M.E. Lee Jonas

Die kuriosen Abenteuer der J.J. Smith 01: Oma Vettel


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sofort in ein Paralleluniversum. Vielleicht geht es ja mit Handschuhen? Oder mit einer Schaufel? Wir müssen diesen Stein doch irgendwie wieder in diese Kiste bekommen.«

      J.J. kneift die Lippen zusammen und überlegt.

      »Die letzten Wochen waren echt bizarr. Menschen fliegen in meiner Gegenwart durch die Luft. Papiere beginnen, wie von Geisterhand zu schweben. Wasserhähne zerplatzen ohne ersichtlichen Grund und mein Tablett wollte Britany enthaupten. Dann bekomme ich einen seltsamen Brief von einer noch seltsameren Großmutter und dieses Ding. Ich habe im Durchschnitt Bestnoten, also bin ich nicht minderstrukturiert oder verrückt. Lass uns nachdenken, Zoé! Vielleicht hängt wirklich alles irgendwie zusammen. Gib mir noch mal den Brief von meiner Großmutter!«

      Zoé holt den Brief aus der Kommode und gibt ihn J.J. Diese liest ihn sich mehrmals durch und schmeißt ihn genervt auf den Schreibtisch. Zoé gibt nicht so schnell auf und liest ihn noch einmal hochkonzentriert. Plötzlich kreischt sie laut auf und rennt zu J.J.

      »Was hast du gesagt? Du hast den Garten im Traum gesehen? Bitte halte mich jetzt nicht für verrückt. Aber ich denke, dass du nicht in deinem Traum landest, sondern in deiner Erinnerung! Also in deiner Vergangenheit. Wahrscheinlich träumst du auch nicht irgendetwas, sondern verarbeitest Erlebnisse aus deiner Kindheit. J.J., vielleicht erinnerst du dich langsam wieder!«, stottert sie aufgeregt los.

      J.J. stutzt und springt auf.

      »Zoé. Ich träume von einem Garten mit sprechenden Blumen, die auf meine Berührungen reagieren. Die Schaukel besteht aus echten Blüten, die dennoch nicht zerreißen, wenn ich mich hineinlege. Vom Himmel kommen riesige Spinnen mit Flügeln herabgeflogen, die fürchterlich Kreischen und mich jagen. Du meinst also wirklich, dass dies meine Vergangenheit ist?«

      Zoé überhört den Sarkasmus in J.J.s Stimme und hält ihr den Brief unter die Nase.

      »Vielleicht träumst du ja symbolisch. Also, nur stark übertrieben. Damit du dich endlich wieder erinnerst! Lies doch mal richtig. Hier steht: Öffne das Paket und erinnere Dich! Probier es doch noch einmal aus!«

      J.J. kann nicht bestreiten, dass sie Zoés These glaubwürdig findet, und fühlt sich irgendwie erleichtert.

      »Okay. Wenn ich ihn anfasse, transportiert er mich in diesen Garten. Zumindest meinen Geist, denn mein Körper ist ja noch hier und dreht sich wild im Kreis. Sobald ich den Stein ablege, bin ich wieder hier. Zoé. Setz dich auf dein Bett, und wenn es zu unheimlich wird, renn hinaus!«

      Sie nickt und setzt sich stocksteif auf ihr Bett.

      »Äh J.J., du hast noch deinen Pyjama an. Ist das egal?«, fragt sie kichernd.

      J.J. stockt einen Moment, läuft ins Bad und holt ihre Turnschuhe. Dann sieht sie ihrer Freundin tief in die Augen, hebt die Kiste hoch und betrachtet eine Weile den Stein. Nach einem tiefen Atemzug spannt sie alle Muskeln an und hebt den Stein mit einem Ruck hoch.

      Die augenblickliche Veränderung bemerkt sie zuerst nur am Geruch, der ihr einen freudigen Schauer über den Rücken laufen lässt. Als sie die Augen öffnet, ist sie trotz ihrer Erwartung verblüfft. Der Anblick des Gartens ist faszinierend und angsteinflößend zugleich. Die Schönheit dieses Ortes zieht sie sofort in seinen Bann.

      »Das ist ja irre. Ich kann teleportieren! Positiv: Ich kann bestimmen, wann ich hierhergehe, und der Garten ist wirklich wunderschön. Negativ: Es ist immer derselbe Ort und ich weiß nicht, wo er sich befindet oder was ich hier überhaupt soll. Neutral: Es weiß niemand davon. Na ja, außer Zoé.«

      Sie hält den Stein fest in den Händen und beschließt, sich etwas umzusehen. Sicherheitshalber geht sie erst einmal den bekannten Weg zu der exotischen Blütenschaukel.

      »Das ist der absolute Wahnsinn!«, jauchzt sie übermütig und schmeißt sich drauf.

      Die großen Blüten umschmeicheln sie sanft und positionieren ihren Körper perfekt, sodass sie sich fühlt, als würde sie schweben. Eine lang gesuchte Ruhe überkommt sie und hält sie für einen Moment gefangen.

      »Wenn ich nur wüsste, was ich hier soll«, denkt sie, während sie den Stein fest an sich presst.

      Da entdeckt sie neben sich auf einer gelben Riesenblüte einen aprikotfarbenen Schmetterling. Er ist ungefähr so groß wie ihr Handrücken und schwingt leicht hin und her. Dabei scheint ihm ihre Anwesenheit überhaupt nicht zu stören. J.J. beugt sich langsam nach vorn, um ihn besser betrachten zu können. Normalerweise würde sie wahrscheinlich ausflippen, wenn sie so einen mächtigen Schmetterling entdecken täte, aber hier an diesem bizarren Ort ist das anders. Je länger sie in dem Garten verweilt, um so vertrauter kommt er ihr vor.

      »Du kannst mir auch nicht sagen, was ich hier soll, oder?«, fragt sie leise, da sie das Tier nicht erschrecken möchte. Der Schmetterling öffnet langsam seine Flügel und dreht sich gemächlich in ihre Richtung. J.J. hat das Gefühl, er starrt sie an, als er sich plötzlich sanft in die Luft erhebt und davon fliegt.

      J.J. ärgert sich darüber, dass sie das Geschöpf vertrieben hat, und lacht schließlich leise über sich selbst.

      »Vor ein paar Stunden habe ich mich über ein fliegendes Tablett aufgeregt und nun sitze ich in einem magischen Garten und bin traurig, weil ein riesiger Schmetterling nicht mit ihr sprechen möchte.«

      Sie wird jäh aus ihren Gedanken gerissen, als plötzlich jemand zu ihr spricht.

      »Er kann es nicht! Aber ich kann dir helfen«, sagt die Stimme leise.

      J.J. dreht sich verwirrt um, kann jedoch niemanden entdecken. Sie hüpft von der Schaukel und schaut noch ein Mal nach oben.

      »Vielleicht hat es sich der Schmetterling ja anders überlegt.«

      Aber auch über ihr kann sie kein anderes Lebewesen entdecken. Den Stein fest in der Hand, ruft sie:

      »Hallo! Wer spricht denn da?«

      Es erfolgt aber keine Antwort.

      Sie beschließt, dass diese Reise lang genug war, und will gerade den Stein ablegen, als sie neben sich ein leichtes Rascheln vernimmt. Zu ihrem Erstaunen öffnet sich die Blüte der gelben Blume, auf der eben noch der Schmetterling saß.

      J.J. tritt sicherheitshalber einen Schritt zurück. Das wundersame Gewächs ist circa einen Meter hoch und hat große Trichterblüten, die ungefähr so lang wie ihre Arme sind. Mit aufgerissenen Augen beobachtet sie das unheimliche Spektakel, da die Trichter an die Fangarme einer fleischfressenden Venusfliegenfalle erinnern, die sich nun langsam im Kreis drehen. So wie die Windräder, die Kinder im Sommer in ihren Gärten aufstellen. Die Kelche ziehen sich langsam nach oben und geben ein sanftes Gesicht, mit zwei kleinen, kugelrunden, schwarzen Augen und einem zierlichen knallroten Mund frei.

      J.J. ist verblüfft, aber fürchten tut sie sich nicht. Die Blume räuspert sich und lächelt sie freundlich an. Dann verneigt sie sich tief, was J.J. etwas verunsichert. Sie überlegt, wie sie diesem Wesen gegenübertreten soll und beschließt, das zu tun, was sie am besten kann: Quasseln.

      »Oh, hi! Mein Name ist J.J. Smith und ich freue mich, Sie kennenzulernen Frau, äh, Frau Blume? Ich habe diesen Stein geschickt bekommen, der mich immer wieder an diesen Ort bringt. Jetzt frage ich mich oder besser gesagt Sie, wo ich hier eigentlich bin?«

      J.J. redet so hastig, dass man die letzten Worte kaum verstehen kann. Zum Abschluss ihrer Rede setzt sie noch ein entschuldigendes Lächeln auf, während sie den Stein wie ein Beweismittel in die Luft hält.

      Die Blume verzieht leicht verzückt den Mund.

      »Ich finde deinen richtigen Namen viel hübscher. Was soll das mit den Abkürzungen? Ich meine, bei deinem Namen mag das noch gehen. Aber ich stelle mir vor, du würdest Iris Ifelda heißen. Würdest du dich dann jetzt als I.I. vorstellen? Gar nicht auszudenken, wenn du Alberta Astha heißen würdest …Wenn du erlaubst, nenne ich dich Jezabel. So habe ich es immer getan. Meinen Namen kennst du übrigens auch. Du hast ihn nur vergessen! Aber weil ich dich so mag, werde ich heute auf Ratespielchen verzichten.«

      Die Blume verbeugt sich erneut und stellt sich der verdutzten