Lisa Torberg

Verliebt in meinen Feind


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mir geht es sehr gut. Lass mich raten - du bist in der Stadt?«

      »Ab morgen für drei Tage, und ich kann es kaum erwarten, dich endlich wieder zu spüren! Ich habe außerdem zufällig gesehen, dass Zucchero übermorgen Abend ein Saisonabschlusskonzert in der Arena gibt, und werde versuchen, noch zwei Karten für uns zu ergattern, was meinst du? Hoffentlich bekomme ich noch etwas unten im Parkett, aber wenn das nicht geht, dann eben irgendwo anders.«

      »Ach was!«, neckte sie lachend. »Der große Carlo Marangon würde sich auch auf die Steinstufen der Seconda Gradinata setzen?«

      »Mit dir schon, tesoro, und vor allen Dingen mit der Aussicht auf dein weiches, kuscheliges Bett danach! Also? Magst du?«

      »Also gut - dann kümmere dich darum, aber erwarte dir nicht zu viel. Soweit ich gehört habe, gibt es nur noch Schwarzmarktkarten, und die zu horrenden Preisen.«

      »Dolcezza, du weißt doch, dass es mir egal ist, was sie kosten. Ich möchte mir mit dir einen schönen Abend machen, egal, um welchen Preis.«

      »Ja, ich weiß.« Merkwürdig - es war das erste Mal, dass sie seine Art als unangenehm empfand. Und wann hatte er eigentlich angefangen, sie Dolcezza, Süße zu nennen? Sie war alles Mögliche, aber sicher nicht süß!

      »Giulia? Bist du noch dran?«

      »Ja, Carlo, natürlich, ich war nur gerade kurz abgelenkt.«

      »Sag mal - ist das Straßenlärm bei dir im Hintergrund?«

      »Ja - warum?«

      »Was machst du um diese Zeit auf der Straße?«

      »In einem Café sitzen.«

      »Ist das nicht sehr ungewöhnlich für dich?«

      »Na ja - eigentlich schon, aber mir war heute danach.«

      »Ah ... so. Aber sonst ist alles in Ordnung bei dir, oder?«

      War es denn wirklich so verdammt merkwürdig, dass sie mal fünf Minuten ausspannte? »Ja, alles in Ordnung. - Carlo, weil ich dich gerade am Telefon habe ... denkst du, du schaffst es dieses Jahr zu meinem Geburtstag? Ich habe mitbekommen, dass sie mir im Studio eine kleine Feier ausrichten wollen, und ich fände es schön, wenn du auch ...«

      »Giulia!« Er klang unüberhörbar genervt. »Du weißt doch selbst, was für ein ungünstiges Datum das ist! Ich kann nicht einfach alles liegenlassen und mir einen Liebesurlaub gönnen. Die Zwillinge sind gerade in einem sehr schwierigen Alter und wollen an Allerheiligen ihre Party haben. Du weißt doch hoffentlich, dass das eine uralte italienische Tradition ist, oder?«

      »Ja, auch wenn ich einen isländischen Vater habe, ist das nicht an mir vorbeigegangen«, erwiderte sie bissiger, als sie eigentlich vorgehabt hatte.

      »Na also. Dann verstehst du mich ja hoffentlich.«

      »Ich verstehe dich immer - und zwar schon seit zwei Jahren, falls dir das nicht aufgefallen ist.«

      »Nun sei doch nicht gleich so zickig, Liebes! Du wusstest von Anfang an, dass ich Kinder habe und wir uns nur sporadisch sehen würden. Und wenn ich mich nicht irre, war dir das auch sehr recht so.«

      »Nein, du irrst dich nicht«, gab Giulia lahm zu.

      »Na also. Sollte sich deine Meinung dazu geändert haben, dann fände ich es sehr angenehm, du würdest mich vernünftig darüber informieren, anstatt mir hier am Telefon eine vollkommen nutzlose, emotionale Szene zu machen.«

      »Ich mache dir keine Szene, Carlo, ich lade dich zu meinem vierzigsten Geburtstag ein«, wies sie ihn kühl zurecht. »Tut mir leid, dass ich gefragt habe, okay? Sag mir noch Bescheid wegen der Karten. Bis dann also!«

      Ohne Carlos Antwort abzuwarten, legte sie auf. Ungläubig starrte sie das Telefon an.

      Was war das denn gerade gewesen?

      Seit sie mit dem Investmentbanker vor gut zwei Jahren dieses lockere Verhältnis ohne Rechte und Pflichten eingegangen war, hatten sie nie auch nur die geringste Meinungsverschiedenheit gehabt. Dazu sahen sie sich auch viel zu selten, und genau so hatte es ihr gefallen. Was war nur heute mit ihr los, dass sie aus heiterem Himmel einen Streit mit ihm vom Zaun brach?

      Aber Halt!, mahnte sie sich. Sie hatte ihn nur gefragt, ob er mit ihr Geburtstag feiern würde, und er hatte daraufhin unerwartet gereizt reagiert.

      Wahrscheinlich hatte er gerade Stress mit seiner Noch-Ehefrau. Sie hatten die separazione legale eingereicht und sich offiziell getrennt, doch der Kinder wegen lief nicht alles so reibungslos, wie er sich das vorstellte. Das bekam sie, Giulia, nun offensichtlich zu spüren.

      Entschlossen leerte sie den Rest ihres Cappuccinos, und zum ersten Mal, seit sie Carlo kannte, drängte sich ihr die Frage auf, wo diese Einbahnstraße eigentlich hinführen sollte. Dann aber schob sie den unliebsamen Gedanken, der sofort von der Erinnerung an zwei dunkelbraune Augen begleitet wurde, wieder beiseite und machte sich auf, dem Seniorenheim ihren wöchentlichen Besuch abzustatten.

      Ihre sportbegeisterten Senioren würden sie schnell wieder in die Spur bringen.

      Hoffte sie zumindest.

      In der letzten Stunde hatte er sich ausgepowert, die Hantelstange überstrapaziert und dabei immer wieder Enzos Blick auf sich gespürt. Daniele wusste, dass seine Muskelmasse engagierten Bodybuildern, zu denen der Fitnesstrainer unübersehbar gehörte, ein nahezu mitleidiges Lächeln abrang. So war es auch gewesen, als er in Trainingshosen und Muskelshirt nach einer halben Stunde auf dem Laufband den Kraftraum betreten hatte. Jetzt lächelte Enzo nicht mehr, ganz im Gegenteil. Er legte ein betont desinteressiertes Verhalten an den Tag und ging zwischen den Geräten herum, die von einigen Frauen benutzt wurden. Der späte Vormittag war in allen Fitnesscentern, bis auf wenige Ausnahmen, dem schwachen Geschlecht vorbehalten. Leider! Denn Daniele spürte auch hier, wie im AvVentura in Bologna, die Blicke einiger Damen auf sich. Nur störte es ihn daheim weniger, da es sich um Teilnehmerinnen seiner Kurse handelte. Hier kam er sich hingegen vor wie Freiwild. Wie hatte er nur die Zielscheibe auf seiner Stirn vergessen können?

      Die zugegebenermaßen gut aussehende, jedoch total überschminkte Dunkelhaarige, die seit etwa einer Viertelstunde genau seiner Hantelbank gegenüber die Beinmaschine benutzte, würde in wenigen Stunden aufgrund der Überproduktion von Milchsäure mit O-Beinen herumlaufen. Er wich ihrem lasziven Blick aus, legte sich wieder zurück und griff nach der Stange, um seine letzte Serie zu beginnen. Es fehlte nur noch, dass sich ausgerechnet hier eine Frau an ihn heranmachte. Die Oasi di Giulia war für ihn nichts anderes als berufliches Terrain und seine Aufgabe hier sehr hart, musste er doch versuchen, unerkannt jeden Winkel des Fitnesscenters auszuloten, um raschestens einen Plan zu entwickeln. Er stemmte die Stange hoch und hievte sie in ihre Halterung, setzte sich auf und griff nach dem Handtuch.

      »Ciao, bist du neu hier?«

      Daniele zuckte zusammen. Ihre quietschende Stimme drang ihm durch Mark und Bein. Notgedrungen, denn ignorieren half nichts, hob er den Kopf an, stand dabei auf und überragte sie prompt um eine Haupteslänge. Er überlegte schon, ob er sie ganz einfach übersehen sollte, entschied sich dann dagegen. Feinde konnte er hier drinnen bei dem, was er vorhatte, nicht brauchen. Ganz im Gegenteil, er musste sich Freunde schaffen und, so wenig Lust er auch darauf hatte, dieses Opfer bringen. Er verzog seine Mundwinkel nach oben und grinste.

      »Sieht man das?«, beantwortete er die ihre mit einer Gegenfrage.

      Sie blinkerte mit den Augen. Er konnte sehen, wie schwer ihr die Bewegung der Lider fiel, auf denen eine doppelte Reihe falscher Wimpern klebte, ganz abgesehen von Kajal, Lidschatten und Glitzerzeugs.

      »Ja, na ja ... Na eigentlich nicht ... Ich meine ...«

      Und dumm war sie offenbar auch. Volltreffer! Daniele verdrehte die Augen - natürlich nur in Gedanken - und wartete. Aber