Liz Klindworth

Solo mit Buddha


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Pickel in Großaufnahme?? Allerhöchstens als Testimonial für Pickelcremes. Auf diese Tatsache stieß ich tatsächlich ganz alleine – und wehe, es hätte mir einer gesagt!

      Ich kämpfte mit Frisurenanleitungen seitens der Teeniemagazine, blamierte mich fürchterlich, sammelt Erfahrungen mit diversen Lippenstiften und führte gewissenhaft Statistiken über die Radio-Hitparaden. Somit war mein Alltag mehr als ausgefüllt. Wie sollte ich da noch Zeit für einen Beruf haben?

      Das Schwänzen diverser Schulstunden am Vormittag für den Genuss einer Wiederholung der Musikshows in den Öffentlich-Rechtlichen Sender (ehrlich – andere gab es damals nicht!) geschah ohne schlechtes Gewissen, diente es doch nur als Stabilisator meiner extremen und reichlich pubertären Stimmungsschwankungen.

      Schwer verunsichert und ratlos fand ich nur noch Trost hinter der geschlossen Tür in meinem Dachzimmer, wo ich zu meiner üblichen Lieblingsmusik (von wem wohl??) all meine Träume malte. Ich spürte das tröstende Gefühl, meine Träume wenigstens mit Pinsel und Farben hemmungslos ausleben zu können. Und dabei blieb es vorläufig auch. Ich entdeckte die Leichtigkeit der Aquarellfarben, später die Möglichkeiten der Ölmalerei und irgendwann war keine Leinwand, kein Stück Papier mehr vor mir sicher.

      Dennoch bestanden meine Eltern auf eine kaufmännische, somit anständige Ausbildung, die ich dann auch machte. Begabt im Schönreden jeder Situation bildete ich mir ein, mit diesen erworbenen Kenntnissen unter Umständen auch die Showbranche managen zu können. Vorzugsweise Lightroom. So begann meine verheißungsvolle Ausbildung, allerdings nicht ohne auch dort auf jeder Rechnung, jeder Notiz zum Ärger meiner Vorgesetzten und humorfreien Spießerkollegen kleine Zeichnungen zu hinterlassen.

      Meine Freizeit verbrachte ich inzwischen nicht mehr allein im kleinen Dachzimmer, sondern suchte den Kontakt zu anderen Künstlern. Ich sah, hörte zu und lernte. Mit Freude und dem festen Vorsatz, irgendwann davon leben zu können.

      So fühlte ich mich mehr und mehr als Künstlerin. Ich malte, übermalte und fand zögernd meinen Stil, der mir einige erfolgreiche Ausstellungen und neue Freundschaften schenkte.

      Nicht nur, dass ich nach fast zweijähriger Abtrünnigkeit dank unterschiedlicher Ansichten über Partygestaltung meine Schulfreundin Brigid wiedertraf, wir gründeten auch voller Idealismus eine Ateliergemeinschaft und öffneten diese gemeinsam mit anderen Künstlern für Ausstellungen und Workshops.

      Unser Atelier befand sich in einer alten Kornbrennerei auf dem Land, weshalb wir die Beweggründe unserer Besucher dann irgendwann doch einmal genauer unter die Lupe nehmen mussten.

      Was nützt ein Publikum, das sich den Bildern auf 200 qm ca. großzügigen 45 Sekunden widmet, um sich dann auf die kostenlosen Schnapsproben zu stürzen? Mit unserer naiven Großzügigkeit haben wir von Mai bis Juli ganze Gruppen von polnischen Saisonarbeitern erfolgreich von den Erdbeer- und Spargelfeldern der ländlichen Umgebung gelockt. Als im Spätsommer die Apfelernte samt Anreise der üblichen Verdächtigen begann, konnten auch wir dem erschreckenden Ergebnis der bis dahin erfolgreich verdrängten Bilanz nicht mehr ausweichen.

      Was nichts anderes hieß, als dass wir innerhalb von 8 Monaten genau 6 Bilder verkauft und 108 Schnapsflaschen verschenkt hatten.

      Künstlerpech. Kommerz und Kunst passen eben nicht zusammen. So what!

      Wir trugen das überwältigende Ergebnis mit Fassung. Unsere Ateliervermieter auch.

      Nicht nur die Anzahl, der von uns bezahlten (und großherzig aus reiner Nächstenliebe kostenfrei ausgeschenkten) Schnapsflaschen, auch die teuren Limousinen anlässlich der Vernissagen führten zu einer neuen Verhandlung über die Miete.

      Kurzum, uns ereilte mal eben eine Mieterhöhung von verbotenen 100%. Brigid und ich zogen uns zu einer diskreten Besprechung zurück. Die Pleite endlich eingestehend, tranken wir noch ganz fix den restlichen Schnaps aus. Prosteten uns zu, zerschlugen unsere Gläser an der leeren Bilderwand - und kündigten. That´s life - the show must go on! Aber wie?

      Dennoch konnte mich nichts stoppen. Inzwischen hatte ich neue Freunde gewonnen, die mir mit ihrem eigenen Idealismus sehr ans Herz wuchsen.

      Meine Freundin Edda, die mich anrief, um mir „mal eben“ eine Ausstellung in einer renommierten Bank zu organisieren. Wir saßen in ihrem offenen Cabrio, die Leinwände auf dem Rücksitz blähten sich bedrohlich im Wind, aber ich war einfach nur glücklich. Da war jemand, der an mich glaubte. Ohne Profitgier, rein aus Spaß an der Sache. Diese damals entstandenen Freundschaften pflege ich auch heute noch mehr als gerne, einfach weil ich mich vor ihnen nicht erklären muss. Gesucht, unverhofft gefunden, frei von Urteil oder Erklärungsbedarf. Meine optimistische Präsenz reichte aus, um Freunde an mich glauben zu lassen.

      Irgendwann reichte mir die Malerei nicht mehr.

      Inzwischen hatte ich Dänemark für mich entdeckt. Das Ferienland meiner Kindheit; unendliche Weite, viel Zeit mit der geliebten Familie, Ferienhaus zwischen den Dünen nahe am Strand. Frei jeglicher Uhrzeiten, einfach nur ein Sommer, der nach Heidekraut und Meersalz roch und mir eine Freiheit schenkte, die für mich zum Maßstab wurde.

      Nicht nur im Laufe der Zeit, sondern auch in dem bewussten Suchen nach einer inspirierenden Bleibe, in der ich nicht nur ungebremst malen konnte, sondern auch meine Skizzen zur großzügigen eigenen Ansicht auslegen konnte, fand ich irgendwann mein Traumhaus, das ich bis heute noch anmiete. Auch hierhin zog die Musik von Lightroom mit, die ich an manchen Abend nach meinen Malorgien laut aufdrehte und auf der Terrasse mit Blick auf das Meer zum kühlen Sauvignon genoss.

      Dort kam ich auf einen für mich neuen Weg. Ich sammelte Treibhölzer am Strand, missbrauchte die Sauna als Trockenraum und plante Lichtobjekte. Die Malerei fing an mich zu langweilen, nicht zuletzt, weil die Qualität der Ausstellungen spürbar nachließ.

      Nachdem selbst Discounter und Drogerien Leinwände samt Pinsel und Farben im günstigen Angebot hatten, war der Malboom nicht mehr zu bremsen. Und wer bis dahin noch äußerst seriöse Ausstellungen - und sei es nur zur Image-Erhaltung - in seinen Räumlichkeiten anbot, sah sich plötzlich den Nachfragen aus dem eigenen

      Freundeskreis ausgeliefert.

      „Meine Frau malt jetzt auch, meinste, da geht mal was??“ Klar ging was, wozu hat man soziale Verbindungen? Damals hieß es „Eine Hand wäscht die andere“. Heute nennt man es „win-win“. Besser wurde es dadurch nicht.

      Ich war frustriert angesichts der vielen Bilder in den bislang gut sortierten Ausstellungsräumen, die außer dekorativ zu sein scheinbar keinen weiteren Anspruch verfolgten. Bilder, die nicht nur Malen-nach-Zahlen vermuten ließen, sondern deren naive Motive auch nicht ganz frei von einer gewissen Peinlichkeit waren. Nicht, dass meine Malerei rückblickend betrachtet frei von Peinlichkeiten war, aber in dieser Schublade wollte ich partout nicht landen.

      Also ging mein Herz in der dreidimensionalen Darstellung auf. So überzeugt ich von meinen Lichtobjekten war, so stur sind auch heute noch die Richtlinien. Jedes Objekt musste von einem Elektriker als den Sicherheitsbestimmungen gemäß überprüft und abgenommen werden.

      Dazu kam, dass auch meine Nachbarn wenig erfreut über die täglich andauernden Geräusche von Bohrmasche, Fräse oder Kettensäge aus meinem Keller waren.

      Ich war gerade dabei, meine Objekte mit meiner kleinen Digitalkamera für einen Katalog auf meiner Website zu fotografieren, da kam schon die nächste und vorläufig endgültige Idee angeflogen.

      Da ich meine Objekte in einem vielsagenden Hintergrund präsentieren wollte, den mein Keller beim besten Willen nicht hergeben wollte, entdeckte ich die Möglichkeit der Fotobearbeitung für mich. Die Software lud ich mir aus dem Internet runter, die Anleitung dazu lieh ich mir aus Kostengründen von der Stadtbibliothek.

      Und täglich entdeckte ich neue Anwendungen und Möglichkeiten. Ich begriff, dass man aus diversen Fotografien ein neues Bild entstehen lassen konnte.

      Das war der Moment, als all sich meine bisherigen Arbeiten in eine neue Idee einfügen ließen. Der Kreis zwischen Malerei und Fotografie schloss sich zu einem neuen Projekt: digitale Kunst.

      Endlich meinen Stil gefunden, fehlte nur noch die