Nick Hermanns

In der Hitze Havannas


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Angst.

      Catherine hatte während der Fahrt über ihr Gespräch mit diesem schwarzen Detektiv nachgedacht. Ob es ein Fehler war, ihn zu beauftragen? Er wirkte sehr kompetent und energisch. Er hatte versucht, sie zu beruhigen und ihr Mut zu machen. Gott, es würde schon alles gut gehen. Daran musste sie einfach fest glauben.

      Vor dem Eingang zu ihrem Haus bremste Catherine scharf und zog eine Spur in den geharkten Kies.

      „Komm Kleines, nimm Deine Schultasche und dann ab mit Dir auf Dein Zimmer. Dein Bruder kommt heute Abend zum Essen. Ich möchte, dass Du bis dahin Deine Hausaufgaben fertig und wenigstens eine halbe Stunde Klavier geübt hast, verstanden?“

      „Klar Mom.“ Lucy nickte und griff nach ihrer Tasche.

      „Gut, Schatz.“

      „Hallo Misses Catherine, hi Lucy“, begrüßte Myrna die beiden in der geöffneten Haustür. Mit ihren 72 Jahren war sie immer noch Haushälterin, Köchin, Kindermädchen und Putzfrau in Personalunion. Sie hatte schon bei der ersten Frau von Oliver Remington gearbeitet.

      „Gibt es Nachricht von Mister Oliver?“ Myrna war vor die Tür getreten und sah Catherine besorgt an. Es war ihr rätselhaft wie gelassen sie mit dem Verschwinden ihres Mannes umging. Die erste Misses Remington wäre umgekommen vor Sorge. Aber natürlich reagierte jeder anders in einer solchen Situation. Ihr stand letztlich kein Urteil darüber zu.

      „Nichts Neues, Myrna. Ich war heute bei einem Büro für Ermittlungen. Ich hoffe, dass die Leute dort herausbekommen, was mit meinem Mann geschehen sein... also, wo er sein könnte.“

      Myrna nickte stumm. Sie machte sich große Sorgen.

      ***

      Zuhause angekommen schaffte ich nacheinander die Holzkohle, tonnenweise Lebensmittel, meine kleines Waffenarsenal und ein Holzkistchen mit einer netten Zigarrenauswahl ins Haus. Den Safe ließ ich im Wagen. Der war alleine nicht zu schaffen und George machte wieder mal nicht den Eindruck, als wolle er helfen.

      „Du bist ein fauler Hund“, schalt ich ihn.

      Er lächelte mich an und sagte nichts. Ich kannte das schon.

      „Hunger?”, fragte ich.

      Er unterstrich sein Lächeln mit heftigem Schwanzwedeln.

      „Na komm.“

      Ich öffnete eines dieser Aludingens mit überriechendem – für Hundenasen also vermutlich köstlich duftendem – Hundefutter und kippte es in seinen Fressnapf. Außerdem füllte ich seine Wasserschale auf. Dann räumte ich die Einkäufe in die Küchenschränke und in den Kühlschrank, die Zigarren kamen in den Humidor. Das Schulterhalfter samt Munition landete erst mal auf Küchentisch. Darüber würde ich noch nachdenken müssen. Die Holzkohle hatte ich gleich auf der Terrasse stehen lassen. Jetzt schüttete ich einen Schwung davon in den Anzündkamin und stellte das ganze auf den Kugelgrill.

      Es war mittlerweile später Nachmittag. Tim hatte angerufen und mich wissen lassen, dass er mit Tyler zusammen gegen sieben Uhr am Abend bei mir sein würde. Er hatte durchblicken lassen, dass beide auf etwas Gegrilltes und angemessene Getränke spekulierten. Und dass es Neuigkeiten gäbe. Nicht in Bezug auf den gestrigen Überfall allerdings. Mehr hatte er nicht verraten wollen.

      Ich ging ins Bad im Obergeschoss und schaute in den Spiegel. Der Bluterguss unter dem Auge war beeindruckend, das Pflaster an der Stirn durchgeblutet, und meine beiden wackelnden Zähne wackelten immer noch. Ich hatte den Verdacht, dass sich das ohne zahnärztlichen Einsatz auch nicht ändern würde. Aber das konnte warten. Ich zog vorsichtig das Pflaster von der Stirn und ersetze es durch ein frisches. Die Wunde sah einigermaßen vertrauenerweckend aus und würde wohl zuheilen.

      Ansonsten sah ich aus wie sonst auch: graue kurz geschorene Haare und grau-weiß gesprenkelte Bartstoppeln, die aussahen als jemand Pfeffer und Salz verschüttet. Mehr Salz als Pfeffer allerdings. Seit ich in Kalifornien lebte, hatte die Sonne für eine gesunde Gesichtsfarbe gesorgt, aus der meine blauen Augen herausleuchteten. Unbestreitbar war ich sechzig, sah aber nur wenig älter aus als neunundfünfzig.

      Ich war froh, dass die Niere kaum noch schmerzte. Auch der Rest von mir tat nur noch verhalten weh.

      Zurück in der Küche nahm ich mir ein Bier aus dem Kühlschrank und setzte mich auf die Terrasse. Das Wetter war wieder mal ausgesprochen südkalifornisch, sodass dem Grillabend keine Gefahr drohte. George legte sich neben mich, sagte aber kein Wort. Ich tätschelte seinen Kopf und sagte auch nichts.

      ***

      Marc Roberts traf seinen Auftraggeber in einem Parkhaus, Downtown an der Central Avenue. Beide blieben in ihren Wagen sitzen und standen so, dass sie sich bei heruntergelassenen Fenstern unterhalten konnten.

      „Ich würde gerne hören, dass das Problem gelöst ist, Roberts“, sagte der Mann in dem silbernen Cadillac Coupe. „Und ich würde mich gerne darauf verlassen können, dass mein Sicherheitschef in der Lage ist, ein paar Bilder aus der Welt zu schaffen, die ein harmloser Fotograf aus Deutschland versehentlich gemacht hat. So schwer kann das doch eigentlich nicht sein... oder täusche ich mich da?“

      „Es gab Probleme, Sir. Der Mann hatte Hilfe von zwei Kerlen, die offenbar gut trainiert und außerdem bewaffnet waren. Meine Leute sind tot. Natürlich werde ich mich weiter um die Sache kümmern.“

      „Und was genau gedenken Sie zu tun? Zwei weiter Amateure hin schicken?“

      „Ich werde mich selber im Haus umschauen. Es kann ein bisschen dauern und ich würde gerne vorher dafür sorgen, dass er eine Weile nicht zuhause auftaucht. Geben Sie mir ein bisschen Zeit.“

      „Sie wissen sehr genau, Roberts, dass wir nicht so wahnsinnig viel Zeit haben. Wenn die Fotos durch einen blöden Zufall publik werden, habe ich ein Problem. Und wenn ich ein Problem habe, dann haben Sie einen ganzen Sack voll Probleme. Dafür kann ich sorgen. Verstehen wir uns?“

      „Natürlich, Sir. Aber ich denke, der Kerl hat keine Ahnung, auf was für Material er da sitzt. Ich werde tun, was ich kann.“

      „Ich bin mir nicht sicher, ob mir das reicht, Roberts. Weil ich langsam Zweifel an Ihrem Können habe.“

      „Verlassen Sie sich auf mich, Sir.“

      Die Scheiben des Cadillac glitten lautlos nach oben und der Wagen setzte sich sanft in Bewegung.

      Roberts fluchte vor sich hin. Wenn dieses arrogante Arschloch glaubte, ihn mit reinreißen zu können, hatte er sich getäuscht. Er hatte schließlich niemanden getötet. Zumindest keinen Unschuldigen. Er trat energisch auf das Gaspedal seines schwarzen Geländewagens und fuhr mit wimmernden Reifen die Rampe des Parkhauses hinunter.

      ***

      Die Holzkohle im Anzündkamin hatte eine schöne graue

       Ascheschicht. Auf dem Klapptisch neben dem Grill lagen drei T-Bone-Steaks, die zusammen etwa die Größe Liechtensteins hatten. Ich hatte eine Schüssel Cole Slaw gemacht und einen alten Coca-Cola-Kühler aus doppelwandigem Blech mit Eiswürfeln gefüllt. Darin dümpelten zehn Flaschen Dos Equis. Die Steaks hatte ich im Sous-Vide-Garer auf den Punkt vorgekocht und dann in Alufolie warm gehalten.

      Tim und Tyler waren – vermutlich Dank Tyler – pünktlich. Um zwei Minuten vor sieben hörte ich, dass auf der Straßenseite das Tor geöffnet und ein Jaguar geparkt wurde. Eine Minute später kamen die beiden den Weg am Haus vorbei auf die Terrasse.

      Es dauerte allerdings einen Moment, bis mir klar war, dass der elegante junge Mann neben Tyler wirklich Tim war: er trug einen leichten anthrazitgrauen Anzug, der lässig und weich fiel, dazu ein paar schwarze Pferdelederschuhe, die teuer aussahen und ein graublaues Hemd mit einer blau-grau gestreiften schmalen Krawatte. Ich pfiff leise durch die Zähne.

      „Wow. Im ersten Moment dachte ich, Tyler hätte einen neuen Freund“, sagte ich, während ich Tim umarmte. „Schön, dass Ihr hier seid.“

      Tyler legte mir freundschaftlich den Arm um die Schultern.

      „Klar