Alexander Mosca Spatz

Pfad des Feuers


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      „Nein, nein, aber ich hatte ein bisschen mehr erwartet … am Anfang. Bis ich Gerüchte darüber gehört habe, dass du uns gar keine Hilfe sein willst; bis ich gehört habe, dass es in der Stadtgarnison eine Frau gibt, die dir verdammt nochmal ähnlich sehr sieht, bei den drei Säulen!“

      Nun erhoben sich auch die anderen Banditen von ihren Stühlen und stießen ein empörtes Knurren aus; beschwichtigend hob Luciana die Hände.

      „Das sind schwere Anschuldigungen, die du hier gegen mich erhebst, Drake“, mahnte sie ihn ruhig und erhob sich nun ebenfalls von ihrem Stuhl.

      „Ich habe niemals den Gedanken gehegt euch zu verraten!“, fuhr sie fort und blickte jedem einzelnen direkt in die Augen, „immer habe ich mich auf eure Seite gestellt, nachdem ich erkannt hatte, welche Tyrannei der Orden tatsächlich betreibt. Ich war einmal auf der anderen Seite des Gesetzes, das will ich nicht leugnen! Aber diese Zeiten sind schon lange vorbei! Ich bin eine von euch und ich will auch eine von euch sein, wenn wir uns endlich aus der Kanalisation hinaustrauen und dem Orden zeigen, wo er sich seine Vorstellung von Gerechtigkeit hinstecken kann!“

      Sie schlug geräuschvoll auf den Tisch und ließ ihre Worte im Raum wirken, verstummte und trat einen Schritt von dem Tisch zurück.

      Wie leicht es mir gefallen ist, die hohe Ordnung unseres Gottes als Tyrannei darzustellen, stellte sie verwundert fest und biss sich ein wenig auf die Unterlippen.

      Sollte es mir nicht wesentlich schwerer fallen, den Namen meines Gottes in den Dreck zu ziehen? Ich sollte gerade einen inneren Kampf bestreiten zwischen meinem Glauben und dem, was ich sage … fiel es mir vielleicht deshalb so leicht, weil ich im Grunde ihrer Meinung bin? Weil ich in Wirklichkeit nicht auf der Seite des Ordens stehe, sondern nur versuche, zu überleben?

      Sie schüttelte den Kopf und vertrieb ihre Zweifel; darüber konnte sie sich später noch Gedanken machen – nun musste sie erst einmal überleben.

      „Ihr dreht euch im Kreis“, flüsterte auf einmal eine ruhige, tiefe Stimme und alle fuhren kurz erschrocken zusammen, blickten sich nach dem Urheber der Stimme suchend um.

      Die Gestalt trat hinter Luciana an ihren Stuhl und legte behandschuhte Finger an dessen Rückenlehne. Lucianas Finger ballten sich zu Fäusten.

      Wie konnte er sich so an mich heranschleichen? Ich habe rein gar nichts gehört!

      Sie beruhigte sich gewissenhaft und schloss kurz die Augen, bevor sie sich im Sitzen umwandte und direkt in den Schatten der Kapuze starrte.

      „Ach ja?“, hakte sie keck nach und hob gespielt abfällig eine Braue.

      „Wir drehen uns also im Kreis, ja? Und was machst du? Was unternimmst du, um gegen den Letzten Herrscher zu kämpfen? Oder bist du nur hier, weil du denkst, deine Stimme zählte etwas?“

      Der Mann unter der Kapuze schüttelte leise lachend seinen Kopf und trat hinter dem Stuhl hervor.

      „Genau das ist euer Problem … ihr kämpft gegen den Letzten Herrscher; nicht für die Bürger. Deswegen seid ihr so wenige. Deswegen schlottern die Kinder und Frauen nachts vor Angst in ihren Häusern, weil sie wissen, dass ihr einbrechen könntet. Weil sie wissen, dass ihr …“, er deutete auf jeden einzelnen Anwesenden, „dass ihr anstatt ihnen zu helfen, das nehmt, was der Letzte Herrscher ihnen gegeben hat. Sie werden euch niemals als Befreier ansehen können, solange ihr sie grausamer knechtet als der Letzte Herrscher es tut und ihr seid zu töricht, dies zu begreifen.“

      Luciana atmete zischend ein, als er die Banditen beleidigte, jedoch hatte er offensichtlich nicht begriffen, dass sie sich nicht gerne angreifen ließen oder es kümmerte ihn einfach nicht.

      „Wisst ihr überhaupt noch, weswegen ihr den Letzten Herrscher so hasst? Wisst ihr überhaupt noch, weshalb ihr gegen ihn kämpft, warum ihr euch in diesem dunklen Kämmerchen verkriecht und euch euren illusionistischen Träumen von einer Welt ohne ihn hingebt? Oder hasst ihr ihn einfach nur um des Hassens Willen? Weil ihr jemanden braucht, den ihr verachten könnt, dessen Gesetze ihr brechen könnt?“, fuhr der Mann leise fort und stemmte die Hände in die Hüften.

      Drake verzog seine Augen zu Schlitzen und trat näher an den Mann heran, der Griff um seinen Streitkolben verhärtete sich.

      „Wir sind nicht alleine, Tranidaner!“, spuckte er aus.

      „Gestern Nacht hat jemand in der Kirche den alten Godric abgestochen, abgeschlachtet wie eine Sau! Die Paladine haben versucht es zu vertuschen, aber auch wir haben Kontakte in den Reihen des Ordens. Ha!“

      Drake fuhr mit dem Streitkolben geräuschvoll durch die Luft und die anderen Banditen stimmten in sein Jubelgeschrei mit ein, während Luciana meinte, ihre Beine würden weg knicken.

      Bei den drei Säulen! Godric … tot? Niemals! Das kann nicht wahr sein! Niemand tötet einen Priester des Letzten Herrschers! Niemand würde Hand an einem heiligen Mann anlegen, vor allem nicht an Godric …

      Sie schnappte nach Luft und in der selben Bewegung fuhr ihre Hand zu dem Amulett um ihren Hals, das Godric ihr geschenkt hatte; das Metall des Amuletts war beruhigend warm und nur dank des Anhängers konnte Luciana nachts ruhig schlafen.

      Godric hat mir geholfen, meine magischen Kräfte zu bannen, nachdem meine Zieheltern ermordet wurden. Er gab mir das Amulett, das meine magischen Kräfte im Zaun hält und bannt, bevor sie weiteren Schaden anrichten können. Er darf nicht weg sein!

      „Nein!“, stieß sie fassungslos aus und wich einen Schritt zurück, kurz trat die Trauer klar deutlich auf ihr Gesicht und Drake lachte triumphierend auf.

      „Habe ich es nicht gesagt! Sie trauert um diesen Mistkerl, der die Adepten seit hundert Jahren zu Paladinen schlägt. Jeder Paladin, der heute lebt, ist eine Missgeburt, die er hervor gebracht hat. Wieso sollte dich das mitnehmen, wenn du doch gegen den Orden, den Letzten Herrscher und dessen Priester stehst?“

      „Halt den Mund!“, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und unternahm keinen Versuch mehr, ihre zitternden Fäuste zu verstecken.

      Drake erstarrte und die Jubelschreie verstummten schlagartig; jeder starrte sie ungläubig an, nur nicht der vermummte Mann. Er sah sie nur schräg von der Seite an und schnalzte leise mit der Zunge.

      „Was hast du gesagt?“, wollte Drake wissen und kam langsam näher, wie ein Raubtier, dass seine Beute langsam abpasste; Luciana rührte sich nicht, funkelte ihn einfach nur weiter hasserfüllt an.

      „Ich sagte, du sollst dein verdammtes Maul halten!“, wiederholte sie laut hörbar und setzte ein grimmiges Lächeln auf.

      „Soll ich es nochmal für dich wiederholen? Oder traust du dir zu, dass du meine Worte jetzt verstanden hast?“

      Drakes Kinnlade klappte fassungslos nach unten, dann brüllte er wütend auf und stürzte sich auf sie, hob den Streitkolben hoch über seinen Kopf und Lucianas Hand schoss zu dem versteckten Dolch in ihrem Unterarmschutz und wich zurück, um dem Hieb zu entgehen. Doch der vermummte Mann trat zuweilen gelassen einen Schritt vor, griff nach dem Schwert an seinem Rücken und Drakes Augen weiteten sich; es geschah alles übermenschlich schnell.

      Metall von einer in einem Sekundenbruchteil gezogenen Klinge blitzte auf, ein Schrei ertönte und etwas fiel auf den staubigen Boden. Mit einem Aufschrei fiel Drake auf die Knie, rollte sich auf die Seite und umklammerte seinen blutenden Armstumpf. Sein Unterarm lag auf dem Holzboden, die tote Hand immer noch den Griff des Streitkolbens umklammernd. Die anderen Banditen sprangen entsetzt auf, zogen entgeistert ihre Waffen.

      „Keiner von euch wird ihr auch nur ein Haar krümmen“, stellte der Mann unmissverständlich klar und seine Stimme klang immer noch so beherrscht, als säße er gerade in einer gemütlichen Taverne.

      „Wer es versucht, darf seine Männlichkeit danach gerne auf dem Boden suchen“, fügte er noch hinzu und die Banditen wichen einen Schritt zurück; er hatte für den Hieb gegen Drake den Bruchteil eines Moments gebraucht und selbst Luciana hatte seinen Arm nur noch verschwommen gesehen!

      „Was bist