Sie erkundigt und was ich von Ihnen gehört habe, fand ich interessant.“
„Ja“, sagte er etwas schelmisch und grinste. „Meine Person oder meine Tätigkeit?“
„Sie kenne ich nicht! Aber ihre Tätigkeit schien mir interessant.
Hypnose hat mich schon immer interessiert. Ich habe alle Bücher von Milton Erickson gelesen, die ich bekommen konnte. Seine Lehrgeschichten von Sidney Rosen liegen auf meinem Nachttisch. Das Buch ist schon ganz zerfleddert, so oft habe ich es gelesen. Und immer wieder lerne ich Neues daraus.
Was Sie beruflich machen wollen, interessiert mich auch.
Nur als Tippse möchte ich nicht arbeiten!
Das heißt nicht, daß ich Ihnen keinen Kaffee kochen werde. Aber ich werde diese Stelle nur annehmen, wenn ich mitarbeiten kann.
So eine Art Hilfsassistentin schwebt mir vor. Sie draußen im feindlichen Leben und ich halte die Stellung im Büro und erledige Ihre Aufträge.
Wenn das möglich wäre, werden Sie mit mir und meiner Arbeit zufrieden sein!“
Er schwieg eine Weile und schaute die Frau vor sich nachdenklich an. Dann merkte er, daß er sich am Kopf gekratzt hatte und sagte: „Klingt nicht schlecht!“
„Und sicher haben Sie sich auch schon Gedanken über die Höhe Ihres Gehaltes gemacht?“
„Ich möchte während der Probezeit das gleiche Gehalt wie bisher haben und danach, wenn Sie und ich zufrieden sind, zwanzig Prozent mehr! Hier sind meine Zeugnisse und Unterlagen.
Der Rest ist Verhandlungssache.“
Er warf einen Blick auf die Unterlagen von Susanne Herr und nickte.
„Ich werde jetzt rausgehen und mein Unbewusstes fragen“, sagte er und verließ den Raum.
Fünf Minuten später waren sie sich einig, schüttelte sich die Hände und er wies sie an: „Frau Herr, sagen Sie bitte den anderen Damen ab! Und kommen Sie morgen früh um neun Uhr. Ich kriege heute vielleicht meinen ersten Kunden. Morgen besprechen wir dann, wie es weitergeht.“
Als er wieder in seinem Sessel saß, stand er auf, ging an den Schrank, wo die Gläser und Flaschen standen und schenkte sich Portwein ein.
Er war immer noch etwas aufgekratzt, hatte jedoch ein gutes Gefühl, als er die aromatische Süße des Weines genoß und den rötlichen Schlieren zuschaute, die im Glas nach unten liefen.
Er schloß die Augen und kuschelte sich in den Sessel. Der angenehm herbe Ledergeruch passte irgendwie zum Getränk. Und mit Befriedigung registrierte er, daß die Warze immer noch juckte. Die Dinge schienen sich zu entwickeln. Leicht glitt er in eine sanfte Trance und begann sich auf das Gespräch mit Erich Seidel vorzubereiten.
Er hatte von einem Unternehmer berichtet, der ihm Sorgen
machte.
„Die wirtschaftlichen Dinge sind gar nicht schlecht“, hatte er ihm am Telefon gesagt. „Aber ich mache mir Sorgen! Er ist ein guter Kunde und ich kenne ihn schon seit einigen Jahren. Er sieht alles schlecht und wittert Probleme, wo gar keine sind. Früher war er optimistisch und zupackend. Jetzt sucht er in den Krümeln nach Problemen, wo keine sind.
Ich habe ihn vorsichtig konfrontiert und er hat mir eingestanden, dass er sich Sorgen um seinen Betrieb macht. Dabei läuft dieser gut!
Und daß er zunehmend mit seinen Abteilungsleitern Probleme hat, obwohl die auch schon seit Jahren gute Arbeit geleistet haben.
Wenn Sie einverstanden sind, werde ich ihm vorschlagen, sich mit Ihnen zusammenzusetzen.“
Der erste Kunde
Eigentlich trank er nicht bei der Arbeit. Aber zur Feier des Tages hatte er auch Erich Seidel ein Glas Portwein eingeschenkt.
Die beiden Männer hatten auf die Unternehmensgründung des Hypnotisten angestoßen und sprachen über Frau Herr.
„Das scheint eine interessante Frau zu sein!“, sagte Herr Seidel und nickte.
„Passen Sie bloß auf, daß Sie nicht der Angestellte werden!“ lachte er. „Aber vielleicht ist das auch genau die Art von Frau, die Sie als Mitarbeiterin brauchen!“
„Wir werden sehen, was passiert!“ meinte der Hypnotist und war ein wenig verlegen.
„Mein Unbewusstes hat jedenfalls zugestimmt“, schob er nach. „Lassen Sie uns über Ihren Problemfall sprechen!“
„Ich bin der Wirtschaftsfachmann!“ widersprach Seidel, „Ich mag mich nicht mit den persönlichen Problemen meiner Kunden auseinandersetzen. Da bin ich überfordert. Das soll Ihre Aufgabe
sein!
Herr Bergmann hat jedenfalls zugestimmt, Sie kennen zu lernen. Er ist sogar bereit, noch heute Abend mit Ihnen zu sprechen, solange er hier in Frankfurt ist. Morgen wird er wieder nach Hause ins Ruhrgebiet fahren.“
Erich Bergmann war Erfolg gewöhnt.
Von seinem Vater hatte er einen Handwerksbetrieb mit einem Dutzend Arbeitern und Angestellten übernommen und zu einem Zulieferbetrieb für die verarbeitende Industrie mit über 200 Mitarbeitern aufgebaut.
Solide Finanzen und eine gute Auftragslage ließen eigentlich eine gute Zukunft erwarten, erzählte er, dennoch sei er in den letzten Jahren immer unruhiger im Hinblick auf die weitere Entwicklung geworden.
„Ich mache mir Sorgen, Herr Renansen!“ erklärte er, „Es läuft noch ordentlich, aber die Zeiten und die Dinge verändern sich!“
Das Personal sei nicht mehr das, was es mal gewesen sei. Immer mehr leide die Leistungsbereitschaft der Belegschaft und er beobachte mit Sorge, daß das Management die Dinge immer weniger im Griff habe.
Immer stärker habe er eingreifen müssen. Er sei an den Grenzen seiner Leistungsfähigkeit angekommen und sei häufig einfach erschöpft. Sein Hausarzt habe bereits den Verdacht geäußert, er stehe vielleicht vor einem beginnenden Burn-out. Aber das sei Quatsch! Er habe keine psychischen Störungen, sondern objektive Probleme.
Seine Probleme habe er stets selbst gelöst. Natürlich habe er auch Fehler gemacht, aber insgesamt sei er doch erfolgreich gewesen.
Er sei sich bewusst, daß er etwas verändern müsse, wisse aber nicht wie und wo er anfangen solle.
Herr Seidel versuche ihn zu beruhigen. Er verweise auf den guten Stand der Dinge, aber der könne sich schnell ändern.
Er sei sich bewusst, dass er selbst eine Lösung finden müsse. Deshalb habe er auch Herrn Seidel zugestimmt, als dieser ihm empfohlen habe mit einem Spezialisten für personales Coaching zusammenzuarbeiten.
Ihm sei auch Hypnose recht, auch wenn er sich darunter wenig vorstellen könne. Wie denn die Konditionen einer Zusammenarbeit seien?
Otto Renansen hatte geantwortet, dass das heutige Informationsgespräch unverbindlich sei. Er arbeite auf einer Stundenbasis oder einer Tagespauschale für sechs Arbeitsstunden. Und zusätzlich der Erstattung aller Spesen, wenn er außerhalb Frankfurts arbeiten solle. Jeder von ihnen habe dabei das Recht, die Zusammenarbeit jederzeit zu beenden.
Erich Bergmann hatte geantwortet, das sei fair. Er wolle jedoch wegen der Diskretion nicht, dass Otto Renansen ihn zu Hause aufsuche. Er habe geschäftlich häufig in Süddeutschland zu tun. So sei es für ihn praktischer, jeweils in Frankfurt vorbeizuschauen. Er werde sich jeweils rechtzeitig anmelden und ein Treffen verabreden.
Sie hatten danach noch ein wenig geplaudert und abgesprochen, daß Frau Herr den Vertrag in einem neutralen Umschlag an die Privatadresse schicken solle.
Wie er denn den Fall Bergmann einschätze, wurde Otto Renan-sen am nächsten Morgen von Susanne Herr gefragt.
Daß irgendetwas nicht stimme, hatte er gemeint. Er aber nicht wisse, was. Er sich aber deshalb keine Gedanken mache, da er ja auch das Problem, was immer es sei, auch nicht lösen müsse.