Lisa Torberg

Verliebt in meinen Feind


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einer Wohnungstür abgestellten Müllsack getropft war. Humpelnd, da er sich den Fuß verstaucht hatte, war er endlich oben angekommen. Als er aufsperrte, klingelte sein Handy, und anstatt zu duschen und sich um den Knöchel zu kümmern, hatte er geantwortet und sich Cinzias Schimpftirade angehört.

      Erst am Vorabend, als sie ihr Work-out im AvVentura absolvierte, hatte sie erfahren, dass er nicht nur ein paar Tage, sondern wahrscheinlich einige Monate nicht mehr nach Bologna kommen würde. Sie hatte ihn als selbstgefälligen Neandertaler bezeichnet und ihm gesagt, dass er sich ihr gegenüber nicht so verhalten könne. Erst aus ihrem gepfefferten und anhaltenden Monolog hatte er Kenntnis erhalten, dass sie beide verlobt waren und Cinzia mit ihrer Mutter bereits beschlossen hatte, mit der Suche nach der richtigen Kirche und dem perfekten Ort für den Hochzeitsempfang zu beginnen. Das Krächzen, das seiner Kehle entkommen war, hatte sie wohl nicht gehört, denn sie sprach weiter, sehr wohl jedoch sein »Ich will dich nie wieder sehen«. Danach hatte Daniele aufgelegt, eine Moka mit Wasser und Kaffeepulver gefüllt und auf den Herd gestellt und war ins Badezimmer gegangen, um zu duschen. Er seifte sich ein, massierte den verstauchten Knöchel, ließ minutenlang kaltes Wasser darüberfließen. Erst als er sich besser fühlte, stieß er die Duschtür auf und roch den entsetzlichen Gestank, der eindeutig aus seiner Wohnung stammte. Die Moka hatte den Kaffee ausgespuckt, der natürlich zu kochen begann, da niemand dem Herd Einhalt gebot. Und so blubberte das Getränk heraus, stieß mit unanständigen Geräuschen den metallenen Deckel immer wieder nach oben, verdreckte die halbe Küche und bescherte ihm eine Riesensauerei. Als er endlich wieder halbwegs Ordnung geschaffen hatte, war die Moka so weit abgekühlt, dass er einen frischen Kaffee hinstellen konnte, nur schmeckte der dann erbärmlich. Und das war der Punkt, an dem sein Geduldsfaden riss.

      Basta! Schluss! Aus! Ende! Diese Wohnung und diese Stadt waren sein Untergang! Er musste diesen Umstand, der ihm das Leben vermieste, ändern - und zwar so rasch wie möglich!

      Weshalb er Franco nicht anrief und ihm somit kein Wort von all dem sagte, was er sich am Vorabend zurechtgelegt hatte. Was interessierten ihn diese Besitzer eines Fitnesscenters, die er gar nicht kannte, in einer Stadt, die ihm nichts bedeutete? Er würde den Plan seines Bruders durchziehen, die Oasi di Giulia so rasch wie möglich in Misskredit bringen und diesen Leuten das Kaufangebot auf den Tisch knallen, wenn sie am Boden lagen. Das konnte er in kurzer Zeit erreichen, falls er es geschickt anstellte, ganz im Gegensatz zu einer langwierigen Umgarnungsaktion von Bürokraten und Politikern, die womöglich erst in einem Jahr eine Lizenz herausrücken würden. Wobei das absolut nicht sicher war, denn die Schmiergeld-Mühlen mahlten langsam. Man wusste nicht, wie viele Rädchen man schmieren musste, um ans Ziel zu gelangen, und schon gar nicht, ob man alle ölen konnte. Das war alles viel zu zeitaufwendig und unsicher. In der Zwischenzeit würde er zwischen Asphalt, Müll und Lärm absterben wie ein Baum in der Wüste. Niemals! Ein Daniele Barbieri ließ sich nicht unterkriegen! Er würde Nägel mit Köpfen machen und diesen mit einem Fluch belegten Ort so schnell wie möglich wieder verlassen!

      Und so saß er nun in seinem Jeep und fuhr zu diesem Fitnesscenter, um sich als ganz normaler Kunde anzumelden. Er hatte bewusst den Vormittag gewählt, da das Personal mehr auf neue Klienten eingehen konnte als während des feierabendlichen Ansturms. Nur hatte er nicht mit diesem irrsinnigen Verkehr in der Innenstadt gerechnet, der seine Nerven strapazierte. Nach dem Zwischenfall mit der alten Dame von vorhin war er jedoch froh, dass es endlich, wenn auch langsam, voranging.

      Das Navi brachte ihn sicher zur eingegebenen Adresse, und er sah ein großes schwarzes Schild. Ein königsblaues Logo, das aus zwei ineinander verschlungenen Gs bestand, wies auf einen Kundenparkplatz für die Klienten der Oasi di Giulia hin. Er war beeindruckt, als er las, dass Kunden des Fitnesscenters an der Rezeption einen Ausfahrtsjeton erhielten, und drückte den Knopf, um ein Ticket zu ziehen. Er fuhr unter der sich öffnenden Schranke hindurch. Verwundert stellte er fest, dass hier mindestens zwanzig Fahrzeuge Platz fanden. Ein solcher Parkplatz war in der engen Innenstadt absoluter Luxus. Daniele parkte ein, griff nach der Sporttasche und schloss den Wagen.

      Er wusste selbst nicht genau, was er erwartet hatte, aber Giulias Oase war kein einfaches Fitnesscenter. Bereits von außen konnte man erkennen, dass hier zwei nebeneinanderliegende Altbauten innen zu einem einzigen zusammengelegt worden waren. Die Oasi di Giulia erstreckte sich über drei Stockwerke, und das Licht, das aus den hoch angebrachten Fenstern des Kellergeschosses drang, deutete darauf hin, dass auch dieses genutzt wurde. Daniele betrachtete das perfekte Zusammenspiel alter Bausubstanz mit modernen Elementen wie Glas und Metall, als die innere doppelte Glastür lautlos zur Seite glitt. Vor ihm lag ein Rezeptionstresen, an den an einer Seite eine Bar anschloss. Hinter einer Glaswand konnte er in einen großen Raum für Kardiofitness sehen. Er blieb stehen und warf einen interessierten Blick auf die Geräte, als er im Augenwinkel eine Bewegung bemerkte und den Blick nach links wandte.

      Sie musste knapp einen Meter achtzig groß sein, hatte flachsblondes Haar, das sie zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden hatte, und ihre Figur war schlichtweg atemberaubend. Wahrscheinlich ein Model, dachte er. Das enge schwarze Dress, bestehend aus Hosen und einem ärmellosen Shirt, zeigte die Perfektion schlechthin. Danieles Blick glitt von den muskulösen Armen über den Rücken und den wohlgeformten knackigen Po, notierte gedanklich die weibliche Linie der Hüften, landete auf den endlos langen Beinen, als sie sich umdrehte. Er sah auf und hielt den Atem an. Das war kein junges, unbedarftes Mädchen, sondern eine echte Frau! Ihre strahlend blauen Augen lächelten ihm zu, sie hob die Mundwinkel an, links und rechts davon vertieften sich zwei Grübchen, und es war um ihn geschehen. Er wollte die Tasche fallen lassen, sie in den Arm nehmen und mit dem Zeigefinger den perfekt geschwungenen Mund nachzeichnen, bevor er ihn mit seinen Lippen kostete. Doch sie unterbrach ihn mit einer Frage.

      »Kann ich Ihnen helfen?«

      Daher tat er nichts von dem, was er wollte, sondern ging mit ausgestreckter Hand auf sie zu. Sie schlug ein, und ein Kribbeln traf seine Handinnenfläche, bevor es sich langsam in seinem Körper ausbreitete und ihn zum Glühen brachte.

      »Da... Daniele Barbieri«, stotterte er. »Ich bin neu in Verona, wollte mich einschreiben.«

      »Dann sind Sie bei mir genau richtig«, antwortete sie. »Ich bin Giulia Gudmundsdottir, die Geschäftsführerin. Herzlich willkommen in der Oasi di Giulia

      Er ließ ihre Hand los, als ob er sich verbrannt hätte, was ja irgendwie auch der Fall war, und starrte sie an.

      Sie war der Feind!

      Die Frau, die er um ihr Unternehmen erleichtern musste, damit er diese Stadt wieder verlassen konnte!

      »D-danke. Ja, also ich ...«

      Giulia spürte, wie ihr Lächeln langsam gefror. Sie kniff die Augen ein wenig zusammen und seufzte innerlich genervt auf. Manchmal wünschte sie sich wirklich, einfach nur auszusehen wie jede andere x-beliebige Norditalienerin, die sie kannte. Zwar hatte sie sich im Lauf ihres beinahe vierzigjährigen Lebens bereits an so gut wie jede Erscheinungsform einer verblüfften Reaktion gewöhnt, aber so übertrieben baff, wie der junge Schnösel tat, der ihr gegenüber am Tresen stand, hatte schon lange niemand mehr reagiert, der sie zu Gesicht bekam und ihren abenteuerlichen Namen hörte.

      »Okay«, sagte sie schnell, als von ihm keine weitere Reaktion kam als ein dümmliches Grinsen. »Unsere Anmeldeformulare haben wir hier. - Annarita, kannst du mir mal bitte eins rüberreichen?«

      Ihre Vertraute und Rezeptionistin warf Giulia einen vielsagenden Blick zu, als sie ihr das Blatt über den Tresen schob. Offensichtlich war das merkwürdige Verhalten des neuesten Mitglieds auch ihr aufgefallen, was bedeutete, dass sie es sich nicht eingebildet hatte.

      »Hier. Und da ist auch ein Stift. Füllen Sie das bitte aus, damit wir Sie in unsere Kartei aufnehmen können. Die Daten werden weitergeleitet an die nationale Laiensportlervereinigung, den Ausweis bekommen wir zugeschickt und geben ihn dann an Sie weiter.«

      »Ich weiß, ich ... war schon mal in einem Studio Mitglied«, sagte er hastig, als er offenkundig