M.E. Lee Jonas

Die kuriosen Abenteuer der J.J. Smith 01: Oma Vettel


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verlangen, dass Sie verstehen, warum ich mich erst jetzt melde.

      Aber ich möchte Sie trotzdem um die Erlaubnis bitten, meine Enkelin diese Ferien zu mir holen zu dürfen. Wie mir Mrs. Rogan berichtete, hat Jezabel die Ferien sonst immer mit Ihrer Familie verbracht und auch die kommenden Feiertage haben Sie wohl mit ihrer Anwesenheit gerechnet.

      Deshalb möchte ich mich für diese kurzfristige Entscheidung entschuldigen und hoffe, dass Sie mich eines Tages verstehen können.

      Ich werde Jezabel am Freitag gegen Nachmittag abholen, und sofern sich meine Hoffnung erfüllt, wird sie die gesamten Ferien auf meinem Anwesen in Havelock verbringen.

      Es grüßt Sie herzlichst

      Ophelia V. P. U. Gräfin von Winterhardt

      PS: Vielleicht könnten Sie mir einen Tipp geben, was meine Enkelin am liebsten mag.

      J.J. faltet den Brief zusammen und drückt ihn Pippa genervt in die Hand. Die streicht ihn sorgfältig glatt und legt ihn zurück in die Schublade.

      »Jezabel. So ein wunderschöner Name. Warum hast du ihn mir nie verraten?«, flüstert sie traurig, sodass J.J.sich plötzlich richtig mies fühlt. Bockig stellt sie sich in die Küche.

      »Was soll das alles? Ich habe es schon Zoé erklärt. Ich hasse diesen Namen! Ich verstehe nicht, warum sie sich all die Jahre nicht bei mir gemeldet hat und jetzt verlangt, dass ich springe. Es sind Weihnachtsferien! Ich bleibe nur ein Wochenende und komme dann wieder zu euch zurück! Ich kenne sie doch gar nicht!«

      Pippa stemmt empört die Hände in die Hüfte.

      »J.J. Smith, das ist deine Großmutter! Ich denke, dass du dir erst einmal anhören solltest, was sie dir zu sagen hat! Danach kannst du sie immer noch verurteilen!«, erwidert sie entrüstet.

      »Ich bin von Gott mit so viel Glück beschenkt worden. Ich wohne an diesem wundervollen Ort, habe diese wunderschöne Familie und lebe mit den begabtesten Kindern der Welt zusammen. All die Jahre habe ich gebetet, dass du auch ein wenig davon abbekommst. Ich liebe dich wie mein eigenes Kind, J.J. Aber ich kann dir die Antworten, die du brauchst, nicht geben! Die findest du nur dort draußen! Egal, ob morgen oder heute, wichtig ist nur, dass deine Großmutter dich wiedergefunden hat und du sie kennenlernen darfst. Ich bin nur traurig, weil es für mich das erste Mal ist, dass ich in den Ferien einen Teller weniger auf den Tisch stelle. Ich werde dich vermissen. Sehr sogar! Aber ich bin auch sehr glücklich, dass du ein Stück Normalität zurückbekommst!«, fährt sie besonnen fort.

      Bei dem Wort »Normalität« muss J.J. schlucken.

      »Wenn du wüsstest! In meinem Zimmer liegt ein Stein, mit dem ich in andere Welten reisen kann«, verunsichert sieht sie zu Zoé.

      Die rettet die Situation, indem sie ihr Gesicht schmerzlich verzieht.

      »Pippa, mir ist vorhin eine Vase auf den Fuß gefallen. Könntest du mal nachsehen, ob er noch zu retten ist?«, wirft sie laut in den Raum und streckt den Fuß mit dem großen Eisbeutel nach oben. Dabei verzieht sie das Gesicht ganz theatralisch. Das ist Pippas Stichwort! Seufzend eilt die Hausdame nach vorn und befiehlt Frida, sofort aufzustehen, damit Zoé den Fuß darauf legen kann. Sacht löst sie den selbst gebastelten Verband und begutachtet die Verletzung. Daraufhin holt sie eine grüne Flasche und saubere Tücher aus dem Medizinschrank.

      »Wenn man nicht ständig auf euch aufpasst! Was war das denn für eine Vase, die dir den halben Fuß zertrümmert hat? Beweg doch mal bitte deine Zehen!«, ordnet sie an.

      Zoé befolgt die Aufforderung und versucht sich zusammenzureißen, aber es tut höllisch weh.

      »Gebrochen ist nichts! Aber die drei Zehen sind verstaucht. Der Nagel vom Kleinen wird sich verabschieden! Ich tupfe dir jetzt das Wunderheilmittel meiner Großmutter darauf und verbinde ihn. Schuhe sind den Rest der Woche verboten! Ab morgen sind Clogs modern! Nach der Schule gehst du aber bitte zur Schulschwester.«

      Zoé unterdrückt einen Aufschrei, als Pippa ihr die verletzten Zehen verbindet. J.J. nutzt diese Gelegenheit und geht zum Herd. Sie wirft das kleingeschnittene Gemüse ins Chili und rührt beschäftigt die Zutaten in dem großen Topf um. Sie hat keine Lust mehr auf Erklärungen, da sie selbst nicht weiß, was hier vorgeht.

      Als das Mahl vertilgt und das Geschirr weggeräumt ist, nehmen sich alle eine Schüssel Chips und setzen sich ins Wohnzimmer, wo es eine riesige gemütliche Couchlandschaft gibt, auf der sich manchmal über fünfzehn Schüler versammeln. Heute sind sie nur zu fünft. Fred hat inzwischen die Beleuchtung sortiert und bringt sie nach draußen, um sie aufzuhängen. Die Mädchen und Pippa legen sich auf die Couch und schauen zum einhundertsten Mal »Titanic«.

      Ab und an wird J.J. wehmütig, wenn sie realisiert, dass sie das in den Ferien missen muss. An diesem Abend geht sie zufrieden ins Bett und hat auch keinen Albtraum.

      Am nächsten Morgen hakt sie Zoé unter und geht mit ihr zum letzten Unterrichtstag. Morgen, am Freitag, ist die Abschlussfeier für die Abgänger und da gibt es nur Dankesreden, Catering und jede Menge Tränen. Unterwegs sammeln sie wie immer William und Felder ein. Letzterer löst J.J. ab und trägt Zoé huckepack. Heute albern eigentlich alle Schüler und Lehrer nur noch herum. Es herrscht eine ausgelassene und fröhliche Stimmung in der gesamten Schule. Alle haben Spaß und freuen sich auf den Urlaub bei ihren Familien.

      Am Abend sitzen alle Campusbewohner noch einmal im Park zusammen und machen ein großes BBQ. Sie singen völlig alberne Lieder oder vertreiben sich die Zeit mit Scharade. Es ist schon spät, als die Letzten zu Bett gehen.

      Zoé und J.J. sind schon ziemlich früh auf ihr Zimmer gegangen, weil sie noch ihre Koffer packen mussten.

      »J.J., willst du nicht auch deine Sachen einpacken? Morgen wird es bestimmt stressig«, fragt Zoé, während sie sehr kreativ die letzten T-Shirts in ihren Koffer schmeißt.

      J.J. sitzt auf der Fensterbank und lässt verträumt die Beine baumeln. Teilnahmslos starrt sie aus dem Fenster und denkt nach.

      »Pippa will mir später helfen. Ich habe noch nie eine Tasche gepackt, um von hier wegzufahren. Auf jeden Fall nicht so lange. Ich warte erst mal ab. Vielleicht kommt ja gar keiner«, antwortet sie leise.

      Zoé geht zu ihrem Schrank und holt ein T-Shirt heraus, um das sie eine große, pinkfarbene Schleife gebunden hat.

      »Hier, das hat dir doch an mir immer so gut gefallen. Ich habe meine Mutter gebeten, mir noch eins davon zu schicken. Bitte nimm es mit und denk an mich, wenn du es trägst!«, sagt sie fast wehmütig.

      J.J. springt überrascht von der Fensterbank und sieht gerührt auf das Geschenk.

      »Das ist total genial! Ich werde es jeden Tag anziehen! Oh danke, Zoé. Ich werde dich so vermissen. Aber ich habe gar nichts für dich. Oder warte. Hier, nimm mein Armband. Dann hast du auch etwas, das dich an mich erinnert.«

      Die Freundinnen umarmen sich und zurren gemeinsam Zoé’s überquellenden Koffer zusammen. Als Pippa dazustößt, um J.J.s Sachen zu ordnen, sträubt sie sich demonstrativ, die ganzen Ferien wegzufahren. Wenn das Hausmädchen also fünf Pullover herauslegt, legt J.J. zwei in den Schrank zurück. Am Ende hat sie gegen Pippas Argumente jedoch keine Chance. Wehrlos ergibt sie sich dem Schicksal und packt ihre gesamte Sommerkleidung in die Taschen. Als sie anschließend ihr Zimmer aufgeräumt haben, ziehen sich die Mädchen um und legen sich schlaflos ins Bett.

      »J.J., wie willst du das mit dem Stein eigentlich machen?«, fragt Zoé plötzlich.

      J.J. starrt in die Dunkelheit und denkt konzentriert nach. Sie knipst ihr Licht an und schlägt die Bettdecke zurück. Dann schleicht sie zur Kiste, die sie heute Nachmittag mit Zoés Cello getarnt haben, und umkreist sie. Sie geht rechts herum und links herum, dann zurück und wieder nach vorne. Sie stemmt die Hände in die Hüften, kratzt sich am Kopf, sieht ratlos zu Zoé, geht zum Fenster und öffnet es. Sie setzt sich auf das Bett, legt sich hin, steht wieder auf und geht wieder zur Kiste. Zoé macht das ganz wuschig. Sie steht auf und stellt sich neben J.J.

      »Okay. Ich weiß nicht, was das ist. Aber angeblich kannst du mit diesem Stein irgendwohin