Liz Klindworth

Solo mit Buddha


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nebenbei auch noch das Saxofonspielen. Kaum erwähnenswert, in welcher Band ich mal spielen wollte ...

      Nachdem ich beschlossen hatte, meinen blumigen Horizont zu erweitern, suchte ich nun auch noch Inspirationen in der Musik. Naja, machen doch viele, könnte man nun sagen. Nein, ich wollte sie verstehen. Wollte die Unterschiede zwischen Moll und Dur nicht nur begreifen, sondern auch in meinen Bildern umsetzen.

      Inzwischen hatte sich auch die Musikindustrie verändert. Vinyl war out, CDs als Anschaffung fürs Leben waren angesagt. Obwohl ich dank des preiswertesten CD-Players, den es aufgrund eines vermeintlichen Havarie-Schadens wohl je gab, keinen hörbaren Unterschied ausmachen konnte, erkannte ich einen unschätzbaren anderen Vorteil.

      Nachdem ich es bei meiner steten Suche nach Ausdruck und Inspiration dann irgendwann doch schon mal zu kurzweiligen Auftritten in der Männerwelt geschafft hatte, kam die Zeit der „Wir-ziehen-zusammen-Partnerschaften“.

      Nicht zuletzt auch den klaren wirtschaftlichen Vorteil erkennend, stand ich vor einem anderen Problem; mein Musikgeschmack. Was ich bisher nur als beschwipste Partylaune glaubwürdig abgeliefert hatte, stand spätestens dann auf dem Prüfstand, als ich mit meiner Plattensammlung anrücken sollte.

      Und ich war nicht nur begeistert, wie diskret sich die kleinen CDs unauffällig in einem Koffer verstauen ließen, sondern fühlte mich somit auch sicher, die Beziehung zumindest für die nächsten sechs Wochen aufrecht halten zu können.

      Denn eines war klar; länger als sechs Wochen halte ich es ohne meine Musik, sprich: ohne meine Lieblingsband nicht aus.

      Im Laufe der Jahre sollte ich diesem speziellen Problem genauso häufig begegnen, wie ich spätestens nach sechs Wochen in Liebeskummer schwelgte.

      So viele Beziehungen, ob nun geglückt oder gescheitert, habe ich nicht vorzuweisen. Aber es war auch verdammt schwer einen Mann zu finden, der meinen Geschmack in puncto Musik versteht, geschweige denn kommentarlos hin nimmt. Und tolerieren reichte mir bei Weitem nicht.

      Liebe ist ein halt verdammt weites Spektrum.

      So blieb mir nur der Glaube an meine Lieblingsband. Sie müssen, werden, können es verstehen. Und worauf noch länger warten? Gut gefragt. Wie ein Alien, nicht nur dem Heimatplaneten längst überdrüssig, sondern auch ausgestattet mit einem verheißungsvollen Auftrag, suchte ich einen neuen Planeten. Es reichte einfach nicht mehr, nur die Musik zu hören, ich wollte mit der Band reden. Ach was, ich wollte mit ihnen philosophieren, diskutieren, die Welt neu erfinden.

      Und jeder von uns hätte etwas davon. Musik und Bilder würden sich gegenseitig beflügeln. Win-win sozusagen. Wir würden gemeinsam in Talkshows sitzen, lachend und ungläubig kopfschüttelnd von unserem ersten Kennenlernen berichten, selbst erstaunt über die plötzlichen Erfolge sein ...

      ... kurzum, wir wären das lang ersehnte Dream-Team der Showbranche.

      ***

      Kapitel 2

      ...Don`t you know, you fool, ain`t no chance to win Why not use your mentality – get up, wake up to reality... ( I`ve got you under my skin / Cole Porter )

      Irgendwann reichten mir meine bunten Träume natürlich nicht mehr.

      Was mir zur Erweiterung meiner Illusionen noch fehlte, war das Erlebnis eines Livekonzertes. Zusammen mit Lightroom im Licht stehen, ihnen ein Lächeln abzwingen, dass eine Gemeinschaft herauf beschwört, die mir in all meinen Träumen und Hoffnungen recht gibt.

      Inzwischen waren sie nur noch bei alten Fernsehaufzeichnungen zu sehen, die ich schon auswendig mittanzen konnte. Oder gerne auch bei Musiksendungen der Privatsender unter dem Motto "Hitparade der schrillsten Partybands“. Und jeden A- bis C- Promi habe ich mir gemerkt, der auch nur ansatzweise ins Lästern über Lightroom verfiel.

      Nach fast 20 Jahren Fandaseins sollte ich sie dann tatsächlich doch noch einmal wieder vereint auf einer Bühne erleben dürfen.

      Ich erinnere mich noch gut an den Moment, als ich die Konzertankündigung in der Zeitung sah und meine beste Freundin Sarah in Hamburg anrief:

      „Mein Leben hat wieder einen Sinn!!“

      Das Schweigen auf der anderen Seite des Hörers ließ Ratlosigkeit durchblicken. Vermutlich dachte sie an eine neue Cellulitiscreme oder an eine 10-Kilo in 6 Tagen-Diät.

      "Ey, Du weißt schon – Lightroom!! Sie treten endlich wieder auf!“

      "Ja, ja, okay, aber mal ganz ehrlich - ich komme nur in eine Stadt mit, wo mich keiner aus dem Publikum erkennt.“

      Na bitte! Ich kaufte die Karten und verbrachte die bevorstehenden sechs Monate bis zum Konzert reichlich angespannt mit unvermeidlicher Kleider-

      und Frisurenplanung. Als es dann endlich so weit war und wir nach einem fünfstündigen Aufenthalt vor dem Spiegel soweit waren, prosteten wir uns noch mit reichlich Sekt zu.

      Schon vor der Halle standen zahlreiche Reisebusse, die unberechenbare Seniorenfanklubs versprachen. Im Foyer erwartete uns also nicht gerade ein trendig cooles Publikum, vielmehr eine muntere Schar von Ergrauten, die sich in praktischen Windjacken mit Tunnelzug vor einem Stand mit Fischbrötchen tummelten. Immerhin hatte sich der Standbesitzer die Mühe gemacht, als Slogan den vermeintlichen Shanty - Titel aus einer vergangenen CD liebevoll, aber leicht unleserlich auf Pappe zu sprühen.

      Gleich daneben - und im ersten Moment traf mich fast der Schlag - stand die gesamte Band aus Pappe in Lebensgröße. Die vielen Spinnweben zwischen den Pappkameraden erzählten sentimental von längst vergangenen Tourneen.

      So hatten wir auch gleich wieder einen Grund für weiteren Sektnachschub gefunden. Eines war uns auch klar; wir waren hier mit Mitte dreißig die Youngsters. Wenn das die Musiker nicht freuen wird; eine sichtbare Chance mehr.

      Neben all der Aufregung schaukelte auch der Sekt schon bedenklich in meinem Hirn. Ein letzter Gang zum Klo vor dem bedeutsamen Klingelzeichen, dass die Show gleich beginnt, endete dann mit dem Vergessen meiner Handtasche. Okay, sie ist nun mal weg, aber ich bin hier. Was sind schon Hausschlüssel, Ausweis und Geld? Alles Dinge, die mich gefangen nehmen und vom wahren Künstlerleben abhalten. Dachte ich mir. Bis Sarah in Panik geriet, weil sich auch ihr Portemonnaie darin befand.

      Gerade noch im letzten Moment eines Vortrages über Dummheit und Verantwortungslosigkeit konnte ich ihr ausreden, einen Ausruf quer durch die ganze Halle zu starten.

      "Das Fräulein Liz K. bittet den Finder ihrer Handtasche, zuletzt auf einem der 54 Klos gesichtet, sich am Kartenverkauf zu melden!“

      Was sollen denn die Leute denken? Wobei meine größte Angst der grinsend schenkelklopfenden Reaktion meiner Musiker galt. Aufgescheucht wie ein Huhn klapperte ich alle Toiletten noch einmal ab. Und da hing sie, direkt über der Klobrille. Voller Freude, doch nicht völlig versagt zu haben, stand ich auf einem der oberen Ränge und schwenkte meine Tasche im untergehenden Saallicht lauthals nach Sarah rufend, bis mich ein Saalwärter sanft aber bestimmt am Arm griff und fragte, ob er mir helfen dürfe. Immerhin fand ich auch meine mich rettende Platzkarte in der Tasche wieder.

      Ein für mich weiteres gutes Omen, was mich genau in dem Moment atemlos auf meinen Sitz plumpsen ließ, als das Licht vollständig ausging und die grellbunten Scheinwerfer die Bühne anstrahlten. Sarah warf mir zwar einen tadelnden Blick zu, meinte aber äußerst großherzig: "Naja, nun entspann dich aber mal.“

      Hinter transparenten Vorhängen sah man die einzelnen Musiker auf die Bühne kommen und ihre Position einnehmen. Das allein reichte aus, um mich vom Stuhl zu reißen und schon vor dem ersten Ton hingebungsvoll Standing Ovations zu bringen. Sarah riss mich zurück auf meinen Stuhl. Eine Fanfare erklang inmitten eines bunten wild blitzenden Lichtermeeres, die Vorhänge fielen, und mit einem regelrechten Paukenschlag samt nachfolgendem Gekreische einer E-Gitarre konnte die Party beginnen.

      Die Musiker strahlten und nickten aufmunternd in die ersten Reihen. Was ihnen bis eben noch, geblendet von den Scheinwerfern, als amorphe Masse erschienen sein musste, verwandelte sich bereits beim dritten Lied in ein unkontrollierbares Gerenne