Andre Garfeld

Pumping Art


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Firma? Oder sagst du das?“

      „Fang gar nicht erst an, zu schreien.“

      „HAT SIE DAS GESAGT ODER SAGST DU DAS?“

      „Schrei nicht, verdammt nochmal.“

      „ICH SCHREI, WANN ES MIR PASST!“

      Damit schlug er die Kühlschranktür zu hart zu, so daß sie gleich wieder einen Spalt aufsprang. Und im Kühlschrank hatte etwas laut geklirrt.

      „Dann schrei mal alleine.“

      Frank nahm das Holzbrett mit dem Sandwich und verließ die Küche.

      „Warte! ... bleib.“

      Frank blieb in der Tür stehen. Das war das Mindeste.

      „Was?“

      „Du hast Recht.“

      „Womit?“

      „Das ich nicht zu schreien brauche. Aber es ist keine scheiß Firma.“

      „Du sagst selbst, daß sie Schieflage hat.“

      „Das hat sie immer mal. Auf und ab. Das habe ich ... immer noch wieder aufgefangen. Und das werde ich auch in Zukunft.“

      „Mit mir oder was?“

      „Hast du mal daran gedacht?“

      „Nein. Absolut nicht.“

      Sein Vater atmete nochmal übertrieben tief ein. Er blieb neben dem Kühlschrank stehen.

      „Ich habe ihr fast alles kaufen können.“

      „Darauf kommt es nicht an.“

      Sein Vater suchte wieder den Blick, den er jetzt bekam. Frank schaute ihn endlich an. Über die ganze Küche hinweg. Aber es war ein müder Blick, mit schweren Lidern. Er war müde.

      Er war es müde.

      „Sie hat dich verlassen. Ob sie vorher schon psycho war oder erst nachher, weiß ich nicht. Aber du hättest es wissen können. Du hättest wissen können, wie eure ... Ehe war. Aber du hast es nie gewußt. Du hast nie darauf geachtet.“

      Frank hielt inne.

      Das war ein Anfang.

      Aber er ließ es. Er wollte nicht weiter.

      Vaters neue Freundin ging ihn nichts an. Sie war fünfzehn Jahre jünger als sein Vater, depressiv, Leidensfresse. Aus psychischen Gründen aus dem Beruf als Krankenschwester ausgeschieden. Sie saß immer mit krummem Rücken da. Ellen. Ellen betrug sich Frank gegenüber indifferent. Kumpelhaft wegen des geringen Altersunterschiedes. Und erwachsen, wenn sie auf seiten des Vaters sein mußte. Beides mißglückte. Daran sah Frank, daß sie ihren Platz in dem Gefüge nicht einnehmen konnte. Und sein Vater war mit ihr nicht etwa allein deshalb zusammen, weil sie jung und gut gebaut war, mit einem langen brünetten Pferdeschwanz, der ihren reizvollen Hals betonte, sondern auch, weil sie grundsätzlich tat, was er ihr sagte. Sein Vater glaubte an die Wahnvorstellung, etwas kontrollieren zu können. Sein Leben. Das anderer. Daran glaubte er. An Kontrolle. An Macht.

      Dabei war inzwischen nur noch Frank übrig geblieben. Und das auch nur physisch.

      Immerhin wohnte die Freundin hier nicht.

      Das war besser so.

      Ellen war geschieden, ohne Kinder. Sie behielt ihre Wohnung. So konnte sein Vater sie hier im Haus ficken, ohne daß sie, umgekehrt, in ihn eindrang. In sein großes Haus. Er war vierzig, hatte gute Haut, dunkles Haar, das gut geschnitten war, helle Augen, gut durchblutete Lippen, was gesund wirkte, weiße Zähne, eine schlanke Figur in stets gut sitzender Kleidung, einschließlich teurer Schuhe. Und eine Körpersprache, die immer den Kopf gerade erscheinen ließ, als wollte er damit eine unsichtbare Decke berühren. Immer eine Hand in die Hüfte gestützt. Und hatte im Grunde alles verloren.

      „Reden wir also von einem Studium?“

      „Nein.“

      „Wovon dann?“

      „Keine Ahnung, wovon wir reden.“

      „Wir reden über deine Zukunft.“

      Diesmal holte Frank einmal tief Luft, leicht zittrig, was sich hoffentlich nicht nach außen mitteilte. Es gab zumindest kein Zittern in der Stimme.

      „Vielleicht reden wir zum Beispiel darüber, das es allein meine Entscheidung war, nicht mit Mama gegangen zu sein, sondern hier im Haus zu bleiben. Aber DU hast damit nichts zu tun. DU hast schon lange nichts mehr mit mir zu tun. Wir sind nicht mal mehr das Rudiment einer Familie, weil es die nie gegeben hat. Es hat nie ein Ganzes gegeben. Es gab immer nur: Dich. Mama. Fanny. Mich. Jeder für sich. Wir waren NIE zusammen.“

      „Gottverdammt!

      „Ja genau.“

      „Gottverdammt.“

      „Deshalb brauchen wir auch über keine Firma zu reden, in die ich einsteige. Oder ein Studium.“

      Sein Vater änderte seine Körperhaltung.

      „Du lebst für deine verschissene Firma. Nicht ich. Wir brauchen also auch nicht so zu tun, als redeten wir darüber. Das ist doch nur scheiß Konvention. Fanny ist weg. Mama ist weg. Was willst du von mir? Das, was du willst? So wie immer? Aber ich weiß ja nicht mal, was ich eigentlich will! Verstehst du das? ICH WEISS NICHT, WAS ICH WILL! ICH WEISS ES NICHT!“

      „Aber darüber können wir reden!“

      „Können wir nicht!“

      „Aber ich kann dir was bieten!“

      „Nein! Kannst du nicht!“

      „GOTTVERDAMMT, ich ... !“

      „Herrgott! Ich komm mir vor wie scheiß James Dean mit seinem Vater!“

      __9__

      Überall starten Motoren unterschiedlichster Klangqualität, die in der kalten Luft des ewig dämmrigen, niedrigen Parkdecks aus Schiffsmetall in alle Richtungen Echos zu einem ansteigenden Geräuschpegel streuen. Jacken werden darin angezogen oder ausgezogen. Ein paar Kinder rennen herum. Erwachsenenköpfe tauchen ab. Türen klappen. Rufe. Stimmen. Und noch mehr Motoren.

      Frank steigt ebenfalls ein.

      Peter sitzt bereits.

      Frank hat ihn vorhin in einem der Fastfoodbereiche getroffen, nachdem er in dem Kinosaal aufgewacht ist. Peter frühstückte english breakfast. Das Mädchen war nicht bei ihm. Frank hatte nur einen Kaffee getrunken und war danach mit Peter zu der Kabine gegangen, die Taschen holen.

      Es gibt immer noch Durchsagen in drei Sprachen.

      Peter hält einen USB-Stick hoch.

      „Mucke?“

      „Jetzt?“

      „Wieso nicht jetzt?“

      „Weil ich erst von dem Schiff runter möchte.“

      „Was hat das damit zu tun?“

      „Ich habe … wenig geschlafen.“

      „Ja. Wo warst du eigentlich die letzte Nacht? Ich hab´ das nicht mehr richtig mitgekriegt.“

      „Ich hab in einem Aufenthaltsraum geschlafen.“

      „Wieso?“

      „Die Kabine war zu tief im Schiff.“

      „Davon hast du nichts gesagt.“

      „Nein.“

      „Bist du deswegen weg?“

      „Ja.“

      „Wegen ... sonst noch was?“

      „Nein.“