Torben Stamm

Beyl und MacGarney


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kauften Schals aus Wolle, die sie niemals tragen würden. Schließlich bogen sie in eine Straße links ab und folgten dem abschüssigen Weg hinunter zu einem kleinen Laden: In dessen Auslage lag ein Schwein. Der Verkäufer pulte mit einer Gabel Fleisch heraus.

      „Sehr gut“, seufzte MacGarney, dessen Magen auf dem Boden hing.

      Sie bestellten zwei Portionen Pulled Pork mit Barbecue Sauce im Brötchen und setzten sich auf einen der wenigen Stühle, die der Laden für seine Kunden bereithielt.

      „Wie lange brauchen die von der Spurensicherung wohl?“, fragte Beyl. Sein Kollege kaute noch, zuckte aber mit den Schultern.

      „Ohne brauchbare Hinweise kommen wir nicht weiter.“

      MacGarney nickte. Er schluckte das Fleisch runter: „Stimmt. Im Grunde hat die Alte Recht gehabt. Wir müssen bei denen etwas Stress machen, damit sie uns schnell was liefern. Wir könnten auch diesen Arthur schon mal überprüfen.“

      Sie kauten weiter. Der Laden füllte sich immer mehr. Nach einiger Zeit hatte sich eine Schlange gebildet, die bis auf die Straße reichte.

      „Da haben wir aber Glück gehabt“, sagte Beyl mit einem Blick auf die vielen Leute. MacGarney wischte sich mit einer Serviette den Mund ab, dann zog er sein Handy aus der Tasche.

      „Was hast du vor?“

      „Stress machen.“

      MacGarney wählte eine Nummer, dann hielt er sich den Hörer ans Ohr. Es dauerte etwas, bis sich jemand meldete: „Hallo. Hier MacGarney... Ja... Wie sieht es aus? .... Na hört mal, ihr wart schon vor uns da...Wir brauchen was, ist mir egal, dass ihr viel zu tun habt... Die Chefin ist schon sauer... Bis später...“ Er drückte weg und grinste: „Wir sollen so gegen fünf mal vorbei kommen.“

      Beyl verzog das Gesicht: „So spät? Ich wollte heute mal pünktlich nach Hause und was mit meiner Frau machen.“

      MacGarney nickte: „Stimmt. Hast du gesagt. Dann fahre ich alleine hin. Ich habe heute nichts weiter vor.“

      „Ist das für dich OK? Wenn was Wichtiges dabei rum kommt, ruf durch und ich komme.“

      MacGarney machte eine wegwerfende Handbewegung: „Schon OK.“

      Sie standen auf und fuhren zurück in Richtung Revier.

      Der Leichenkeller

      MacGarney fuhr mit dem Aufzug in den Keller. Hier waren die Knochenbrecher untergebracht, die man lieber nicht so nennen sollte. Er hatte es einmal probiert, aber offensichtlich durfte man keinen Sinn für Humor haben, wenn man hier arbeitete.

      Beyl war nach Hause gefahren. Er hatte Frau und Kind, da musste man Rücksicht nehmen. MacGarney hingegen war allein. Nicht freiwillig, aber das Resultat war das gleiche: Er hatte Zeit und war froh, wenn er nicht alleine irgendwo rumsitzen musste.

      Die Fahrstuhltüren glitten auf: Ein klinischer Geruch drang sofort in MacGarneys Nase. Er verzog das Gesicht. Absolut ekelhaft!

      Er ging einen kurzen Gang entlang und klopfte an eine Bürotür.

      „Herein!“, rief eine bekannte und verhasste Stimme.

      MacGarney öffnete die Tür und betrat das Büro. Lobs saß hinter seinem Schreibtisch und tippte mühsam einen Bericht in den PC.

      „Wo haben Sie denn Ihren Kollegen gelassen?“, fragte er.

      „Der hat zu tun. Sie werden mit mir Vorlieb nehmen müssen.“

      Lobs Gesicht war anzusehen, was er davon hielt, aber er behielt jeden Kommentar für sich. MacGarney nahm auf einem Stuhl vor dem Schreibtisch Platz: „Also?“

      „Wir haben nicht viel gefunden. Das Opfer starb durch Strangulation mit einem Telefonkabel. Es hat sich gewehrt.“

      „Das ist ja was Neues.“

      „Sehr witzig. Sie wollten, dass es schnell geht, also unterbrechen Sie mich nicht, dann sind wir hier auch schnell durch. Also weiter: Wir haben einen Computer gefunden. Unsere Technik ist noch dabei, ihn zu untersuchen. Er ist aufwändig geschützt. Ansonsten haben wir keinerlei persönliche Gegenstände gefunden. Für einen Mann im Urlaub erstaunlich.“

      „Keine Bücher oder so? Nichts?“

      „Nein. Ich frage mich, was er den ganzen Abend gemacht hat. Im Hotel gibt es kein Internet. Der PC wird ihm nur begrenzt etwas gebracht haben.“

      MacGarney kratzte sich am Kinn. „Fingerabdrücke?“, fragte er.

      „Ja, das ist das einzige, was wirklich interessant war.“

      MacGarney horchte auf.

      „Überall im Zimmer sind nur Fingerabdrücke des Opfers. Normalerweise finden sich auch vom Personal welche wieder. Das sollten Sie überprüfen.“

      „Also ist das Aufregende, dass es nichts gibt?“

      „Nicht ganz: Wir haben einen einzelnen Abdruck gefunden.“

      MacGarney lehnte sich nach vorne: „Einen Abdruck? Vielleicht hat der Mörder den Handschuh zu früh ausgezogen.“

      „Das kann sein. Aber das wissen wir nicht. Wir konnten ihn bisher noch keiner Person zuordnen. Wir haben eine Schnellabfrage mit der Datenbank gestartet, aber es gab keinerlei Übereinstimmungen. Jetzt läuft die große Abfrage, aber das kann dauern.“

      „Interessant.“ MacGarney lehnte sich wieder zurück. Sein Gegenüber schaute ihn an: „Das war alles.“

      MacGarney nickte.

      „Sie können jetzt gehen.“

      Edinburgh bei Nacht

      MacGarney verließ den Pub so gegen elf Uhr. Er hatte sich in der Old Town noch zwei Pints gegönnt und ging nun im gemächlichen Tempo die Hauptstraße hoch. Er kannte viele Einwohner, die diese Gegend nicht mehr so mochten. Zu viele Touristen, alles nur noch Kommerz. Das stimmte wohl, aber er war aus einem anderen Grund hier: Das Castle, angestrahlt bei Nacht, war ein so erhabener Anblick! Schon als Kind hatte ihn die Festungsanlage fasziniert und das hatte sich in all den Jahren nicht geändert.

      Er erreichte den Platz, der der Burg vorgelagert war. Einzelne Touristen machten Fotos oder schauten links über die Brüstung auf die Straße hinab.

      MacGarney schlenderte zur rechten Seite des Platzes. Er setzte sich auf den Boden und lehnte sich an eine Mauer: Rechts lag das Castle, links der Weg in die Old Town. Es war eine milde Nacht.

      Er kam oft hierher: Zuhause fiel ihm die Decke auf den Kopf. Seine Frau war vor vier Jahren bei einem Verkehrsunfall verstorben. Seitdem hatte er mehr Zeit, als ihm lieb war. Er konnte Beyl verstehen, der pünktlich nach Hause wollte, um mit seiner Familie Zeit zu verbringen. Das hatte er damals auch getan.

      Er griff in seine Jackentasche und fischte ein Notizbuch und einen Stift hervor. Er kniff die Augen zusammen: Das Licht auf dem Platz war nicht sehr hell, aber ausrechend. Dann fing er an zu schreiben.

      ***

      Beyl lag im Bett. Er schaltete sein Handy auf den Flugmodus und legte es zur Seite. Neben ihm lag seine Frau, die bereits eingeschlafen war.

      Beyl griff nach seinem eBook-Reader, um noch etwas zu lesen: Die unterhaltsame, leicht verdauliche Geschichte des Polizisten Marius Baga, der in Wien ermittelt.

      Bewegung

      Beyl und MacGarney trafen fast gleichzeitig im Büro ein.

      „Und?“, erkundigte sich Beyl. „Was hat unser Experte aus dem Keller für uns gehabt?“

      „Einen Daumenabdruck. Ansonsten waren nur Abdrücke vom Sebstein da.“

      MacGarney griff zum Telefon: „Ja. Ich würde gerne mit