Götz Renartz

Der Hypnotist Der Hase im Cafe


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vor langer Zeit mit seinem Unbewussten vereinbart, daß, wenn die linke Hand von alleine nach unten sinkt, das „ja“ bedeutete.

      Wenn hingegen die rechte Hand von alleine nach unten sänke, würde das „nein“ bedeuten. Falls das Unbewusste seine Frage aber nicht beantworten wollte oder könnte, die Antwort nicht wissen würde, würden seine beiden Hände geleichzeitig nach unten sinken.

      Doch das konnte eigentlich bei dieser Frage nicht geschehen, da das Unbewusste ihn in seinem Kampf gegen die Viren in der Warze unterstützen würde, denn er war konstruktiv gewesen und verantwortlich an die Angelegenheit herangegangen.

      Er hatte seinem Unbewussten versprochen, sich der seelischen Probleme, die seine heftigen negativen Gefühle zumindest unbewusst ausgelöst hatten, zu stellen.

      Er wußte, daß körperliche Symptome häufig deshalb eintraten, weil sie eine Botschaft des Unbewussten an das Bewusstsein der Person transportierten. Bei psychischen und psychosomatischen Problemen war das immer der Fall.

      Da er sich selbst gegenüber verantwortlich gezeigt hatte, konnte er damit rechnen, die Unterstützung seines Unbewussten zu erhalten.

      Er kannte auch schon die nächste Frage an das Unbewusste. Denn in seiner Hypnoseausbildung hatte er die beiden Routineverfahren bei der Warzenbehandlung kennengelernt.

      Einmal konnte es hilfreich sein, mit einer imaginativen Metapher des Verhungerns zu arbeiten. Dabei stellte man sich in Hypnose vor, dass die kleinen Blutgefäße, die die Warze versorgten, sich verschlössen und die Viren verhungerten.

      Die andere bewährte Metapher bestand in der Vorstellung, die Durchblutung nähme zu, so daß die weißen Blutkörperchen und die Killerzellen heranströmen könnten, um die Viren aufzufressen.

      Während er die Hypnose genoß und seinen Gedanken folgte, mußte er lächeln, als er sich erinnerte, wie viele psychologische Methoden bei Warzen hilfreich waren.

      In seiner Kindheit hatten die alten Leute darauf geschworen, daß Warzen verschwänden, wenn man bei Neumond die Geisterstunde auf dem Friedhof verbringe.

      Als Kinder hatten sie mit einer Pflanze, aus deren Stängel gelber Saft herauskam, ihre Warzen verschwinden lassen.

      Später hatte er als Mediziner gelernt, daß diese Pflanze den Namen Großes Schöllkraut trug und der Saft zwar giftig sei, aber nicht gegen Warzen wirke.

      Aber ihre kindlichen Warzen hatten von diesem wissenschaftlichen Urteil nichts gewusst und waren einfach verschwunden.

      Eine andere lustige Begebenheit fiel ihm ein. Ein Kollege hatte seiner damals achtjährigen Tochter, nachdem die hautärztliche Behandlung ihrer zahlreichen Warzen an den Händen nicht erfolgreich gewesen war, die Warzen abgekauft.

      Die beiden hatten einen Vertrag geschlossen, in dem das Mädchen sich bereit erklärt hatte, ihrem Vater für eine Deutsche Mark ihre Warzen zu verkaufen.

      Der Vertrag war schriftlich geschlossen worden, aber die Warzen waren geblieben.

      Gefragt, warum sie ihren Vertrag nicht erfülle, hatte die Kleine ihrem Vater geantwortet, sie sei doch nicht blöd, ihm die Warzen für so wenig Geld zu verkaufen.

      Als der Vater in einem neuen Vertrag zehn Deutsche Mark bot, willigte die Tochter ein, diesmal die Warzen wirklich zu verkaufen. Und tatsächlich, in den nächsten Wochen verschwanden alle Warzen an ihren Händen.

      Als der Vater einige Jahre später den eingerahmten Zehnmark-schein im Jungmädchenzimmer entdeckte und verwundert fragte, weshalb sie denn das Geld damals nicht für etwas Schönes ausgegeben habe, antwortete die Tochter: „Ich bin doch nicht blöd! Wenn ich das Geld ausgebe, kommen doch die Warzen wieder!“

      Aber jetzt hatte er ein Warzenproblem. Und als er seine Aufmerksamkeit auf seine Hände richtete, spürte er, wie sich seine linke Hand ganz langsam nach unten bewegte und ihm damit die Unterstützung seines Unbewussten im Kampf mit den Viren signalisierte.

      Er schob sofort die nächste Frage nach, indem er sein Unbewusstes innerlich ansprach: „Unbewusstes, was ist für mich der richtige Weg? Sollen die Viren ausgehungert oder gefressen werden?“

      Wieder wartete er auf die Antwort seine Unbewussten. Diesmal hatte er eine hypnotische Levitation der Hände eingeleitet, die er wieder vor seinem Bauch in Vorhalte gebracht hatte. Er hatte darum gebeten, daß für den Fresskampf die linke Hand von alleine nach oben schweben solle. Für den Hungerkampf die rechte.

      Da er sich schon in einer guten Arbeitstrance befand, kam nach einem kurzen Moment schon die eindeutige Antwort des Unbewussten: Die linke Hand war auf dem Weg nach oben!

      Er beschloss sich erst zu rasieren und zu waschen und nach dem Frühstück noch einmal in Hypnose zu gehen, um den Kampf gegen die Warze und die Viren aufzunehmen.

      Doch zunächst bedankte er sich bei seinem Unbewussten für dessen Unterstützung und Kooperation, indem er innerlich sagte: „Unbewusstes, ich danke Dir für Deinen Rat und Deine Unterstützung!“ Dann löste er die Hypnose durch Rückwärtszählen von zehn auf eins auf, nachdem er sich selbst suggeriert hatte, daß er bei „Eins“ wieder frisch und wach im Hier und Jetzt sein werde.

      Er hatte das Frühstück genossen. Wie seit Studentenzeiten hatte er sich zwei Eier gekocht und sie mit Salz gegessen.

      Seit ihn ein Engländer einmal angemeckert hatte, weil er sein Ei nicht mit einem Löffel aufgeklopft, sondern wie in seiner Kindheit mit dem Messer geköpft hatte, köpfte er sein Ei praktisch immer. Und zwar mit Vergnügen.

      Der Engländer hatte spöttisch gemeint, im Eierköpfen zeige sich die teutonische Wildheit. Es war kindisch, aber jetzt feierte er die Blödheit des Engländers bei jedem Frühstück.

      Aber mehr noch erinnerte es ihn an die schöne Zeit während des Medizinstudiums in Frankfurt und Mainz, als er in seiner Mansarde saß und das Leben beim morgendlichen Frühstück immer besonders genossen hatte.

      Der englische Frühstückstee hatte optimal gezogen und ihn munter gemacht. Wie immer hatte er abschließend sein Honigbrot gegessen.

      Damals als Student hatte er gerne kanadischen Kleehonig genommen. Er war preiswert und wohlschmeckend gewesen. Derzeit bevorzugte er den würzigen Honig aus dem Luberon, den er aus dem Urlaub in Südfrankreich mitgebracht hatte.

      Honig erinnerte ihn an seine Kindheit. Mit seinem Freund durfte er dabei sein, wenn dessen Vater, ein Hobbyimker, Honig schleuderte und sie von den süßen Honigwaben naschten.

      Noch besser hatte ihm hinterher der Honig auf dem mit frischer Butter bestrichenen Brot geschmeckt. Er hatte das jedem Kuchen vorgezogen.

      Dazu hatte es manchmal Ersatzkaffe mit einem Viertel Bohnenkaffe zur Feier des Tages gegeben.

      Bohnenkaffee hatten sie als Kinder nicht trinken dürfen. Nur bei dieser Gelegenheit hatte es ihn gegeben. Zuhause hatte er das verschwiegen.

      Er war sich seiner Rituale bewusst. Als er jünger war, hatten sie ihn geniert. Er hatte sie sich nur gelegentlich gegönnt. Aber in der Psychotherapie mit seinen Patienten hatte er gelernt, wie wichtig es war, auf die guten Gefühle und Erinnerungen zurückgreifen zu können. In der psychotherapeutischen Fachsprache hatten sie ,Ressourcen’ geheißen. Die unterirdischen Rohstoffe des Lebens.

      Rasch hatte er erkannt, dass Menschen nur aus ihren Stärken heraus ihr Leben positiv ändern. Und so hatte er es von seinen Patienten gelernt, sich mehr zu sich selbst zu bekennen und zu seinen positiven Erlebnissen. Er war dafür seinen Patienten dankbar. Den Patienten und ihren Unbewussten, mit denen sie zusammengearbeitet hatten.

      So hatte er das abstrakte Wissen der Lehrbücher mit Leben erfüllen und viele lebensfeindliche Momente der modernen Medizin und Psychotherapie überwinden können.

      Und so liebte er die Morgen mit seinem Tee, den weichgekochten 5-Minuten-Eiern und den Honigbroten.

      Natürlich dachte er nicht jeden Morgen an seine Kindheit oder das Studium. Aber es war irgendwie mit seinem Frühstück verwoben und half ihm, gut in den Morgen zu starten. Er würde sie nicht missen