Elise Lambert

Die schwarze Macht


Скачать книгу

Es würde gut passen.«

      »Vielen Dank, Professor«, entgegnete McGinnis. »Wir werden in etwa einer halben Stunde bei Ihnen sein.«

      Ehe sich Lamondt verabschieden konnte, hörte er es ein Knacken in der Muschel. Sein Gesprächspartner hatte bereits aufgelegt.

      Nervös zündete sich Lamondt eine Zigarre an. Er überlegte, was wohl der Grund für den Besuch der beiden Kriminalbeamten sein würde.

      Ob sie vermuten, dass Robert McIntire, Tyrell Hawthorne und Shelly Wright keines natürlichen Todes gestorben sind? Ablehnend schüttelte er den Kopf. Nein, dieser Gedanke ist doch völlig absurd! Schließlich sind bei ihnen keine Anzeichen einer Gewaltanwendung zu erkennen gewesen. Und Indizien für einen Giftmord hat die Obduktion auch nicht geliefert. Er versuchte sich von den quälenden Gedanken zu befreien und kochte sich eine Tasse Kaffee. Den Grund des Besuchs werde ich ja bald erfahren.

      Er musste nicht lange warten, denn bald darauf klopfte es an der Tür.

      »Herein!«, forderte er den angemeldeten Besuch auf einzutreten. »Kommen Sie, meine Herren!«

      Nachdem sie sich kurz vorgestellt und Platz genommen hatten, kam Chief Inspector Blake direkt zur Sache.

      »Wie Sie wissen, wurden Obduktionen an den Leichen von Robert McIntire, Tyrell Hawthorne und Shelly Wright vorgenommen. Wir haben die Untersuchungen in Inverness durchführen lassen, von Dr. Witherspoon, um genau zu sein. Das Ergebnis war erschreckend, denn unser Pathologe musste eine völlige Blutleere als Todesursache in die Totenscheine eintragen.« Seine kühlen grauen Augen sahen den Gelehrten ernst an. »Miss Pritchards behandelnder Arzt hat ihn hinzugezogen.«

      »Wir arbeiten sehr oft mit ihm zusammen.« Auf ein Zeichen von Blake übernahm McGinnis das Gespräch. »Witherspoon hat uns gestern über diese mysteriöse Angelegenheit berichtet und dabei erklärt, dass er das Gefühl nicht loswerde, an der Sache sei etwas faul.«

      »Seiner Meinung nach sei ein Verbrechen nicht auszuschließen«, fuhr Blake fort, »auch wenn er nicht in der Lage wäre, für diese Behauptung auch nur den kleinsten Hinweis liefern zu können.« Er schwieg einen Augenblick. »Ich kenne Dr. Witherspoon schon seit langer Zeit. Er ist eine Koryphäe auf seinem Gebiet und bekannt für seine exzellenten Gutachten. Auch wenn es seiner Meinung nach fast aussichtslos sein dürfte, so wollen wir doch versuchen, dem Verdacht nachzugehen. Auf keinen Fall wollen wir diese Vorfälle isoliert betrachten. Dementsprechend gehen wir allen Fakten nach, auch wenn sie zunächst unbedeutend erscheinen mögen.«

      »Damit kommen wir auch schon zu unserer Bitte«, erklärte McGinnis. »Wir haben in der Presse über die sensationellen Ergebnisse Ihrer Ausgrabungen in Durness gelesen. Es wäre schön, wenn Sie uns darüber ausführlich berichten könnten. Wie vermuten, dass es weit wichtiger sein kann als Sie annehmen.«

      Verständnislos schaute Prof. Lamondt die beiden Kriminalbeamten an. Zweifelnd runzelte er die Stirn.

      »Ich kann mir zwar beim besten Willen nicht vorstellen, was die Ausgrabungen in Durness mit den beiden Todesfällen zu tun haben sollen, aber wenn Sie glauben, dass Ihnen die Schilderung der genauen Einzelheiten nützen kann, dann bin ich selbstverständlich gern dazu bereit. Es ist schließlich kein Staatsgeheimnis.«

      Skeptisch hob er seine Schultern und begann mit seinem Bericht.

      »Das muss doch spannend sein, überall auf der Welt in alten Gemäuern herumzuklettern und solche Entdeckungen zu machen«, meinte McGinnis, als der Professor geendet hatte. »Sie sind ja quasi immer auf der Jagd nach dem nächsten Abenteuer.«

      Lamondt quittierte die Äußerung mit einem belustigten Kopfschütteln.

      »Das ist das Bild unserer Arbeit, wie es sich für Außenstehende zeigt, … aber letztlich völlig falsch. Wissen sie, Inspector, der größte Teil meiner Arbeit findet in Bibliotheken und vertieft in staubige Bücher statt. Die meiste Zeit verbringe ich mit Vorbereitungen, Studien und Recherche und dem Erkennen oder deuten von Zusammenhängen.« Er lächelte. »Aber ich würde lügen, wenn ich sagte, dass mir meine Arbeit keinen Spaß macht. Abenteuer wie Sie sie gerade beschreiben sind jedoch eher Filmhelden wie einem Indiana Jones vorbehalten«, fügte er in Anspielung auf den bekannten Kinoarchäologen hinzu.

      Jetzt war Lamondt in seinem Element. Er erzählte noch eine Weile von seiner Arbeit, ehe Blake mit einem Blick auf die Armbanduhr zum Aufbruch drängte.

      Kapitel 9

      E

      s ging bereits auf halb sieben zu, als Blake und McGinnis das Archäologische Institut verließen. Ohne ein Wort schritten sie zu einem der nahe gelegenen Parkplätze der Universität, auf dem sie ihren Land Rover Defender abgestellt hatten.

      »Und, … was meinst du?«, fragte McGinnis neugierig, als Blake eingestiegen war und er selbst hinter dem Lenkrad Platz genommen hatte.

      Sein Kollege und Freund schwieg eine Weile. Nachdenklich sah er zum Fenster hinaus.

      »Du erinnerst dich an unser Erlebnis in Inverness?«, erwiderte er nur. Er erwartete darauf im Grunde keine Antwort, denn ihm war klar, dass McGinnis das Abenteuer auf keinen Fall vergessen haben konnte [2].

      »Na klar, wie könnte ich das vergessen«, nickte McGinnis entsprechend. Tiefsinnig sah er ihn an. »Du fragst dich sicher die ganze Zeit, ob wieder ähnliche Dinge im Spiel sind.« Mit einem Schmunzeln fügte er hinzu: »Ich gehe mal davon aus, dass du nicht an eine Wiederauferstehung von Prof. Argyll glaubst, oder?«

      »Nein, auch wenn man sich da nicht sicher sein kann«, gab Blake zurück. »Aber sollte Witherspoon mit seiner Vermutung recht haben, dass in den beiden Fällen ein Verbrechen vorliegt, dann sagt mir mein Bauchgefühl, es hat etwas mit den Ausgrabungen in Durness zu tun. Ich kann es nicht erklären, aber auf irgendeine Weise sind die beiden Todesfälle damit verknüpft.«

      »Vielleicht bringt es uns weiter, wenn wir die Liste der einzelnen Artefakte studieren, die uns der Professor überlassen hat.«

      »Die schaue ich mir heute Abend noch an. Es ist durchaus denkbar, dass sie uns einen wichtigen Hinweis liefert.« Blake warf einen Blick auf die Uhr und klopfte sich leicht mit der rechten Hand auf den Oberschenkel. »Lassen wir es für heute gut sein. Ich möchte noch einen überraschenden Besuch bei Kimberly machen. Sie ist ja für ein paar Tage bei ihrem Bruder, wie du weißt. Macht sie ja immer, wenn sie beruflich in der Nähe ist.«

      McGinnis lachte.

      »Na, dann ab zum Hotel. Ich springe raus und du nimmst den Rover«, schlug er vor. »Morgen ist bekanntlich auch noch ein Tag.«

      »Ganz genau«, grinste Blake.

      Eine Viertelstunde später sprang McGinnis vor dem Hotel aus dem Wagen, in dem sie für die Zeit ihres Aufenthalts in Edinburgh einquartiert waren, und Blake setzte sich ans Steuer.

      »Dann viel Spaß!« McGinnis hob noch grüßend den Arm und rief ihm im Gehen ein fröhliches Bis morgen zu.

      Kimberlys Bruder Anthony wohnte in Inverness, knappe 155 Meilen, also gut drei Autostunden von Edinburgh entfernt. Er hatte also ein gutes Stück zu fahren und hoffte gegen kurz nach zehn einzutreffen. Er freute sich auf Kimberly und auch darauf ihren Bruder nach längerer Zeit einmal wieder zu sehen.

      Er hatte die A9 noch nicht erreicht, als sich plötzlich seine Augen weiteten. Von einem Augenblick auf den anderen war der Rover von wallenden Nebelschwaden eingehüllt. Instinktiv trat er auf das Bremspedal, um den Wagen zum Stehen zu bringen …

      …