RU Art. 1350 (2) ZivG
DE § 3 (1) PatG
(104) Allerdings: eine zeitliche Relativierung ist zu beachten, denn der Stand der Technik vergrößert sich mit jedem Tag -täglich kommt neues technisches Wissen hinzu. Der Stand der Technik im Sinne des Patentgesetzes stellt eine Momentaufnahme dar: Es handelt sich um den Wissensstand, der am Anmeldetag verfügbar war. Anmeldetag heißt hier: der Tag, an dem diejenige Anmeldung eingereicht worden ist, für welche der Stand der Technik jeweils von Bedeutung ist; ist eine Priorität beansprucht, so ist der Anmeldetag der prioritätsbegründenden Voranmeldung der maßgebende Zeitpunkt.
(105) Nicht nur schriftlich dokumentiertes Wissen ist Stand der Technik. Auch auf andere Weise offenbartes Wissen (z. B. mündlich, oder: einen Gegenstand zeigen) begründet Stand der Technik.
(106) Für die patentrechtliche Frage der „Neuheit“ (nicht der Erfindungshöhe) kommt als Stand der Technik hinzu: jede Anmeldung für ein (Erfindungs-)Patent, die vor diesem Zeitpunkt eingereicht, aber erst danach a) der Öffentlichkeit vom Patentamt zugänglich gemacht worden ist oder b) zur Patenterteilung geführt hat („ältere Anmeldung“). Was bereits zu diesem Stand der Technik gehört, ist also nicht „neu“, nicht patentfähig.
RU Art. 1350 (2) ZivG
DE § 3 (2) PatG
Schonfrist (grace period) bei verspäteter Anmeldung?
(107) Eine Besonderheit gibt es noch in RU bei der gesetzlichen Definition des Standes der Technik: eine sog. „Schonfrist“ hilft oft gerade kleineren Unternehmen und selbständigen Erfindern, die das Patentrecht nicht kennen und deshalb ihre Erfindung eigentlich zu spät anmelden. In DE hilft diese Besonderheit nicht den Patentanmeldern, sondern nur den Anmeldern eines Gebrauchsmusters. Also:
(108) Wird die Erfindung vom Erfinder selbst vor der Anmeldung nicht geheim gehalten, sondern bereits der Öffentlichkeit zugänglich gemacht (offenbart), so wird sie eigentlich Stand der Technik: sie wäre dann nicht mehr neu/erfinderisch, könnte also nicht patentiert werden. Beispielsweise: Der Anmelder hat schon vor der Einreichung der Anmeldung den Gegenstand öffentlich sichtbar erprobt oder den Gegenstand in Werbeschriften erläutert. Erfolgt diese Offenbarung aber nicht früher als sechs Monate vor dem Anmeldetag, so wird der Anmeldungsgegenstand - wo die Schonfrist gilt - von der gesetzlichen Folge („zu spät angemeldet“) verschont. Dasselbe gilt (die Anmeldung wird nicht wegen dieser Offenbarung zurückgewiesen), wenn die Offenbarung zwar nicht durch den Erfinder selbst, jedoch durch den Anmelder oder eine andere Person erfolgt, die ihre Kenntnis auf den Erfinder zurückführt.
RU Art. 1350 (3) ZivG
DE § 3 (1) GebrMG
Patentschutz für gewerblich anwendbare Erfindungen und der medizinisch/pharmazeutische Bereich, was gilt hier?
(109) Patentschutz ist ein wesentlicher Bestandteil des gewerblichen Rechtsschutzes. Gewerblicher Rechtsschutz verleiht einen Sonderschutz für Handlungen, die nicht im privaten/rein persönlichen Bereich (z.B. ich erforsche die Herkunft meiner Vorfahren und Ahnen), sondern im gewerblichen/kommerziellen Bereich (z.B. ich entwickle eine Gummimischung für bremsoptimierte Autoreifen) vorgenommen werden. Denn der besondere Rechtsschutz soll einen Anreiz geben, technische Entwicklungen zu schaffen und gewerblich zu nutzen.
(110) Schutzfähig sind gewerblich anwendbare Erfindungen. Das sind Erfindungen, deren Gegenstand (Produkt oder Verfahren) nach der Definition des Gesetzes auf irgendeinem gewerblichen Gebiet hergestellt/benutzt werden kann (siehe Nr. 81, 82)
RU Art. 1350 (4) ZivG
DE § 5 PatG
(111) Hier könnte sich zwischen RU und DE (einschließlich des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ)) ein wichtiger Unterschied auftun:
(112) in RU werden im Gesetz zum gewerblichen Bereich auch die öffentliche Gesundheit (daneben auch die Landwirtschaft sowie andere Zweige der Wirtschaft und der gesellschaftlichen Sphäre) gerechnet.
RU Art. 1350 (4) ZivG
Welche Grenzen hier gelten, wo insbesondere öffentliche Gesundheit endet und wo sonstige (private?) Gesundheit beginnt, muss sich in der Praxis noch zeigen. Ob z.B. ein neues medizinisches Verfahren zur Heilung des Krebses an dem Pankreas patentierbar ist, könnte eine offene Frage sein.
(113) in DE werden im Gesetz (zwar auch die Landwirtschaft einbezogen, aber) Verfahren vom Patentschutz ausgenommen, die zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers vorgenommen werden; gleiches gilt für Diagnostizierverfahren, die am menschlichen oder tierischen Körper vorgenommen werden. Patentierbar bleiben dagegen Erzeugnisse, insbesondere Stoffe oder Stoffgemische, zur Anwendung in einem dieser Verfahren.
DE § 2 a (1) PatG
(114) Maßnahmen zur Heilung oder zur Linderung der Leiden sollen nicht durch die Sorge belastet werden, mit der gewählten Methode fremde Patentrechte zu verletzen; das wäre auch aus ethischen Gründen problematisch. Vielmehr soll der Arzt z.B. eine erstmals gefundene spezielle Therapie zur (bisher nicht befriedigend möglichen) Behandlung von Krebs an dem Pankreas frei anwenden dürfen. Wäre sie patentiert, müsste er vor der Wahl dieser Therapie eine Lizenz erwerben; das wird also in DE (und nach dem EPÜ) ausgeschlossen.
(115) Sofern es sich aber um kosmetische oder sonstige Zwecke handelt, die also nicht therapeutisch sind, bleibt das Verfahren dem Patentschutz zugänglich (soweit die nicht-therapeutische Wirkung von der therapeutischen abgegrenzt werden kann).
Wer verdient den Patentschutz - Erfinder, Anmelder, Auftraggeber, Arbeitgeber?
(116) Grundsätzlich ist es natürlich der Erfinder, der den Schutz durch ein Patent verdient. Aber die Befugnis, das Schutzrecht zu erlangen, kann auf andere übertragen werden. Dann profitiert der Erfinder von seiner Erfindung nicht unmittelbar durch das Patent, sondern mittelbar durch die Gegenleistung, die er vom Erwerber der Befugnis (bzw. des Patents) erlangt.
(117) Übertragung vom Erfinder auf einen anderen kann im Prinzip auf dreierlei Weise erfolgen:
(118) der freie Erfinder kann seine Erfindung einem anderen zur Erlangung von Patentschutz frei durch Vertrag übertragen. Der Vertragsinhalt, insbesondere das Entgelt, wird frei ausgehandelt
(119) der Erfinder ist (das ist der häufigste Fall in der Praxis der Patentanmeldungen) als Arbeitnehmer im privaten oder öffentlichen Dienst tätig. Macht er insofern als abhängiger Erfinder eine Erfindung im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit, so steht kraft Gesetzes dem Arbeitgeber grundsätzlich das Recht auf Erlangung von Patentschutz (oder auf Geheimhaltung) zu. Der Erfinder kann dann besondere Vergütungen beanspruchen. Abweichende Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind nur in beschränktem Maße zulässig. In DE regelt die Einzelheiten das „Gesetz über Arbeitnehmererfindungen“.
RU Art. 1370 (3 ) (4); 1373 ZivGDE § 6 ArbNErfG
(120) außerhalb eines Arbeitsvertrages (Dienstvertrages) kann sich der vertragsgebundene Erfinder durch einen sonstigen Vertrag (Werkvertrag) zur Herbeiführung eines bestimmten Erfolges (z.B. eines technischen Entwicklungs- oder eines wissenschaftlichen Forschungsergebnisses) verpflichten. Das Recht auf Erlangung von Patentschutz am Ergebnis steht dann regelmäßig dem Erfinder zu. Er muss aber dem Auftraggeber die Nutzung des Ergebnisses ermöglichen. Andere Vertragsvereinbarungen sind zulässig.
RU Art. 1371 ZivG
Wann verletze ich das Patent eines anderen?
(121) Ob unbefugte Handlungen Dritter auf dem technischen Gebiet, in dem die patentierte Erfindung liegt, in den geschützten Bereich eindringen und somit