sich neben ihrem Bett befindet, und öffnet sie wie ein Weihnachtsgeschenk. Sogleich kreischt sie wie ein Teenager, der seinen Lieblingspopstar treffen darf, während sie hüpft, lacht und vollkommen überdreht tanzt.
»Ich flippe so was von aus! Das ist der absolute Wahnsinn!«, jubelt sie weiter und sieht sich fassungslos in der traumhaften Wellnessoase um. Das Wort »Badezimmer« wäre hier nämlich schlichtweg untertrieben.
Es gibt ein doppeltes Waschbecken, eine abgetrennte Toilette, eine Natursteindusche, einen Whirlpool, eine Saunalandschaft im Tropendesign und eine Relaxecke im Karibikflair. Das Regal neben den Waschbecken ist dazu mit allem ausgestattet, was sich ein Mädchen ihres Alters wünschen kann.
»Wenn Zoé das sehen könnte! Die würde vor Freude ausrasten!«
Fröhlich tanzt sie durch das Badezimmer und jubelt bei jedem dritten Schritt laut los. Anschließend stürmt sie zurück in ihr Zimmer und sieht sich um.
»Ein paar Dinge erkenne ich wieder. Den Basketballkorb mit Flum, dem Ball, der selbstständig in den Korb springt. Die gelbe Truhe mit meinen lebendigen Puppen und die Spieluhr mit der wunderschönen Musik und der Ballerina, die sich nicht nur drehen, sondern richtige Tänze aufführen kann«, sinniert sie gerade, als sie eine weitere Tür entdeckt. Sie sieht fragend zu ihrer Großmutter, die unwissend mit den Schultern zuckt, und geht hinüber.
Es ist eine zweiflügelige Tür, wie man sie aus alten Filmen kennt. Groß, weiß und verschnörkelt. Vorsichtig drückt sie die schwere Messingklinke hinunter und geht hinein.
»Nein! Nein! Nein! Das gibt es nicht! Das halt ich nicht aus«, hört Oma Vettel J.J. haltlos rufen, bevor sie aus der Tür gestürmt kommt und ihr um den Hals fällt.
Von deren Übermut vollkommen überrascht, stolpert die alte Dame nach hinten, während sie große Mühe hat, sich aus dem euphorischen Würgegriff zu befreien.
»Danke! Das ist unbeschreiblich, Großmutter!«, jauchzt J.J.
Oma Vettel löst sich aus der Umarmung und quält sich japsend nach oben.
»Ich habe keine Ahnung, was das Haus angestellt hat, meine Liebe. Ich habe damit wirklich nichts zu tun! Was ist denn da hinter der Tür?«
J.J. nimmt ihre Großmutter an die Hand und zerrt sie aufgeregt hinter sich her. Nun steht diese ebenfalls geschockt in der Tür und ringt nach Worten.
»Allmächtiger! Da hol mich doch …«, stammelt sie los, kommt jedoch nicht weiter, da J.J. nun erneut hysterisch zu kreischen beginnt.
Oma Vettel legt die Hände an die Brust und ringt nach Luft. Sie befinden sich doch tatsächlich in einem begehbaren Kleiderschrank, der die Größe einer ganzen Kaufhausetage hat! Überladene Kleiderständer mit Hosen, T-Shirts, Kleidern, Röcken und Jacken reihen sich nahtlos aneinander und an den Wänden stehen meterlange Regale mit einer schier unendlichen Auswahl an Schuhen. In der Mitte thronen eine moderne, ausladende Loungelandschaft und ein Tisch, auf dem die neuesten Modemagazine warten.
»Dahinten wurde sogar eine moderne Nähstube eingerichtet!«, kreischt J.J.
Oma Vettel steht fassungslos in der Tür und klammert sich am Türrahmen fest. Nachdem J.J. ein paar Kleidungsstücke inspiziert hat, lässt sie sich auf einen bequemen Loungesessel fallen und schnaubt.
»Einfach abgefahren!«, wiederholt sie merhmals und sieht sich mit glitzernden Augen um.
Ihre Großmutter schüttelt dagegen nur bedächtig den Kopf.
»Ja, das ist es. Ein wenig übertrieben. Aber ich denke, damit wirst du zurechtkommen! Ich werde jetzt mal vorsichtig mein Schlafzimmer aufsuchen. Wie ich sehe, muss ich heute auf alles gefasst sein! Ich hoffe, das Haus hat seinem Größenwahn nur in deinem Zimmer ausgelebt! Ich bin völlig fertig! Ich muss mich etwas hinlegen. Der Tag war doch sehr strapaziös. Wenn du etwas brauchst, kannst du klingeln. Das funktioniert genauso wie früher. Die Glocke steht auf deinem Nachtschränkchen. Wir sehen uns morgen, zum Frühstück!«
J.J. rennt auf die alte Dame zu und fällt ihr um den Hals. Dann gibt sie ihr ein Küsschen auf die Wange.
»Danke für alles, Großmutter! Ich hoffe, dass ich schlafen kann. Jetzt wird alles gut! Ich kann es fühlen.«
Oma Vettel lächelt gerührt und macht sich auf den Weg in ihr Schlafzimmer. J.J. begleitet sie noch bis zur Tür und verabschiedet sich höflich. Als die alte Dame vor ihrer Tür steht, kann sie immer noch die Freudenschreie ihrer Enkelin hören.
Sie lächelt bekümmert und seufzt.
»Schlaf gut, meine kleine Jezabel. Ich hoffe auch, dass jetzt alles gut wird«, flüstert sie und drückt mit zittrigen Händen die Klinke herunter. Zu ihrer großen Erleichterung ist in ihrem Zimmer jedoch noch alles genauso, wie sie es verlassen hat.
J.J. stürmt derweil ins Badezimmer und nimmt eine ausgiebige Dusche. Auch wenn der Tag mehr positive Überraschungen für sie bereithielt, als sie sich vorgestellt hatte, war er am Ende doch sehr anstrengend. Erschöpft schmeißt sie sich auf ihr traumhaft weiches Bett.
»Das ist alles so unglaublich und beängstigend zugleich! Ich kann mich zwar an viele Dinge erinnern, aber irgendwie ist die ganze Geschichte auch unheimlich. Ich muss morgen erst einmal mit Großmutter sprechen. Es muss einen Grund geben, warum ich gerade jetzt wiederkommen sollte. Wenn alles, was ich so erfahren habe, stimmt, gibt es folgende Fakten:
Meine Großmutter ist eine dunkle, böse Hexe und lebt völlig unbehelligt zwischen Menschen in Havelock, obwohl es ein Zauberreich gibt. Mein Vater war kein Zauberer und strikt dagegen, dass ich eine Hexe werde. Bei dem Versuch, mich vor dem dunklen Phad zu bewahren, ist er sogar umgekommen. Ich habe acht Jahre in einem Internat gelebt und konnte mich weder an meine Familie noch an meine Vergangenheit erinnern, weil Großmutter mich an meinem sechsten Geburtstag verhext hat. Natürlich nur, um mich zu schützen! Aber warum bin ich jetzt wieder hier? Ach egal, ich werde sie morgen früh einfach fragen. Jetzt bin ich total müde.«
Sie gähnt und knipst das Licht aus. Ein paar Minuten lässt sie ihren Gedanken noch freien Lauf und schläft schließlich entspannt ein.
In der Nacht erwacht sie, weil ihr Mund trocken ist und ihre Kehle schmerzhaft brennt. Es fühlt sich an, als hätte sie eine Stunde oder länger durchgeschrien. Langsam öffnet sie die Augen und knipst das Licht an. Der kleine Lichtkreis beweist ihr, dass sie nicht geträumt hat und sie tatsächlich in einem Himmelbett in Havelock liegt.
Sie wirft die Bettdecke beiseite und steht auf.
»Ich muss unbedingt was trinken«, raunt sie verschlafen und schlurft ins Badezimmer.
Sie hält ihren Kopf unter den Wasserhahn und trinkt hastig, da sie sich fühlt, als hätte sie die Wüste tagelang ohne Wasser durchquert. Anschließend legt sie noch einen nassen Lappen auf ihren Nacken und geht zurück ins Zimmer. Irgendwie hat sie plötzlich große Sehnsucht nach Zoé, William, Felder und Pippa. Sie zum Schreibtisch und holt ihr Handy aus der Jackentasche, da sie wissen will, wie spät es ist. Dabei stellt sie frustriert fest, dass sie immer noch keinen Empfang hat.
»Das ist nicht cool! Ich kann in meinem eigenen Zimmer einkaufen gehen, aber telefonieren kann ich hier nicht. So ein Mist!«, blafft sie leise.
Sie sieht noch einmal auf das Display: 23:59 Uhr.
»Mitternacht. Ich dachte, ich schlafe bis morgen Nachmittag durch. Gestern war doch total anstrengend. Na ja, ich könnte eine Limonade vertragen. Mein Kopf tut weh. Vielleicht habe ich mir beim Fliegen einen Zug geholt oder sowas. Ich werde mal hinunter in die Küche gehen. Großmutter hat bestimmt was da.«
Sie schlupft in ihre Pantoffeln und schleicht in den Flur. Das Treppenhaus ist sanft beleuchtet. Auf Zehenspitzen trippelt sie bis zur Treppe und dann in die untere Etage. Im Gang bleibt sie kurz stehen und überlegt. Aus dem Bauch heraus beschließt sie, in den linken Flur zu gehen, an dessen Ende sich eine Tür befindet. Leise öffnet sie diese. Da es vollkommen dunkel ist, tastet sie nach dem Schalter und knipst das Licht an. Als sie den Raum betritt, jubelt sie vor Freude los. Verlegen presst sie sich die Hand vor den Mund, da sie niemanden aufwecken