M.E. Lee Jonas

Die kuriosen Abenteuer der J.J. Smith 01: Oma Vettel


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zu viel! Meine Augen tun mir weh und mein Kopf brummt. Ich gehe jetzt zurück und lasse mir das sofort von Großmutter erklären. Ich glaube, es ist besser, wenn ich zurück nach Marton fahre, und zwar gleich morgen früh! Ein Einkaufszentrum als Ankleidezimmer ist ja lustig, aber dieser Voodoo-Mist ist einfach abartig. Da bin ich lieber eine Vollwaise und lasse mich weiter von Britany Hoilding nerven!«

      Sie steht auf und geht entschlossen zur Marmorsäule. Bevor sie den Stein herunternimmt, dreht sie sich noch einmal um und betrachtet traurig den Raum.

      »Ich vermisse dich, Pippa«, haucht sie wehmütig und schließt die Augen.

      Für einen kurzen Moment kann sie das Parfüm ihrer Ziehmutter wahrnehmen. Sie saugt den vertrauten Geruch tief ein und nimmt schnell den Gedankenstein von der Säule. Als sie wieder in ihrem Zimmer ist, warten dort schon Oma Vettel, Broaf, Lincoln und Diggler auf sie. Sie legt den Gedankenstein in die Kiste und starrt die Gemeinschaft trotzig an.

      »Gehört Anklopfen in Havelock noch nicht zum guten Ton?«, fragt sie zickig und sieht die Anwesenden böse an.

      Ihre Großmutter kommt unsicher auf sie zu.

      »Wir haben angeklopft, aber du hast nicht reagiert! Wir haben uns Sorgen gemacht. Nur deshalb sind wir einfach hereingekommen. Wir wollten dich nicht stören, Jezabel, aber du lebst in einem Haus voller Magie und das ist nicht immer ungefährlich. Entschuldige bitte unsere übereilte Besorgnis. Hast du deine Antworten gefunden auf dieser Reise?«, fragt sie ihre Enkelin leicht verärgert.

      Jezabel tritt ein Stück zurück und sieht sie fragend an.

      Aber sie kann im Moment ihre Gefühle nicht richtig einordnen.

      »Ist es Wut, weil ich mich vorgeführt fühle? Ist es Traurigkeit, weil sie mir so viele Jahre gestohlen haben? Oder ist es angst, weil ich nicht weiß, was sie eigentlich mit ihr vorhaben?« Mit bebender Stimme beginnt sie zu sprechen:

      »Ich habe Antworten gefunden, während sich gleichzeitig Neue aufgetan haben. Ich weiß nicht, was hier läuft, deshalb denke ich, dass ich über ein paar grundsätzliche Dinge aufgeklärt werden sollte! Auch wenn ich nun weiß, dass du mich tatsächlich nur verhext hast, um mich zu schützen, frage ich mich doch, warum dir das genau JETZT nicht mehr so wichtig ist! Du hast mir diesen Stein ohne irgendeine Anleitung in die Schule geschickt. Auch wenn er im Grunde nicht viel anrichten kann, weiß ich inzwischen, dass ich mich in meinen Erinnerungen verirren kann. Meine beste Freundin musste zusehen, wie ich mich wie eine Verrückte im Kreis drehe, und ich konnte ihr bis heute nicht erklären, warum das so war. Alle Erinnerungen, die bis jetzt zurückkamen, sind relativ harmlos. ABER! Nun musste ich Dinge erfahren, die ich gern verstehen möchte. Sollte sich herausstellen, dass sie nur halb so abscheulich sind, wie ich vermute, werde ich sofort abreisen! Also bitte! Ich setze mich dorthin und ihr werdet mir erklären, wer ich bin, was ich bin und vor allem was ihr gerade JETZT von mir wollt!«

      Aufgebracht stapft sie zu ihrem Schreibtisch und verschränkt provokativ die Arme. Broaf ist sehr nervös und zupft unentwegt am Frack herum, während Lincoln starr im Körbchen sitzt und unruhig hechelt. Diggler quetscht sich neben seinen Freund und grinst verlegen, da er hofft, dass er so die Stimmung harmonisieren könne.

      Nur Oma Vettel schreitet langsam auf J.J. zu.

      »Du wurdest am 9. Januar 1998 geboren. Deine Eltern waren Timothey und Cassy Smith, die fünfzehn Monate nach deiner Geburt bei einem schrecklichen Autounfall ums Leben kamen. Du hast diese Katastrophe nur überlebt, weil ich dich in letzter Minute retten konnte. Deine Eltern waren auf dem Weg zum Tor des weisen Phads, weil sie dich wegbringen wollten. Weg vom dunklen Phad und weg von mir! Dein Vater war kein Zauberer und hat alles Magische verabscheut. Um es mir richtig zu verdeutlichen, hat er bei seiner Hochzeit den Namen deiner Mutter angenommen. Smith! Somit hat er schon in diesem Moment mit unserer über sechshundert Jahre alten Familientradition gebrochen. Deshalb heißt du auch nicht von Winterhardt. Nach ihrem Tod wollte ich es dabei belassen, da es das Einzige ist, was sie dir hinterlassen haben. Niemand wusste, ob das Kind deiner Eltern schwarzes Blut haben wird. Als du geboren wurdest, erschien allerdings dein Name im Spiegel der Tore. Dein Name im Zauberreich ist Hexe Jezabel. Als dein Vater davon erfuhr, wurde er rasend vor Wut. Er sagte, dass er niemals zulassen würde, dass du eine Hexe wirst, und warf Darania und ihren Hexenrat beim traditionellen Neugeborenenempfang aus dem Haus. Ich wusste nicht, wie ich diesen Konflikt lösen sollte. Wir sind nun einmal eine Familie des dunklen Phads und noch nie zuvor hat ein Familienmitglied so offensichtlich gegen das Zauberreich rebelliert. Ich ließ nach der Tragödie etwas Zeit vergehen und freute mich einfach, dass es dich noch gibt. Du warst so wundervoll und sehr begabt. Aber das Schicksal geht seinen eigenen Weg. Eines Abends kam ein Halfie zu mir ins Haus und erbat sich Asyl.«

      Oma Vettel schaut kurz zu Lincoln, der sich vor lauter Aufregung ununterbrochen seine kleine Nase leckt.

      »Es war Lincoln. Er erzählte mir, das Darania plant, dich in den nächsten Wochen in ihr Reich zu entführen. Es war bei dir etwas komplizierter, denn dein Name erschien am Tage deiner Geburt zwar im Spiegel der Tore, aber weder Marla noch Darania gaben ihn bekannt, sondern der Spiegel selbst! Dein Name erschien in beiden Phaden gleichzeitig! Das heißt, du konntest schon vom Tage deiner Geburt an wählen, auf welcher Seite du deine Fähigkeiten nutzen möchtest. Darania wollte dir diese Entscheidung abnehmen und plante, dich also schon als Kleinkind in den dunklen Phad zu holen. Dein Vater hörte unser Gespräch mit und wurde mehr als zornig. Ich ging in den Keller zum Spiegel der Tore und erbat eine Audienz bei Marla, der Kindskönigin des weisen Phads. Ich erläuterte ihr mein Anliegen und bat sie um Rat. Sie bot deinen Eltern an, in ihr Reich zu kommen und mit Darania zu verhandeln. Den Rest kennst du ja.«

      Oma Vettel entfährt ein tiefer Seufzer. Sie sieht ihre Enkelin bittend an, doch diese winkt nur verachtend ab.

      »Das erklärt die eigentliche Situation aber nur oberflächlich! So hört sich das alles ja noch plausibel an. Aber ich habe auch in den Spiegel der Tore geblickt, und zwar im Moment meiner Geburt! Ich möchte endlich wissen, warum so ein Theater um mich gemacht wird. Und bitte keine Schönrederei mehr! Ich bin zwar erst knapp vierzehn Jahre alt, aber ich kann Gefahren relativ gut einschätzen. Ich habe Angst und ich weiß nicht, wovor. Aber ich weiß, dass ihr mir das erklären könnt!«

      Oma Vettel tritt erschrocken einen Schritt zurück und wird kreidebleich. Ihre Haare beginnen wild zu blinken und ihre Hände zittern stark. Hilfe suchend sieht sie zu Broaf, aber der Diener sieht selbst aus, als habe er gerade einen Geist gesehen.

      Ungläubig schüttelt die alte Dame den Kopf und sieht ihre Enkelin verstört an.

      »Das ist unmöglich! Niemand kann außerhalb seiner eigenen Wahrnehmung schauen!«, stammelt sie ungläubig und sieht ratlos zum Diener, der verkrampft nach Worten der Erklärung sucht.

      J.J. steht auf und geht zum Fenster.

      »Der Garten da unten ist mein Werk! Ich habe ihn erschaffen, als ich noch ein kleines Mädchen war. Deshalb konnte ich meinen Hort so schnell errichten. Als ich fortmusste, ist er verdorrt und verkümmert. Diesen Teil des Geschehens hast du leider unterschlagen. Wie so viele Dinge. Meine Erinnerungen kommen nur langsam zurück. Es wäre also nur fair, wenn du mir die ganze Wahrheit sagen würdest. Ich musste erneut Dinge erfahren, die ungeheuerlich sind. Wenn ich eins und eins zusammenzähle, bin ich nicht nur irgendeine Hexe, sondern eine ganz besondere!«

      Sie starrt in den Garten, der wieder in voller Blüte steht. Im Raum bleibt es für eine kurze Weile still. Dann stellt J.J. die allumfassende Frage.

      »Was bedeutet: Sie ist angekommen! Die schwarze Prinzessin wurde geboren!?«

      Sie dreht sich um, da sie nur einen leisen Hickser vernehmen kann, und sieht in die entsetzten Gesichter von Oma Vettel und Broaf. Die beiden starren sie mit offenen Mündern an und bekommen kein Wort heraus. Lincoln sitzt ebenfalls total geschockt in seinem Korb und sieht entsetzt zu Vettel. Nur Diggler hat Angst einen Fehler zu machen und bleibt deshalb einfach grinsend sitzen. Oma Vettel dreht sich zu den Halfies und bittet sie zu gehen. Als sich die Tür hinter ihnen schließt, geht sie auf J.J. zu.

      »Das bedeutet, dass du die schwarze Prinzessin bist, die dem Zauberreich vor mehr als eintausend Jahren angekündigt