Christine Dr. Belz-Hensoldt

Tod in Burgund


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Zeit in dieser Region auf dem Rückzug? Was waren das für Menschen, diese deutschen Soldaten in Frankreich in dieser Endphase? Warum waren viele der Soldaten so jung? Was hatte das Hitlerregime aus diesen jungen Menschen gemacht? und schließlich: Wie konnten diese Soldaten zu Tätern werden?

      So soll die Erzählung über die beiden Dörfer, Druy Parigny und Dardault im westlichsten Teil Burgunds, ein weiterer Beitrag sein zu Ereignissen, wie sie sich in ähnlicher Form an vielen Stellen in Frankreich und in vielen anderen Ländern während dieses Krieges zugetragen haben.

      Für die vielen Gespräche und eingehenden Beratungen, für das Beschaffen einschlägiger Literatur und historischer Fotos, für Recherchen in Archiven und Büchereien bin ich den folgenden Personen zu aufrichtigem Dank verpflichtet: in Frankreich Père Hubert, alias Bruno de Maigret, seinem Bruder Emmanuel, seiner Schwester Marie-Josephe und seinem Neffen Hubert de Maigret, den Bürgermeistern der Gemeinden Druy Parigny und Sougy, Mlle Chemineau von der Mairie de Sougy, den Herren André Revenu, Pierre Aubert und Alain Jarre aus Druy und Dardault, ganz besonders auch Herrn Norbert Jault aus Saint-Honoré-les Bains. In Deutschland schulde ich vor allen anderen meinem Verleger Günter Fuhr aufrichtigen Dank, er beschaffte mir die wesentliche Literatur und hat mich unermüdlich beraten. Ich danke auch meiner Freundin und Kollegin Christel Eidner, die meine Übersetzung einer sorgfältigen Revision unterzogen hat, ich danke Beate Kalbhenn vom Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge und zweien der noch lebenden Verwandten des Feldwebels Heinz Klee, Gerhard Klee und Elke Ebert.

      Ohne die Hilfe all dieser Menschen wäre dieses Buch nicht zustande gekommen.

      Christine Belz-Hensoldt

      Teil 1: Emmanuel de Maigret : Druy Parigny

      Drei Berichte

      Am Nachmittag des 1. September 1944 beschossen englische Soldaten Truppenteile einer deutschen Militärkolonne auf dem Rückzug. Die Kolonne befand sich auf der Route Nationale 79 im Departement Nivernais im westlichen Burgund auf der Höhe eines kleinen Straßendorfes namens Dardault, das recht genau in der Mitte zwischen den Städten Nevers und Decize an der mittleren Loire gelegen ist.

      Bei dem Angriff, örtlich versetzt ausgebracht von zwei Armee-Jeeps, besetzt mit sieben Soldaten der englischen SAS-Truppen und einem französischen Widerstandskämpfer, wurden einige Fahrzeuge der Deutschen vernichtet, mindestens zwei deutsche Soldaten getötet und ihre Kolonne zum Stehen gebracht.

      Dieser Überfall, ausgebracht zur falschen Zeit am falschen Ort, löste eine Kette von unseligen Zufällen und schrecklichen Handlungen aus, an deren Ende 17 Menschen und eine unbekannte Zahl deutscher Soldaten tot[2], zwei Dörfer und das Schloss von Druy Parigny niedergebrannt waren.

      Die hier zu beschreibenden Ereignisse sind bis heute in Deutschland unbekannt. Es ist ein weiteres Stück Kriegsgeschichte, das ich für wichtig erachte, zu erzählen.

      André Miéville berichtet: [3]

      „In den ersten Septembertagen befanden sich einige bunt zusammengewürfelte Kolonnen des Feindes, meist begleitet von einem oder zwei Panzern, im Verlauf von kurzzeitigen Ortswechseln in ständiger Bewegung, wobei sie stets die ihnen auferlegten Sicherheitsmaßnahmen zu befolgen hatten. Weil sich die Deutschen immer in einem Zustand der Alarmbereitschaft befanden, waren sie so erschöpft, dass sie nicht mehr zu schlafen vermochten.

      Hierbei bewegten sich die vom Südwesten her kommenden feindlichen Konvois in Richtung Nordost, allgemein in Richtung Dijon.

      Sie benutzten die folgenden Routen:

      Nevers – Decize – Digoin – Paray-le-Monial – Monceau-les-Mines – Dijon

      Bourbon-Lancy – Autun – Chagny – Dijon.

      Am 1. September sahen Mitglieder von der Widerstandsgruppe Julien, wie ein feindlicher Konvoi in einen der von ihnen gelegten Hinterhalte hineinfuhr und zwar bei dem Dorf Druy-Parigny auf der Strecke Nevers – Decize.

      Drei Kampfgruppen, außerdem zwei englische leichte Maschinengewehre, ein Mörser und zwei Jeeps nahmen an dieser Operation teil.

      Die (deutsche) Kolonne erschien gegen 18 Uhr: wir ließen das erste leichte Maschinengewehr, montiert auf einen Reisebus und einen kleinen Lastwagen, vorbei. Wir nahmen die folgenden leichten Fahrzeuge unter Feuer der Maschinenpistolen, während die Maschinengewehre die folgenden Lastwagen angriffen. Dieser Angriff dauerte insgesamt drei Minuten. Der Feind war zahlenmäßig stark überlegen; er hatte bereits Stellung bezogen und begann, mit seinen Mörsern und schweren Maschinengewehren zurückzuschlagen. Es lohnte nicht, sich auf einen Kampf einzulassen. Zwei Lastwagen brannten; das Ergebnis war erfreulich, das Ziel erreicht: ein weiterer Nadelstich. Der Rückzug vollzog sich normal und ordnungsgemäß.

      Von Druy-Parigny brachen die S.A.S.-Truppen alsdann wieder auf, um die Kolonne mit ihren Jeeps an anderer Stelle zu bedrängen. Unsere Männer zogen per Lastwagen wieder ab[4] bis zum Wald von les Essarts und warteten den Bericht der englischen Patrouillen ab.

      Um 21 Uhr kam ein Jeep um uns mitzuteilen, dass es sich um eine wichtige deutsche Kolonne handelte und dass es unmöglich sei, weitere Hinterhalte zu legen.

      Von 18 bis 22 Uhr schossen die Deutschen auf die Stellen, wo sich die Hinterhalte befanden und verstreuten eine Unmenge von Granaten, schweren Geschossen und Minen.

      Weitere Angriffe fanden am selben Tag auf zahlreichen Straßen des Départements statt. Nichtsdestoweniger gelang es aber auch den Deutschen, die Teil von wichtigen Kolonnen und hervorragend bewaffnet waren, immer wieder, an den Hinterhalten vorbeizukommen.

      Sie haben im Übrigen teuer dafür bezahlt, ließen auf den Straßen zahlreiche Auto- und LKW-Wracks zurück als beredtes Zeugnis von der Kampfkraft der Maquis-Verbände. Um die Deutschen nachhaltig am Vorankommen zu behindern, wären schwere Maschinengewehre und Mörser vonnöten gewesen, Waffen, die die Widerstandsverbände gar nicht besaßen. Nichtsdestoweniger wurden weiterhin Hinterhalte gelegt.“

      Bild 1:Druy Parigny, das Schloss

      Lithographie von E. Bussière, Anf. 19. Jh.

      „Operation Nadelstich“ nannte man diese Guerillataktik, mit Gruppen von höchstens vier Mann aus Hinterhalten die deutschen Kolonnen zu beschießen, die sich um diese Zeit quer durch ganz Frankreich auf dem Rückzug befanden. Englische SAS-Truppen und die mit ihnen kooperierenden französischen Widerstandstruppen bedienten sich ihrer höchst erfolgreich.

      Georges Gonin vom Journal du Centre berichtet

      „Nevers den 4. Dezember 1944

      Deutsche Greueltaten im Nièvre

      Auf ihrem Fluchtweg nach Osten haben die Deutschen nach Angriffen (von Seiten der S.A.S und einer Widerstands-Gruppe.) Dardeau[5] und Druy-Parigny niedergebrannt und 12 Personen erschossen.

      Ganz Frankreich erlebte jetzt Stunden der Hoffnung, wagte jedoch noch nicht, frei aufzuatmen. Aber alle Herzen waren voll einer gewissen Hochstimmung.

      Bild 2: Druy, das Dorf

      Ansicht um 1940

      Schon seit mehreren Wochen folgte auf den Straßen des Nivernais eine Wagenkolonne der anderen.

      Sie kamen aus dem Westen, dem Süden, dem Zentrum, sozusagen von überall her. In Gewaltmärschen bewegten sich die Deutschen in Richtung Osten, wobei sie sich mühten, einer Umzingelung zu entgehen, die von Tag zu Tag enger wurde.

      Es ist der 1. September und der Tag bereits zur Neige gegangen, als auf der Route Nevers – Decize, wenige Kilometer von Béard entfernt eine Schießerei entbrennt. Maquisards[6] schossen aus dem Hinterhalt auf die Kolonne.

      Ein