Torben Stamm

Beyl und MacGarney


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Er legte auf und grinste Beyl an: „Das war ein komischer Kerl. Er hat explizit darum gebeten, dass sein Zimmer nicht betreten oder gereinigt wird.“

      „Er hat es nicht putzen lassen oder so?“

      „Nein.“

      Beyl rümpfte die Nase: „Das ist verdächtig. Interessant. Ich denke, es lohnt sich, mehr über ihn rauszufinden. Was hat er überhaupt beruflich gemacht?“

      Sein Partner schüttelte den Kopf: „Das weißt du nicht? Vielleicht solltest du dich mal mehr um deinen Job kümmern.“ Beyl sah ihn verärgert an: „Du weißt es also?“

      „Yep.“

      „Und?“

      „Er hat in einer Bank gearbeitet.“

      Beyl zog die Augenbrauen hoch: „Und als was?“

      „Keine Ahnung. Ich würde sagen, wir fahren mal hin und fragen nach.“

      Beyl schüttelte den Kopf: „Wir können die Stadt nicht verlassen.“

      „Müssen wir nicht.“

      „Wie meinst du das?“ Beyl war wieder überrascht.

      „Naja“, sagte sein Kollege. „Der Gute hat anscheinend vor kurzem seine Wohnung gekündigt, einen Nachsendeantrag zum Hotel gestellt und ist dann dort abgestiegen.“

      Beyl verstand nichts mehr: „Moment: Willst du mir sagen, der wohnte in Edinburgh, hat sich aber ein Hotelzimmer genommen und seine Wohnung gekündigt?“

      „Ja.“

      Beyl schüttelte den Kopf: „Es wird immer seltsamer.“

      Die Bank

      Die Bank residierte in einem alten, erhaben wirkenden Gebäude. Der Eindruck von Erhabenheit wurde allerdings relativiert, sobald man die Geschäftsräume betrat: Alles war modern, offen und schnell.

      Beyl und MacGarney wurden in ein Büro im dritten Stock (von fünf) gelotst, wo sie einem dicken Mann in einem maßgeschneiderten Anzug gegenüber Platz nahmen. Der Mann hatte eine Espressotasse vor sich stehen, die vor dem Hintergrund seiner Fülle noch kleiner wirkte als ihre Artgenossen.

      „Sie wollen über Sebstein sprechen“, stellte der Mann fest, der sich als Henry Lamrad vorgestellt hatte - Leiter der Personalabteilung.

      „Stimmt, es gibt da einige Fragen, wie Sie sich sicher denken können.“ Beyl setzte sein freundlichstes Lächeln auf. MacGarney auch, aber er wirkte noch immer genervt.

      „Kann ich verstehen. War ein guter Mann.“

      „Was hat er denn hier gemacht?“, erkundigte sich Beyl.

      „Naja. Er war ein Nerd. Ein PC-Freak.“

      „Und das bedeutet was?“, fragte MacGarney.

      Lamrad schaute ihn abschätzig an: „Das bedeutet, dass er für unser Institut komplexe Finanzprodukte entwickelt hat.“

      MacGarney grinste: „Solche Produkte, die uns den Scheiß mit der Bankenkrise beschert haben?“

      Lamrads Stirn legte sich in Falten. Er verkehrte nicht in Kreisen, die derart aufmüpfig waren.

      „Nein. Er hat seriöse Produkte zusammengestellt und die Berechnungen durchgeführt. Die Nerds sind in unserem Geschäft echte Goldesel. Wenn man einen guten hat, versucht man ihn für immer zu binden.“

      Beyl hakte nach: „Und Sebstein war ein guter Goldesel?“

      Lamrad lachte: „Oh ja. Er hat großartige Produkte zusammengebastelt, die nur er verstanden hat. Allerdings waren sie alle in Ordnung, das muss ich nochmal dazu sagen. Nicht, dass hier ein falscher Eindruck entsteht.“

      MacGarney grinste gehässig: „Keine Sorge, hier entsteht kein falscher Eindruck. Sie haben ja schon gesagt, dass Sie die Produkte nicht verstanden haben.“

      Lamrad schnappte nach Luft, aber bevor er auf die unflätige Bemerkung eingehen konnte, ging Beyl zur nächsten Frage über: „Hatte er hier Kollegen? Oder Feinde? Freunde?“

      „Lassen Sie mich mal überlegen: Freunde? Nein. Feinde - eher nicht. Kollegen? Puh.“ Er kratzte sich am Kopf: „Die sitzen alle in ihren engen Räumen und hämmern den ganzen Tag auf ihre Maschinen ein. Kann man es Kollegen nennen, wenn sie sich auf dem Flur begegnen?“

      Beyl notierte sich ein paar Sachen im Handy: „Hatte er denn einen Teamleiter oder so?“

      Lamrad nickte: „Klar, unser Ober-Nerd. Philips.“

      „Können wir mit ihm sprechen?“

      Der Ober-Nerd

      Lamrad hatte nicht gelogen, als er von kleinen, engen Räumen gesprochen hatte. Die Technik-Abteilung befand sich im Keller, abgeschottet vom Rest des Betriebs. Beyl hatte den Eindruck, dass die Bank zwar die Dienste der Männer am PC brauchte, aber doch sicherstellen wollte, dass sie nicht versehentlich mit echten Kunden in Kontakt kamen.

      Philips, Abteilungsleiter der Produktentwickler, saß in einem Büro, dass etwas größer zu sein schien als die übrigen Räume.

      Er trug eine runde Brille, einen langen Pferdeschwanz und ein schlappriges T-Shirt. Er schaute nervös von einem Polizisten zum anderen. Lamrad hatte es vorgezogen, in seinem Büro zu bleiben.

      „Guten Tag, Mr. Philips. Ich denke, Sie wissen, warum wir hier sind“, begann Beyl. Philips begann nervös mit den Augen zu klimpern.

      „Es geht um Sebstein. Er ist tot. Schrecklich.“

      „Genau.“ Beyl nickte. „Sie waren sein Vorgesetzter. Hatte Mr. Sebstein in der Bank Freunde oder Feinde?“

      Philips legte den Kopf schräg und dachte nach. Dann schüttelte er den Kopf: „Nein. Hier bleibt jeder für sich allein. Sehen Sie, hier sind nur riesige Egos unterwegs. Jeder hält sich für den Besten.“

      „Und Sie sind der Beste, weil Sie der Boss sind!“, sagte MacGarney, der Philips etwas aufbauen wollte. Der schaute nur irritiert: „Ich? Nein, die sind alle besser als ich. Aber ich habe ein gutes Händchen für Menschen.“

      MacGarney schaute ihn sehr erstaunt an. Beyl half ihm aus: „Dann haben Sie sicher öfters mit Sebstein gesprochen?“

      „Nein.“

      „Aber Sie haben doch ein Händchen für die Leute hier. Das bedeutet doch, dass Sie mit ihnen sprechen, oder?“

      „Nein.“

      „Was bedeutet es denn dann?“ Beyl war verwirrt.

      „Naja, ich weiß, was sie brauchen, um zu arbeiten. Was die optimalen Bedingungen sind. Und wenn Sie doch mal über ihre Arbeit sprechen, kann ich sie verstehen.“

      MacGarney fuhr sich mit der Hand über seine Glatze: „Was genau machen Sie denn dann den ganzen Tag hier unten?“

      „Ich?“

      „Ja.“

      „Ich überwache, dass jeder am Platz ist, dass es keinen Streit gibt...“

      „Streit?“ MacGarney lehnte sich in seinem Stuhl nach vorne.

      „Ja. Manchmal gibt es Ärger. Zum Beispiel, wenn zwei an dem gleichen Problem arbeiten und der einer dann schneller fertig ist.“

      „Kam das bei Sebstein auch vor? Dass er Streit hatte?“, fragte Beyl.

      „Nein. Wenn er an ein Problem ging, haben sich die anderen rausgehalten. Er war sowas wie ein Rockstar. Er war der Beste.“

      „Dann gab es doch bestimmt Leute, die neidisch auf ihn waren?“ Beyl zog sein Handy raus, um sich Notizen zu machen.

      „Kann sein. Aber ich denke nicht, dass einer so wütend war, dass