und anschließend standen ein paar Einkäufe an. Wenn meine Partner heute Abend zum Essen kämen, sollte ich auch irgendwas im Kühlschrank haben.
Ich parkte mein Schiff gleich gegenüber von Mao’s, ließ George im Auto und schlenderte über die Straße, wobei ich mich unglaublich unauffällig nach finsteren, vielleicht gar humpelnden Gestalten umsah, die mir Böses wollten. Finstere Gestalten gab es reichlich, einige davon humpelten auch – aber: hey das war Venice Beach. Nach Mafia sah aber niemand aus.
***
So ziemlich zur gleichen Zeit saß Tyler bei Humberto’s, nippte an einem eiskalten Dos Equis und trommelte genervt mit den Fingern auf der Tischplatte. Tim kam – Überraschung! – wieder mal zu spät. Tyler liebte ihn, aber er verfluchte ihn auch oft und inbrünstig. Im Ernstfall konnte er immer auf ihn zählen, aber in jedem nicht ganz so ernsten Fall war Tim weit davon entfernt, durch Zuverlässigkeit oder Pünktlichkeit zu glänzen. Da die beiden in Santa Monica lebten, sich ihr Büro aber in Hollywood, in der La Brea nahe der Melrose Avenue befand, war nicht anzunehmen, dass Tyler wieder nach Hause gefahren war, um sich umzuziehen. So sehr dürfte ihn Tylers Anschiss nicht beeindruckt haben, dass er diese Strecke auf sich genommen hätte.
Mit zwanzig Minuten Verspätung kam ein strahlender Tim ins Lokal geschlendert, winkte dem Wirt fröhlich zu, begrüßte dessen Frau Rosalia mit einer herzlichen Umarmung und einem Kuss auf die Wange und kam an Tylers Tisch. Der sah ihn stumm an und hatte trotz seiner Verärgerung echte Mühe sich das Grinsen zu verkneifen. Tim im Anzug. Nicht irgendeinem Anzug. Einem strahlend, leuchtend, knallig, oh Gott: unfassbar blauen Anzug, darunter ein dünnes gestreiftes T-Shirt und an den Füßen weiche braune Lederslipper.
„Wette verloren?“
Tyler grinste bei der Frage.
„Ich hab mir einen Vorschuss auf den neuen Job genommen und einen kleinen Einkaufsbummel gemacht“, antwortete Tim. „Ich muss ja jetzt wohl auch so geschniegelt im Büro auftauchen wie Du.“
„Wie viel?“
„Wie viel was?“
„Wie viel hat dieser Anzug gekostet? Oder hat ihn Dir Don Johnson geschenkt?“
„Gefällt er Dir nicht? Ich finde, ich sehe ganz OK damit aus.“
„Setz Dich her, Timmy. Wir müssen mal über Stil und Geschmack reden.“
„Er gefällt Dir nicht.“
Tim guckte gekränkt.
„An dem Anzug ist nichts verkehrt, was sich nicht durch eine gute Textilfärberei beheben ließe. Das T-Shirt ist super, solange Du es nicht zum Anzug trägst. Und die braunen Slipper sind wirklich chic. Zu einem anderen Anzug. Zu einem, der nicht blau ist. Jetzt trink ein Bier mit mir, und dann essen wir was. Ich habe mittlerweile Hunger.“ Tyler tippte auf seine flache weißgoldene Uhr.
„Bin ich zu spät?“ Tim schaute auf seine Taucheruhr. „Oupps... sorry!“
„Bist Du. Trotz Deiner viel zu großen Armbanduhr. Für Dich auch das Carne Asada und ein Dos Equis?“
Tim nickte stumm.
Tyler winkte Rosalia herbei und tätschelte dabei Tims Handrücken.
„Nach dem Essen gehen wir zu meinem Schneider im Fashion District und machen Dich landfein, OK?“
***
Satt und zufrieden kehrte ich zu meinem Wagen zurück. George wedelte geistesabwesend mit dem Schwanz, pennte aber weiter, als ich die Fahrertür aufschloss. Ich stieg ein, wobei mir fast mein Colt in die Hose gerutscht wäre, ließ den Motor an und fuhr Richtung Einkaufszentrum. Ich kam mir ein bisschen übervorsichtig vor – und ein bisschen paranoid – als ich zwei Mal unmotiviert abbog und Haken schlug, um zu sehen, ob irgendwer diese Manöver mitmachte. Tat keiner. Was ja auch logisch war, die Kerle wussten ohnehin, wo sie mich finden konnten.
Paranoia hin oder her, mein erster Weg führte mich zu einem Hardware Store, wo ich, neben einem Sack Holzkohle einen relativ schweren und recht massiven Safe erwarb. Mithilfe des Verkäufers gelang es, dass Ding in den Buick zu schieben, der spürbar in die Federn sackte. Der Schrank war zwar nicht Fort Knox, aber zur künftigen Aufbewahrung meiner Negativordner vermutlich sicher genug. Und Platz für Wertsachen wäre auch noch darin. Jetzt musste ich mir eigentlich nur noch ein paar Wertsachen besorgen.
Der benachbarte Waffenladen hatte ein leichtes Schulterhalfter aus Nylon für meine .38er. Und eine Schachtel Munition. Wenn schon, dann sollten mir im einsamen Gefecht mit den Gangstern wenigstens nicht die Kugeln ausgehen. Oder der Colt aus der Hose rutschen. Mir war natürlich klar, dass es im Prinzip ein Unding war, dass man Waffen, Munition und all den Kram so unkompliziert gleich neben dem Baumarkt kaufen konnte. Im Moment war ich allerdings ganz froh darüber. Konsequenz in Prinzipienfragen war ohnehin nicht meine Stärke. Und das bisschen, das ich mal besessen hatte, hatte ich bei der Umsiedlung in die USA ganz schnell ad acta gelegt.
Die meiste Zeit verschlang der Einkauf der Lebensmittel. Beladen mit einem halben Dutzend großer brauner Papiertüten schob ich eine Stunde später meinen Einkaufswagen über den Parkplatz und packte alle Einkäufe auf die Rücksitzbank des Kombis. George stellte sich schlafend, vermutlich um nicht helfen zu müssen. Ich stieg ein, ließ den Motor an, wendete und ließ den Buick in Richtung Downtown Los Angeles rollen.
Es war nicht allzu viel Verkehr und nach knapp fünfundzwanzig Minuten parkte ich den Wagen schräg gegenüber einem altmodischen Laden, an dessen Fenstern in gemalten, goldverzierten Lettern „Valdez & Son“ zu lesen war. Darunter „Newspapers, Tobacco and Fine Cigars“. Letzteren galt mein Verlangen.
***
Benito Verusco legte sein verbundenes Bein auf einen Hocker, wobei er wegen der Schmerzen das Gesicht verzog. Das klappte auch nur bedingt, denn seine Unterlippe war aufgeplatzt, seine rechte Wange unter dem Auge dick geschwollen und auf der Stirn prangte eine prächtige Beule.
Gegenüber auf der dunkelroten Couch saß Luca Denaro, sein ebenfalls verbundenes Bein hochgelagert. Er sah nur unwesentlich besser aus.
„Ihr Armen!“ Marc Roberts, der vor 46 Jahren als Marco Robertelli in die USA gekommen war, schlug Benito im Vorbeigehen freundschaftlich auf die Schulter. „Da hat man Euch ja ganz schön zugerichtet. Das muss ja entsetzlich weh tun. Ein Schuss durch die Kniescheibe. Furchtbar. Tut mir echt Leid, Jungs.“
Benito und Luca nickten zustimmend.
„Unser Auftraggeber ist ein ganz kleines bisschen verstimmt, weil Ihr nichts erreicht habt. Was tun wir denn jetzt?“
„Das schaffen wir schon noch“, erwiderte Luca. „Sobald wir wieder halbwegs laufen können.“
Marc schüttelte den Kopf. „Das kann Wochen dauern. Und so viel Zeit haben wir nicht.“
„Ach was, nächste Woche sind wir wieder auf dem Damm. Du musst einfach Vertrauen haben in Luca und mich.“
„Hab ich doch, Jungs. Und bis es soweit ist, werde ich was gegen Eure Schmerzen tun.“ Er lächelte.
Mit einer flüssigen Bewegung zog er eine schallgedämpfte Automatik aus der Jackentasche, und immer noch lächelnd schoss er Benito und Luca genau in die Mitte der Stirn. Das leise Plopp, das den beiden sicher bekannt vorgekommen wäre, konnten sie schon nicht mehr hören.
Marc trat beide mit seinen eleganten schwarzen Slippern in die Seite. Sie rührten sich nicht mehr. Dann griff er zu seinem Handy und drückte eine Kurzwahltaste.
„Die zwei Amateure machen uns keine Probleme mehr. Wie soll es jetzt weitergehen?“
***
Catherine Remington lenkte ihr Mercedes Cabriolet über die halbkreisförmige Auffahrt zu ihrem Haus in Beverly Hills. Der Kies knirschte unter den Reifen ihres Wagens. Lucy, ihre 11jährige Tochter saß bedrückt auf dem Beifahrersitz. Ihre Mutter war heute ungewohnt schweigsam gewesen. Während der ganzen Fahrt von der Schule bis nach Hause hatte sie nur ein paar knappe