M.E. Lee Jonas

Die kuriosen Abenteuer der J.J. Smith 01: Oma Vettel


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Weißt du was, das kannst du behalten! Ich hasse die Zauberei und den dunklen Phad hasse ich noch viel mehr! Meine Eltern sind gestorben, weil sie vor einer Hexe geflohen sind! Ich will keine dunkle Hexe werden. Ich will gar keine Hexe sein!«, schreit sie los und verschränkt trotzig die Arme. Oma Vettel schüttelt entsetzt den Kopf.

      »Ich sagte dir doch, dass du den Stein sofort wieder ablegen sollst! Du hättest dich in dieser Erinnerung verirren können! Was …«

      Weiter kommt die alte Dame nicht. Jezabel hält sich die Ohren zu und rennt an ihr vorbei. Verzweifelt sieht Oma Vettel zu Broaf, der betroffen den Blick senkt.

      »Ich werde niemals eine dunkle Hexe! Niemals!«, hören sie das kleine Mädchen immer wieder rufen, während es hinaus in den Garten rennt.

      Jezabel wirft sich schluchzend auf die Blütenschaukel. Broaf folgt ihr besorgt. Bei ihr angekommen streicht er ihr sanft über den Kopf.

      »Meine kleine Jezabel. Du weißt, wie schwer es deiner Großmutter fällt. Aber ihr seid an die Gesetze des Hexenrates gebunden. Du wirst sehen, wenn du erst einmal im dunklen Phad bist, wirst du schnell Spaß an der Zauberei finden.«

      Jezabel springt auf und wischt wütend die Tränen aus dem Gesicht.

      »Broaf, es ist mir egal, wie viel Spaß die Hexerei macht. Ich will keine dunkle Hexe werden! Ich will niemandem wehtun, verstehst du. Ich war in dem Auto und habe sie gesehen. Die Skulks! Meine Eltern haben geschrien und jetzt sind sie tot! Ich will keine Hexe sein. Bitte!«

      Sie richtet sich auf und sieht ihm entschlossen in die Augen.

      »Ich werde heute Nacht weglaufen und keiner wird mich jemals wiederfinden!«, fährt sie fort und wirft sich hoffnungslos weinend auf die Schaukel. Broaf nimmt sanft ihre Hände.

      »Jezabel. Der Hexenrat wird dich überall finden. Egal, ob in dieser Welt oder im Zauberreich. Sie werden die Skulks losschicken und die können dich überall orten. Damals hatten wir Glück, das wir dich rechtzeitig aus dem Auto holen konnten. Aber es hat am Ende nichts geändert. Es tut mir sehr leid, kleine Fee, das hat keinen Zweck. Wir werden den Gesetzen leider folgen müssen.«

      Jezabel fällt dem Diener schluchzend um den Hals. Ihre Großmutter, welche die ganze Zeit hinter dem großen Rosenbaum gestanden und alles mit angehört hat, stampft wütend auf den Boden, bevor sie aus ihrem Versteck hervortritt.

      »Broaf, lass uns bitte einen Moment allein!«, sagt sie traurig.

      Der Diener hebt das kleine Mädchen auf die Schaukel zurück und geht ins Haus. Jezabel bleibt mit gesenktem Kopf sitzen und schluchzt unaufhörlich. Ihre Großmutter setzt sich nachdenklich neben sie und nimmt sie schützend in den Arm.

      »Meine kleine Prinzessin. Ich möchte, dass du weißt, wie stolz ich auf dich bin. Auch wenn du es jetzt noch nicht begreifst, aber du bist mir ähnlicher, als du glaubst. Ich habe deinen Vater verloren und noch viele andere geliebte Menschen, weil das Schicksal es so wollte. Ich habe dich aufgenommen und wusste, dass irgendwann der Tag kommt, an dem dein Gedankenstein gehoben wird. Ich hoffte nur, dass er uns etwas mehr Zeit gibt. Es ist alles sehr kompliziert, mein Kind. Aber da er im dunklen Phad gehoben wurde, darf der Hexenrat dich nun legal einberufen. Ich kann im Moment also nicht sehr viel für dich tun. Wie du weißt, bin ich an diesen Ort gebunden. Ich darf nicht in Xestha wohnen. Auch wenn es noch andere Möglichkeiten für dich gäbe, so wäre die Endstation immer das Zauberreich. All die Jahre habe ich gehofft, dass dir die Hexerei Spaß macht und du gern eine von uns werden möchtest. Ich hoffte, dass es mir dann leichtfallen würde, dich gehen zu lassen. Doch nun muss ich erkennen, dass dies eine falsche Hoffnung war. Es ist nicht alltäglich, dass eine junge Hexe die Magie ablehnt. Du bist eben etwas ganz Besonderes. In jeder Hinsicht. Dieser Umstand macht alles sehr kompliziert. Broaf hat recht. Wir haben keine Chance, uns gegen Daranias Gesetze zu wehren. Weglaufen ist leider auch keine Lösung, sie würden dich überall finden. Es gibt nur eine einzige Möglichkeit, dich vor einem Leben als Hexe zu bewahren. Aber die wird dir nicht gefallen und zudem mein altes Herz brechen.«

      Jezabel richtet sich auf und sieht ihre Großmutter ungläubig an.

      »Aber Großmutter, ich dachte, du bist gern eine Hexe des dunklen Phads. Ich habe doch all die Jahre gesehen, wie du mit Rosinante mächtige, böse Zauber vollendet hast. Ich verstehe nicht, was du meinst.«

      Oma Vettel dreht sich zu ihrer Enkelin und nimmt ihre Hände.

      »Das kannst und sollst du jetzt auch nicht verstehen. Aber ich will, dass du weißt, wie sehr ich dich liebe. Ich hoffe von ganzem Herzen, dass du dich irgendwann wieder daran erinnerst.«

      Jezabel stutzt einen Augenblick und schüttelt fragend den Kopf.

      »Wieso sollte ich daran erinnert werden? Großmutter, was hat das zu bedeuten?«

      Oma Vettel seufzt und stellt sie sich mit düsterer Miene vor ihre Enkelin.

      »Alles, was ich will, ist dich zu retten. Ich liebe dich, Jezabel. Ich werde nicht zulassen, dass der Hexenrat dich auch noch bekommt! Irgendwann muss Schluss damit sein.«

      Die alte Dame stemmt beide Beine fest auf den Boden und hält die Arme nach oben. Während sie traurig zu ihrer Enkelin sieht, ruft sie laut:

      »Rosinante! Ardogo!«

      Jezabel bekommt nun furchtbare Angst und springt auf. Durch eine kleine Geste ihrer Großmutter wird sie jedoch sanft in die Schaukel zurückgedrückt. Rosinante, Vettels alter Hexenbesen, kommt blitzschnell durch die Luft geflogen und lässt sich, mit dem Reisig nach oben, neben der alten Hexe nieder. Jezabel weiß genau, was das bedeutet, da sie ihrer Großmutter schon oft beim Zaubern zugesehen hat. In diesem Augenblick weiß sie jedoch nicht, was die Hexe vorhat, und das macht ihr Angst.

      »Großmutter, was soll das?«, schreit sie verzweifelt.

      Aber Oma Vettel antwortet ihr nicht. Sie nimmt den Besenstiel in die linke Hand und stemmt ihn mit voller Wucht auf den Boden.

      »Stabigo«, ruft sie mit donnernder Stimme.

      Ein mächtiger Sturm kommt auf, der das Mädchen noch tiefer in die Schaukel drückt. Rosinante leuchtet hell auf und verwandelt sich in ein elfenbeinfarbenes Zepter, das von einer großen, grünen Kugel gekrönt wird, die sich nun immer schneller dreht. Ein grelles, blendendes Licht schießt aus dem Boden.

      »Ich rufe den Sturm und den mächtigen Blitz. Erhebt euch an meiner Seite mit all eurer Kraft. Ich bin eure Herrscherin und befehle euch, bringt die schwarzen Schatten der ewigen Nacht in meinen Kreis!«

      Die Stimme von Oma Vettel wird lauter und dunkler. Der Sturm wird stärker und hat nun die Kraft eines Tornados. Wie ein wildes Tier windet er sich um die alte Hexe, die in seinem Zentrum steht und das Zepter weit in die Höhe streckt. Blitze zucken aus dem Boden und da öffnet sich die Erde vor der dunklen Hexe.

      Jezabel würde gern weglaufen, kann sich aber nicht bewegen. Angst hat das kleine Mädchen nicht, die hat Oma Vettel ihr mit einer kurzen Geste genommen. Trotzdem hält sie sich die Ohren zu und kneift ihre Augen fest zusammen.

      Aus dem Spalt im Boden kommen schwarze Schatten gekrochen, die bei jedem Licht, das die Blitze verursachen, vor Schmerzen laut aufstöhnen. Der Sturm saugt sie ein, sodass sie nun um Oma Vettel herumwirbeln. Die alte Hexe nimmt das Zepter in beide Hände und spricht einen dunklen Zauber.

      »Gora et ut zor. Gora et ut biena!«

      Ein gewaltiger Donner lässt daraufhin die Erde erbeben.

      »Varda mon el bi gultanamo it diea.«

      Ein greller Blitz fährt vom Himmel und hinterlässt den Geruch nach verbranntem Heu. Oma Vettel schließt die Augen und spricht mit dunkler Stimme.

      »Vergiss, wer du bist! Vergiss, wer du warst! Von jetzt bis in alle Ewigkeit gehört deine Vergangenheit den schwarzen Schatten!«

      Mit aller Macht stemmt sie das Zepter in den Boden. Der Sturm um sie herum verwandelt sich in eine gewaltige Feuersbrunst. Die dunklen Schatten reiten auf den glutroten Flammen und murmeln düstere Verse, die keiner menschlichen Sprache ähnlich sind. Oma