Christine Dr. Belz-Hensoldt

Tod in Burgund


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den Folgemonaten richten sich die Deutschen in der Region ein, die sich nahe bei der Demarkationslinie, der Grenzlinie zwischen den von Deutschen besetzten und unbesetzten französischen Gebieten befindet.

      Sie beschlagnahmen die Schlösser und größere Gebäude, benehmen sich aber korrekt gegenüber der Bevölkerung. Aber das ändert sich bald. Es kommt zur Zensur, später zu

      Bild 6: Abbé André Ballais (1911-1996)

      Verboten von Zeitungen und Radiomeldungen aus dem Ausland, Zuwiderhandlungen werden unter schwere Strafe gestellt.

      Es gibt Ausgangsregelungen für Fußgänger, Auto- und Radfahrer. Jedoch sind all diese Maßnahmen in den Städten durch die ständige Gegenwart der Besatzer fühlbarer als auf dem Land.“

      Deutsche Truppen hatten auch Druy besetzt, blieben aber nur kurz und richteten sich dann in Städten wie Imphy und Decize ein. Vier junge Männer aus Druy des Jahrgangs 1922 wurden zum Zwangsarbeitsdienst verpflichtet.

      Die militärische Wende setzte mit der Landung der alliierten Truppen in Nordafrika am 8. November 1942 ein. E. de Maigret schreibt:

      „Die Nachrichten kamen schlecht durch, vor allem weil Deutschland jetzt mehr und mehr militärische Rückschläge erlitt. Das Unheil von Stalingrad im Januar 1943, der erste große Fehlschlag der deutschen Wehrmacht, die bis zu diesem Zeitpunkt unbesiegt gewesen war, markierte einen psychologischen Wendepunkt in diesem Krieg.

      Das einzig markante Ereignis in Frankreich war der Überfall auf die freie Zone durch die Deutschen, am 11. November 1942, drei Tage nach der Landung der alliierten Truppen in Nordafrika, womit de facto ganz Frankreich zur besetzten Zone wurde“[19].

      „Dieses Ereignis rief keine sonderlichen äußerlichen Veränderungen in Druy hervor, auch in der Folgezeit gab es nicht mehr Deutsche bei uns als zuvor.

      Während des gesamten Jahres 1943 und zu Beginn des Jahres 1944 erlitten die Truppen der Achse[20]eine Niederlage nach der anderen und dies an allen Fronten, in Russland, in Tunesien, Sizilien und anschließend in Italien.

      Zur gleichen Zeit wurden die Bombardierungen Deutschlands von Seiten der Engländer und der Amerikaner immer stärker.

      Und nach dem 6. Juni 1944, dem Zeitpunkt der Invasion der alliierten Truppen in der Normandie, war in Frankreich eine fühlbare Zunahme der Bombardierungen auf strategisch wichtige Punkte festzustellen: auf Bahnhöfe, Brücken, Fabriken, Benzin-Depots usw. Diese Bombardierungen führten unglücklicherweise zum Tod vieler Zivilpersonen. Schuld daran waren Abwürfe aus großer Höhe, die Unerfahrenheit einiger Piloten, der Mangel an Präzision bei den angepeilten Zielen. Sie verursachten viele jämmerliche Resultate, wie in Nevers, in Cosne sur Loire und in Neuvy.

      Bild 7: Château von Druy, Westfassade mit großer Freitreppe, Foto von 1940

      Häufig fanden diese Bombardierungen in der Nacht statt, dann war am Horizont ein intensives Leuchten zu sehen. Manche gab es auch tagsüber: wir konnten mit Ferngläsern von der Freitreppe unseres Schlosses aus, das die Felder überragt, die Bewegungen der Flugzeuge verfolgen, den Sturzflug der Jagdflieger, wenn sie ihre Ziele unter Feuer nahmen. Uns erreichte das dumpfe, durch die Entfernung abgeschwächte Grollen der Explosionen.

      Die errungenen Siege, das Vorrücken der Alliierten, bestärkten die Hoffnungen in aller Herzen. Ich sehe meinen Vater noch vor mir, wie er kerzengerade neben dem Radio stehend die Marseillaise sang; es ist möglicherweise an jenem 25. August gewesen, dem Tag, an dem General de Gaulle auf dem Rathausplatz der Stadt Paris, mit vor Erregung bebender Stimme seine feierlichen Worte sprach:

      „Geschmähtes Paris! Zerstörtes Paris! Gequältes Paris! Aber (jetzt): befreites Paris!“

      Diesen Tag beendeten wir mit dem Öffnen einer unserer letzten Flaschen Champagner: es war mein erstes Glas Champagner, aber es ist mir nicht gut bekommen.

      Wir erwarteten jetzt die Vereinigung der gelandeten Truppen aus der Normandie mit denen aus der Provence, die das Rhonetal heraufzogen und die dabei waren, Lyon zu erreichen, um endgültig die Befreiung Frankreichs zu feiern.

      Die alliierten Truppen rückten tatsächlich vor, aber es sollte noch lange dauern, bis sie ihre Ziele endlich erreichten. 60 Tage nach der Landung der Alliierten war die Bretagne immer noch bis zu der Linie Lisieux – Tours zu befreien. Auch hatte die 1. amerikanische Armee Saint-Lô noch nicht erreicht. Und die 2. Armee Großbritanniens kam im Südwesten von Caen nur mühsam voran.“

      Der Rückzug der deutschen Truppen

      „Robert Aron[21] schreibt:

      Als am 20. August 1944 für die Truppen der 1. deutschen Armee der Befehl zum allgemeinen Rückzug erteilt worden war, Truppen, die bis dahin die atlantische Küste besetzt hielten, wurden an die 80.000 Soldaten in Richtung Westen in Bewegung gesetzt. Sie ließen nur kleine Garnisonen zurück, nämlich in Royan, La Rochelle, Lorient und Saint-Nazaire. Ihr Ziel war es, Dijon vor den Kontingenten der 1. französischen Armee zu erreichen, die von Marseille aus heraufzogen.“

      Emmanuel de Maigret notiert:

      „Die Truppen, die durch Dardault kamen, gehörten dieser 1. deutschen Armee an.“

      „Abbé Tambour beschreibt diesen Rückzug[22]:

      „Die Deutschen sind noch keine Besiegten, obgleich sie den Befehl haben, sich vollständig zurückzuziehen.

      Wir befinden uns auf der Straße, der sie folgen, von Moulins in Richtung Dijon über Autun. Sie ziehen seit Anfang August vorbei, in nicht enden wollenden Konvois. Autos, Lastwagen, Autobusse aller Arten, überladen mit Männern und Material durchqueren unsere kleine Stadt.

      Alle diese Autos sind beschlagnahmte Fahrzeuge, weshalb auch die öffentlichen Dienste eingestellt sind. Eisenbahn- und Postverkehr ruhen. Aber für wie lange?

      Die Fahrzeuge sind getarnt und mit grünen Zweigen bedeckt....

      Unsere Sieger verhalten sich nicht immer korrekt gegenüber uns Besiegten: sie sind unersättlich. Aber – ist das verwunderlich?

      Ihr Prinzip lautet: alles, was nicht niet- und nagelfest ist, nach Deutschland mitzunehmen und ein ausgeblutetes Frankreich im tiefsten Elend zurückzulassen.

      Für ihre Annehmlichkeit haben sie in Luzy alle Autos, derer sie habhaft werden konnten, beschlagnahmt, ebenso alle Fahrräder.“

      Die Methode Nadelstich

      General de Gaulle hatte bereits am 18. Mai 1944 in einer Anweisung, die er in Algier verfasst hatte, geschrieben::

      „Die Streitkräfte des Inneren[23]sollten sogleich nach der Landung der Alliierten direkt in den Kampf eingreifen, gemeinsam mit den Streitkräften der Alliierten, mit Aktionen, die die Befreiung aller Zonen der besetzten Gebiete zum Ziele haben...“

      General Eisenhower, der Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte, war in seiner Formulierung vorsichtiger. Er erklärte, dass:

      „jeder von Ihnen seine aktuelle Aufgabe fortsetzen soll, wenn er nicht einen anderslautenden Befehl erhält, was geschehen könnte, zum Beispiel einen Befehl, erst abzuwarten oder wenigstens Vorsicht walten zu lassen.“

      Emmanuel de Maigret notiert:

      „Bis Ende August werden neue Anweisungen vom alliierten Kommandeur der befehlshabenden Generale, namentlich von General Patton, folgen.

      Die Mitglieder des Widerstandes werden die Befehle auf ihre Weise interpretieren und befolgen. Da ist es interessant, Näheres über die Guerilla-Taktik zu erfahren, wie sie seitens des Kommandos der FFI[24] des Département Nièvre genau beschrieben wird: