit uns.“

      „Sie fährt mit uns?“

      „Sie fährt mit uns. Sie hat irgendwie ihr Geld für London verloren. Wir nehmen sie das Stück mit.“

      „Ist sie allein?“

      „Ja.“

      „Du kannst mich auch selbst fragen“, sagt sie und ihre Stimme ist so hell, das sie zum vermuteten Alter paßt. Frank schätzt sie auf dreizehn, vierzehn. Sie schaut ihn immer noch an. Als müsse sie das tun.

      „Hat sie dich angesprochen?“

      „Yowp.“

      „Peter ... .“

      „Nun setz dich doch endlich!“

      „Wie alt bist du?“

      „Vierzehn.“

      „Frank, bitte!“

      „Vierzehn?“

      „Ja.“

      „Hast du einen Ausweis?“

      „War in meiner Tasche. Die ist mir geklaut worden. Da war auch alles andere drin. Mein Laptop und mein Geld vor allem.“

      „Ist dir just nach der Abfahrt gestohlen worden?“

      „Nein, vor der Abfahrt.“

      „Und du bist trotzdem auf dem Schiff?“

      „Ja.“

      „Normalerweise geht zuerst zur Polizei oder zum Amt oder so.“

      „Ich bin aber hier.“

      „Das ist doch scheiße!“

      „Was?“ fragt Peter erstaunt.

      „Wir sollen sie mitnehmen? Die ist doch niemals legal unterwegs.“

      „Ich will nur nach London.“

      „Und sie reist ohne Papiere ein. Mit uns. Oder was?“

      „Ihr nehmt mich erst hinter dem Zollgelände mit.“

      „Siehst du? Alles klar“, meint Peter.

      „Was sehe ich?“

      „Das wir sie nicht an Land schmuggeln. Wir nehmen sie hinter dem Zollgelände mit nach London. Easy doing.“ Er hebt sein Pint, prostet Frank zu und trinkt es in vier langen Zügen leer.

      „Du bist keine vierzehn.“

      „Okay, ich werde vierzehn.“

      „Setz´ dich doch endlich, scheiße nochmal.“

      „Und du?“

      „Was?“

      „Wie alt bist du?“

      „Was tut das jetzt zur Sache?“

      Sie trägt auf ihrem mageren Körper mehrere Lagen Kleidung, jede einzelne dünn, jede einzelne sichtbar, wie gefächerte Textilproben. Ein Top, darüber ein Shirt, darüber noch ein Shirt, darüber eine Weste, ein Tuch und zuletzt eine dünne Jacke. Sie hat drei Stecker-Piercings im Gesicht, in einer Braue, einem Nasenflügel und auf der selben Seite über der Oberlippe. Und auf einem ihrer dünnen Unterarme schaut halb aus dem Ärmel ein Tattoo heraus. Das ist zu erwachsen für ein Mädchen ihres Alters.

      Sie sieht ihn immer noch an.

      Frank setzt sich endlich.

      Die Combo im Hintergrund macht jetzt einen auf mexikanisch und ein paar Spacken im Publikum ermuntern sie noch, indem sie applaudieren. Ein älteres Paar steht Tatsache auf und beginnt, sich stocksteif und unrhythmisch umeinander zu drehen.

      „Seid ihr ein Paar?“

      „Wir?“ fragt Peter. „Nein.“

      Erst jetzt schaut sie ihn an.

      „Aber du bist doch schwul, oder?“

      „Gutes Auge, mein Kind. Und er?“

      „Nein.“

      „Was?“

      „Er nicht.“

      „Woran willst du das sehen?“

      „Seh´ ich.“

      „Und du?“

      „Was ich?“

      „Freund oder Freundin?“

      „Nein.“ Dann: „Gehabt.“

      „Und? Sowas wie Liebeskummer?“

      „Nein.“

      Frank interessiert das alles nicht. Er denkt lieber an das, was vor ihm liegt. England. Der Job. Vielleicht irgend etwas Neues. Dabei schweift sein Blick durch diesen Saal voller Menschen. Überall stehen übereinander gelegte Papppaletten mit Dosenbier auf dem Boden neben den Tischen. Tax-free-Ware. Allein dafür sind einige auf dem Schiff. Und nehmen, um mehr davon einkaufen zu können, irgendwen mit, der nicht einkauft, es aber offiziell getan hat. Freund, Nachbar. Um das gesetzlich erlaubte Kontingent auszuschöpfen. Ohne Steuern ist Schnaps, Zigaretten, Parfüm spottbillig.

      „ … ihr in London?“

      „Ein Projekt.“

      „Was für ein Projekt?“

      „Wenn ich es dir sage, darf ich dich fotografieren.“

      „Was?“

      „Nur Portrait. Ich mache auch Portraits, in Schwarzweiß. Und du bist … so jung und … mager. Laß mich von dir Bilder machen. Ausrüstung hab ich im Wagen.“

      „Nein.“

      „Warum?“

      „Nein. Möchte ich nicht.“

      „Die Bilder kommen auch nicht ins Netz, wenn du das meinst. Die nehme ich nur für mich. Du paßt in meine Sammlung.“

      „Nein.“

      Peter hebt die Hände.

      „Okay. Gut.“

      Er ist trotzdem rot im Gesicht geworden. Frank weiß inzwischen,