Judith Weber

Aloronice


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es doch auch nicht. Sie hatte ihn magisch angezogen und er war hinter ihr hergegangen, bis er hinter ihr, kaum einen Meter entfernt stehen geblieben war. Sie schien ihn gespürt zu haben, bevor sie ihn hörte, bevor sie sich langsam zu ihm herumdrehte und mit einem Schlag war ihm klar geworden: Er musste weg hier, dies war kein Spaß mehr, dies war zu mächtig für ihn. Das hielt er nicht aus, dass war gefährlich und stellte alles bisherige auf den Kopf. Seine Füße hatten sich nicht von der Stelle bewegt. „Lauf! Beweg dich! Hau ab!" immer wieder kreisten diese Befehle in seinem Innersten, aber er war völlig außerstande gewesen auch nur einen Fuß zu bewegen.

      War es das, worauf ihn sein Großvater immer hatte vorbereiten wollen? Auf die große Liebe, die richtige Frau für ihn?

      „Du wirst es spüren", hatte sein Großvater gesagt, „dich nicht entziehen können, wenn es soweit ist. Der Drang ist stärker als wir!" Claude hatte nur gelacht und nicht wirklich an diese, ach so große Liebe geglaubt.

      Claude saß wieder an seinem Schreibtisch, er ballte die Hände zu Fäusten, damals, zu diesem Zeitpunkt hätte er noch weglaufen können. Hätte er wirklich? Auch heute, bald zwanzig Jahre später, glaubte er die Starre die ihre Anwesenheit bei ihm ausgelöst hatte, in seinem Körper noch zu spüren. Er lehnte sich nach hinten und überließ sich seinen Erinnerungen.

      Schließlich war er doch geflohen, damals in dieser ersten Nacht. Er war aber erst wirklich wach geworden, als Richard ihn gerufen hatte. Er musste sie sehr vor den Kopf gestoßen haben, denn er war ohne ein weiteres Wort davon gelaufen und hatte sie einfach am Strand stehen lassen. Er war gelaufen und gelaufen, er war wirklich weggelaufen und doch hatte er am Ende nicht weglaufen können.

      Sie war und ist mit meinem Schicksal verbunden geblieben. Claude setzte sich an seinen Schreibtisch um Marie eine Antwort zu schreiben.

      Neunzehn Jahre zuvor

      Sie lagen beide auf ihren Betten, dass sie sich ein Zimmer teilten war klar, sie teilten sich auf ihren Reisen schon seit jeher ein Zimmer. Marie lag auf dem Rücken und starrte an die Decke, die Neonbeleuchtung war aus und die Nachttischlampen strahlten ein warmes Licht aus. Außer den Betten waren noch ein Kleiderschrank und ein kleiner, wackeliger Tisch mit zwei ungleichen Stühlen im Zimmer. Die Stühle quollen über von unzähligen Kleidungsstücken, die Thea und sie schon im Laufe der ersten zwei Tage reichlich darauf verteilt hatten. Eine Tür führte in ein winziges Badezimmer.

      Theas Kofferradio spielte leise Musik, es war ein Song von Bryan Adams, unplugged.

      So etwas Blödes war ihr noch nie passiert. Na, der sollte ihr nochmal begegnen, dann würde sie ihn aber abblitzen lassen. Sie war wütend Eine Weile spielte sie in ihrem Kopf all die Möglichkeiten durch, mit denen sie ihm ihre Demütigung von heute heimzahlen wollte.

      Leider konnte sie nicht verhindern, dass sie bei der Vorstellung, er könnte ihr noch einmal so nahe kommen, leicht zu zittern begann.

      Thea schlief schon, es war bald zwei Uhr, Marie hörte wie Thea im Schlaf leicht durch die Nase pustete, sie selbst aber bekam kein Auge zu. Über eine Stunde hatte sie sich gemeinsam mit Thea noch über das unmögliche Betragen der beiden Jungs aufgeregt. Richard hatte sich zwar formvollendet von ihnen verabschiedet, war aber auch unmittelbar nach Claudes rasantem Abgang ziemlich hastig verschwunden.

      Immerhin hatte er, schon im Gehen zwar, aber trotzdem höflich ein „vielen Dank für den netten Abend!", in Richtung Thea gerufen, aber auch von ihm war innerhalb kürzester Zeit keine Spur mehr dagewesen.

      Thea war, im Gegensatz zu ihr, nicht richtig sauer gewesen, eher etwas irritiert. Sie sah die ganze Sache lockerer und stellte abschließend für sich fest, dass „die Jungs eben ziemlich sonderbar" waren. Das wäre dann ja wohl nichts gewesen und morgen könnten sie ja mal die andere Seite der Stadt erkunden, oder sich vor Beginn der Schule noch ein paar passende, dem heißen Wetter angemessene Klamotten kaufen.

      Von dem totalen Aufruhr in ihrem Inneren erzählte Marie ihr nichts, es war ihr ja selbst etwas unheimlich und sie konnte ihren eigenen Gedanken dazu kaum folgen.

      Irgendetwas war anders seit heute Nacht, sie war anders.

      Nun ja, das Problem würde sie heute Nacht nicht mehr lösen und vermutlich bekam die ganze Sache morgen bei Tageslicht sowieso eine weniger wichtige Bedeutung.

      Sie drehte sich zur Seite griff nach dem Kofferradio und drückte den OffSchalter. Dann knipste sie die Nachttischlampe aus, rollte sich unter ihrer Decke zusammen und versuchte die Lücke zwischen ihren Gedanken zu finden, in der sie einschlafen konnte.

      Die nächsten zehn Tage vergingen wie im Fluge. Die Stadt erkunden, shoppen oder sich mit den neuen Bekannten aus dem College den Abend vertreiben. Es gab einige nette Mitschüler hier. Sie kamen aus aller Herren Länder um Französisch zu lernen.

      Ihren Bekanntschaften aus ihrer zweiten Nacht waren sie nicht mehr begegnet. Langsam begann auch Marie zu glauben, dass sie überreagiert und sich die ganze Geschichte mehr oder minder eingebildet hatte.

      Laurents Haus

      Claude saß auf der Treppe zum Haus seines Großvaters und atmete schwer. Er war den ganzen Weg vom Strand bis hierher gerannt. Er hatte nur weg gewollt, weg von diesem Mädchen, weg von seinen Gefühlen und weg von allen Konsequenzen, die diese Begegnung nach sich zog. Er war doch noch gar nicht soweit, er war erst einundzwanzig. Das es irgendwann dazu kommen würde war ihm schon klar gewesen, aber doch noch nicht jetzt, später vielleicht, wenn er älter und reifer war.

      Er hörte Schritte in der engen Gasse und Richard kam schnaufend um die Ecke gebogen.

      „Meine Güte", stöhnte er, „du bist ja gerannt, als ob der Teufel hinter dir her ist. Puh! Ich muss mich erst einmal hinsetzen, mir platzt gleich die Lunge." Er schnaufte immer noch wie eine Dampflok. „Du kannst doch nicht einfach abhauen!"

      „Du weißt doch, dass ich in deiner Nähe bleiben muss", setzte er in leicht vorwurfsvollem Ton hinzu während er sich neben Claude auf die Treppenstufen plumpsen ließ.

      „Ich weiß, es tut mir leid, aber ich hatte doch gar keine andere Wahl als so schnell wie möglich zu verschwinden."

      „So schlimm?" Richard sah ihn von der Seite an.

      „Schlimmer!"

      „Dann hat es dich diesmal richtig erwischt?"

      „Ich weiß nicht - ich denke - ich glaube - ach was weiß denn ich."

      „Oh je!" Richard schaute ihn voller Mitleid an, „ist es soweit?"

      „Mmmmh", Claude dachte nach, seine Nasenflügel zitterten vor Anspannung. Sein Kinn krampfte sich zusammen, so fest biss er seine Zähne zusammen.

      „Richard?" „Ja?" „Du bist doch mein Freund, oder?" „Klar! Immer gewesen", Richard ahnte schon, welche Idee Claude gerade in seinem

      Kopf hin und her wälzte. Er setzte sich gerade hin und blickte Claude direkt ins Gesicht, „das heißt aber nicht, dass ich meinen Auftrag vergessen werde." „Das erwarte ich auch nicht von dir. Ich brauche nur etwas Zeit, bevor wir meinem Großvater darüber berichten. Sieh mal, es kann doch sein, dass ich mich irre und dann war die ganze Aufregung umsonst." „Klar, das könnte möglich sein" Richard war nur zu bereit seinem Freund jegliche, erlaubte Hilfestellung zu leisten. Zumal sonst auch ihr spannendes und unterhaltsames Junggesellenleben ein viel zu schnelles Ende nehmen würde. Das war nun wirklich gar nicht in seinem Sinn.

      „Zwei Monate?"

      „Okay!", sagte Richard, „zwei Monate!"

      „Wenn bis dahin nichts mehr passiert, können wir sicher sein, dass das heute Abend ein Irrtum war."

      „Glaubst du denn, dass es ein Irrtum war?"

      „Ganz ehrlich, ich weiß es nicht, aber ich hoffe es sehr, denn sonst" er schaute Richard voller Verzweiflung an, „kann ich nur noch beten."

      „Wird schon werden, vermutlich sind nur die Hormone mit dir durchgegangen." Richard versuchte sich einzureden, dass es so