Christine Dr. Belz-Hensoldt

Tod in Burgund


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      Tod in Burgund

       Christine Belz-Hensoldt

       published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

       Copyright: © 2013 Christine Belz-Hensoldt

       ISBN 978-3-8442-5008-4

      „Vom Tod musste er uns berichten, weil auch künftig nur durch das Erzählen das Leben zu gewinnen ist“[1]

      Prolog

      Vorwort von Emmanuel de Maigret

      Dieser Bericht sollte schon vor vielen Jahren verfasst werden. Ursprünglich war er zum 40., später zum 50. Jahrestag der Ereignisse vorgesehen, die in Druy am ersten und zweiten September 1944 geschahen. Dies war nicht möglich. So habe ich mich dafür eingesetzt, mein Büchlein zum 60. Jahrestag abzuschließen. Es ging mir darum, so genau wie möglich das niederzuschreiben, was sich hier Stunde um Stunde ereignete. Das tue ich vor allem anderen für jene, die dabei gewesen sind, von denen uns jedoch viele in der Zwischenzeit leider für immer verlassen haben. Viele der Zeugnisse, die ich über 20 Jahre gesammelt habe, bilden die Grundlage dieses Buches.

       Diesen Menschen danke ich an dieser Stelle!

      Für alle, die nicht dabei waren, besonders für die Jüngeren, soll dieses Buch dazu beitragen, ihre Heimatgeschichte zu entdecken, denn es erzählt von Ereignissen, die niemals in Vergessenheit geraten dürfen.

      Ich gebe hier weiter, was man mir anvertraute, wobei ich den Wortschatz und Stil eines jeden beachtet habe. Wenn ich selbst damals auch noch sehr jung gewesen bin, furchtbare Ereignisse wie diese prägen unauslöschlich die Empfindungen eines Kindes, das gerade fünf Jahre alt geworden war.

      Diese Studie ist ergänzt worden durch Dokumente, die ich in den Archiven des Regierungsbezirks Nièvre, den Armeearchiven zu Vincennes und in den zahlreichen Niederschriften, die zu dieser Zeit entstanden, zu Rate ziehen konnte. Sie ist den Einwohnern von Druy gewidmet, aber auch meiner Familie und meinen Freunden.

      Möge es mir der Leser nachsehen, wenn ich hier und da Anekdoten erzähle, die uns persönlich betreffen, meine Eltern, meine Brüder und Schwestern und mich selbst und alle, die mittlerweile ein ganz persönliches Interesse daran haben könnten, von den Lebensbedingungen während der Besatzungszeit zu erfahren und der schmerzvollen Befreiung unserer Region.

      Druy Parigny, im September 2004

      Emmanuel de Maigret

      Vorwort zur deutschen Ausgabe

      In Frankreichs Mitte zu leben bedeutet auch, an die Rolle Deutschlands im Zweiten Weltkrieg erinnert zu werden: der Platz im nahen Städtchen Imphy heißt Place des Martyrs, zum Gedenken der Opfer der deutschen Besatzungszeit. An einem Haus direkt neben der wichtigsten Ampel ist ein Schild zum Gedenken an einen kleinen siebenjährigen Jungen befestigt, der 1944 par les Nazis ermordet worden ist. Er war genau so alt wie ich damals, als er eine Spielzeugpistole auf deutsche Soldaten richtete, die das Kind erschossen.

      Als habe es diese Zeiten nie gegeben, begegnen Franzosen uns Deutschen heute mit ausgesuchter Freundlichkeit und Herzlichkeit, für die Jugend gibt es sowieso keine Ländergrenzen mehr, denn der Friedensprozess, der sehr schnell nach 1945 einsetzte, gefördert von den großen Europäern Charles de Gaulle und Konrad Adenauer, hat vor allen Dingen diese beiden Länder, Frankreich und Deutschland, in Freundschaft vereint.

      Aber es gibt auch regelmäßige Zeiten des Erinnerns, so wird immer noch der 8. Mai als Jahrestag des Sieges gefeiert, so gibt es immer noch Aufmärsche der Veteranen, Ansprachen von Bürgermeistern und Abgeordneten, Kranzniederlegungen an Kriegs-Denkmälern. Im nahen Nevers wurde kürzlich wieder der Jahrestag der Befreiung von den Deutschen gefeiert. Im ebenfalls nahen Morvangebirge, in dessen Wäldern sich die Mitglieder der verschiedenen Widerstandsgruppen verborgen hatten, künden mehrere Musées de la Résistance von einer Zeit, die man sich heute gar nicht mehr vorzustellen vermag.

      Mit freundlichen feinen Gästen, einem älteren Ehepaar, das an einem Wochenende im September 2004 zu Gast war, kamen die Kriegsereignisse dann auch zu uns. Madame erzählte mir, sie seien hier wegen einer Familiengedenkfeier, und ich fragte nach, um welche Art von Gedenkfeier es sich denn handele. Man feiere den 60. Jahrestag, äußerte sie, und die Vermutung lag nahe, dass er etwas mit dem Ausgang des Zweiten Weltkrieges zu tun hatte.

      Marie Josephe de Maigret ist unmittelbare Zeugin gewesen von schrecklichen Ereignissen zum Kriegsende 1944, die bisher in Deutschland unbekannt geblieben sind. Sie trugen sich in einem nahen Dorf namens Druy Parigny zu. Ich erhielt ein kleines Buch zum Abschied, verfasst von ihrem jüngsten Bruder Emmanuel, der mit Hilfe von Zeugenaussagen eine Rekonstruktion des Geschehens versucht, der als Kind selbst zwar dabei gewesen war, dessen eigene Erinnerung naturgemäß jedoch nur aus Bruchstücken besteht.

      Wenn ich mit der Übersetzung und Bearbeitung dieses Buches den vielen bereits bekannten Darstellungen über die Schlussphase des Zweiten Weltkrieges eine weitere hinzufüge, tue ich dies auch als Zeichen der Dankbarkeit. Dankbarkeit für ein nunmehr schon 12 Jahre währendes Leben in einem Land, das uns nur Gastfreundschaft entgegen gebracht hat, das sich zwar erinnert, aber auch vergeben hat, das in uns Miteuropäer sieht, die nichts mehr mit jener Besatzungsmacht zu tun haben, unter denen sie, ihre Eltern und Großeltern einst gelitten haben.

      Für mich ist dieses Buch auch aus einem anderen Grund wichtig: was Deutschland in Europaanrichtete, darf nicht vergessen werden, es ist ein weiterer Akt des Erinnerns, neben all dem anderen Schrecklichen immer wieder das Unrecht ins Bewusstsein zurück zu rufen, das von deutschen Soldaten als Besatzungsmacht ausgegangen ist.

      So möge dieses Buch zu der Mahnung beitragen: Nie wieder darf ein Krieg von unserem Land ausgehen! Und gerade junge Menschen veranlassen, inne zu halten und einfach dankbar zu sein dafür, dass alle Kräfte und Mächte in Europa dafür sorgen, dass wir Mitteleuropäer mit 66 Jahren nunmehr den längsten Frieden aller Zeiten genießen dürfen.

      Marigny im Februar 2012

      Christine Belz-Hensoldt

      Einleitung

      Dieses Buch ist in mehreren Schritten entstanden. Nach einer genauen und vollständigen Übersetzung des Originaltextes wurde mir bald deutlich, dass eine Bearbeitung notwendig würde.

      Emmanuel de Maigret richtet sein Buch an seine Familie und die Einwohner von Dardault und Druy Parigny. Seine Leser brauchen keine näheren Orts-und Personenbeschreibungen, denn sie verfügen bereits über die notwendigen Kenntnisse. Auch sind für sie Ereignisse wichtig, die auschließlich von lokaler Bedeutung sind.

      Meine Arbeit befasst sich hingegen nur mit dem eigentlichen Geschehen weniger Tage. Viele im Buch erzählte Ereignisse sind weggelassen, weil sie mit dem Hauptgeschehen nichts zu tun haben. Der originale Wortlaut de Maigrets ist jedoch immer erhalten, erfährt aber mancherlei Umstellungen. Diese sind einzig dem Ziel untergeordnet, die Reihenfolge der Geschehnisse verständlich, die verschiedenen Schauplätze anschaulich zu machen

      Weggelassen habe ich die von de Maigret geschilderten anfänglichen Kriegsereignisse, die Eroberung Frankreichs durch die Deutschen, der darauf erfolgende Exodus der Franzosen bis zum Waffenstillstand – man fürchtete eine Wiederholung der Greueltaten deutscher Soldaten, wie sie im ersten Weltkrieg erfolgt waren - die Besetzung durch die Deutschen mit anfangs vielen auch positiven Begleiterscheinungen, Ereignisse aus Paray le Monial, wo die Familie de Maigret bis 1942 lebte, einige Sabotageakte von Seiten der Résistance.

      Da alle Ereignisse naturgemäß ausschließlich aus französischer Sicht erzählt werden, da es deutsche Truppen waren, die die Dörfer Dardault und Druy angegriffen und niedergebrannt haben, da dies alles in der Endphase des Zweiten Weltkrieges geschah, habe ich diesem Buch Emmanuel de Maigrets einen zweiten Teil folgen lassen.

      Er basiert auf Informationen, die ich neuerer Literatur, aber auch Recherchen in Archiven, ferner einer Reihe von Gesprächen mit Betroffenen und deren Angehörigen verdanke. Mit ihrer Hilfe versuchte ich, das lokale Geschehen in einen Zusammenhang zu bringen mit den allgemeinen Kriegsereignissen in der Endphase des Zweiten Weltkrieges.