Melanie Weber-Tilse

Heil mich, wenn du kannst


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ging ihr Atem und ihre Pupillen waren geweitet. Jedoch nicht wie bei ihrem Ex aufgrund von Drogen, sondern durch den Schock, der ihr in den Knochen saß. Mit sanften Druck rieb er über ihre Hände, hielt ihren Blick gefangen und spürte, wie sie merklich ruhiger wurde.

      »Danke«, wisperte sie und er schüttelte den Kopf. »Nicht dafür.«

      Er setzte sich neben sie, ohne jedoch ihre Hände loszulassen.

      »Dein Ex also, hm?«

      »Dieser Idiot«, zischte sie. »Was hat den nur geritten?«

      »Ach Laura, der stand unter Drogen und war nicht mehr wirklich zurechnungsfähig. Hat er dich schon öfter belästigt?« Aufmerksam musterte er sie.

      »Seit ich ihn das letzte Mal mit dieser Schlampe erwischt habe, ruft er immer wieder an. Aber das jetzt …?«, sie entzog ihm ihre Hände und raufte sich die Haare.

      »Du solltest Anzeige erstatten.«

      »Was? Nein, es ist sicher nur ein Ausrutscher gewesen.«

      »Ein Ausrutscher?« Er zog eine Augenbraue hoch. »Dafür, dass er dir fremdgegangen ist und dich gerade in sein Auto zerren wollte, hältst du aber noch enorm zu ihm.«

      »Er war nicht immer so«, versuchte sie, ihren Ex tatsächlich zu verteidigen.

      »Ach? War er nicht?«

      »Nein, war er nicht. Sonst wäre ich wohl nicht mit ihm zusammen gewesen«, fauchte sie Ryan an. »Danke für deine Hilfe, aber ich komme jetzt alleine klar.« Wütend sprang sie auf und eilte den Weg zurück ins Zentrum.

      Grübelnd sah Ryan ihr nach. Ihr Verhalten war wirklich merkwürdig. Aber eigentlich konnte es ihm egal sein. Sie hatte wieder den Giftzwerg raushängen lassen und ihm deutlich gesagt, dass es ihn nichts anging. Verstand einer die Frauen, er tat es nicht und hatte eigentlich auch nicht vor, es zu tun. Hauptsache willig unter ihm und sie kicherten nicht.

      Wobei, Laura hatte er noch nicht wirklich kichern hören. Lachen ja, aber nicht dieses mädchenhafte Verhalten. Grinsend stand er auf und schüttelte den Gedanken daran ab, zwischen ihren Schenkeln zu liegen und ihr andere Töne als ihr Gemecker zu entlocken.

      Als endlich Feierabend war, zog er sich hastig um, aber von Laura sah er nichts mehr. Weder im Aufenthaltsraum, in den er kurz schaute, noch in den Gängen traf er sie.

      »Mr. Baker«, hielt ihn Susan Weatherbee auf. »Auf ein Wort?« Sie wies mit dem Kopf hinter sich zu ihrer Bürotür.

      »Setzen Sie sich doch bitte.« Selbst setzte sich Susan hinter ihren Schreibtisch, auf dem sich Akten und Papiere türmten. »Ich wollte Ihnen danken, dass Sie vorhin die Situation auf dem Parkplatz so besonnen gelöst haben.«

      »Das war nicht der Rede wert.« Er fragte sich, wann die Sprache auf seine Verspätung heute Morgen kommen würde.

      »Und ich wollte mich entschuldigen, dass ich Sie nicht selbst in Empfang nehmen konnte, aber das Chaos«, sie wies mit der Hand über ihren Schreibtisch, »hat mich noch voll im Griff. Ich hätte noch so viel zu tun, aber zu Hause warten meine Kinder auf mich.« Seufzend stand sie auf und er folgte ihr nach draußen. »Ich hoffe, Laura hat Ihnen schon einiges zeigen können.«

      »Ja, das hat sie.« Hatte der kleine Giftzwerg also anscheinend dichtgehalten.

      »Ich hoffe, es gefällt Ihnen bei uns. Ihre Schwester ist recht besorgt, dass Sie die Arbeit hier hinwerfen.« Susan lächelte ihm zu, während sie zusammen den Ausgang ansteuerten.

      »Ich kann es ihr noch nicht einmal verübeln«, brummelte er.

      »Geschwister«, zwinkerte sie. »Ich sehe es jetzt schon an meiner Kleinen, wie sie ab und an eifersüchtig auf ihren Bruder ist.« Sie waren am Eingang angelangt. »Ich wünsche Ihnen einen schönen freien Tag, Mr. Baker.«

      Er sah Susan, die jetzt nicht nur die Chefin seiner Schwester, sondern auch seine war, nach, wie sie zu ihrem Auto ging. Ryan hatte wirklich gedacht, dass sie mit einem Chauffeur gefahren wurde, aber nein, sie fuhr ihren eigenen Wagen, wenngleich das Modell sehr alt und teuer aussah.

      Er konnte immer mehr nachvollziehen, dass seine Schwester so sehr von ihr schwärmte. Nach dem Vorfall mit der Gang hatte er einige Male Lorraine in ihrem neuen Zuhause besucht und auch hin und wieder Susan, die Kinder und Michael Thompson angetroffen.

      Sie winkte ihm noch einmal zu, dann fuhr sie vom Parkplatz herunter und gab den Blick auf die anderen Autos frei, die noch alle dort standen. Bei einem stand die Fahrertür auf und wenn er sich nicht täuschte, war das Lauras Wagen. Anstatt Feierabend zu machen und sich auf seine Maschine zu schwingen, ging er langsam näher. Ihre Tasche lag auf dem Beifahrersitz, aber sie war nicht zu sehen. Erst, als Ryan das Auto umrundete, sah er sie auf dem Grünstreifen davor sitzen, den Kopf zwischen die Beine geklemmt.

      »Laura? Alles in Ordnung bei dir?« Er ging vor ihr in die Hocke und sie hob ihr Gesicht an. Sie war blass um die Nase.

      »Ja, geht schon, mir ist nur ein wenig schlecht geworden.«

      Seufzend hielt er ihr seine Hand entgegen, die sie fragend anschaute. »Ich bring dich nach Hause.«

      »Aber …«, hub sie an, was er sofort unterbrach.

      »Giftzwerg, dein aber ist mir egal. Dir hat das mit deinem Ex mehr zugesetzt, als du zugeben möchtest … hoch mit dir.«

      Schnaubend ließ sie sich hochziehen. »Giftzwerg?«

      Er grinste breit. »Wusste ich doch, wie ich dich munter bekomme. Autoschlüssel.«

      »Handtasche«, murrte sie.

      Er hielt ihr die Beifahrertür auf, sie kramte den Schlüssel hervor und reichte ihn mit einem Funkeln in den Augen weiter. Wahrscheinlich war sie kurz davor, ihm das Ding in den Oberschenkel zu rammen. Dass er sie duzte, schien gegen das Wort Giftzwerg nur ein kleines Vergehen zu sein. Und doch händigte sie ihm den Schlüssel aus.

      »Wo wohnst du?«, fragte er, nachdem er eingestiegen und den Motor gestartet hatte. Sie nannte ihm die Adresse und er fädelte sich in den Verkehr ein.

      »Da vorn …«

      »Laura, ich weiß, wo ich lang muss. Ich habe lange genug für die Gang Besorgungen und Erledigungen tätigen müssen, sodass ich New York bestens kenne.«

      »Gang«, kam es schnaubend von ihr.

      »Ja, Gang.« Er sah den abfälligen Blick, den sie ihm zuwarf, aus dem Augenwinkel. »Mit Vorurteilen hatte ich dort jedenfalls nie zu kämpfen«, murmelte er, was sie nach Luft schnappen ließ.

      »Ich habe dich nicht darum gebeten, mich nach Hause zu fahren, Ryan Baker.«

      »Hättest du auch nie. Wahrscheinlich denkst du jetzt auch nur, dass ich dich fahre, damit ich dich ficken kann.«

      »Das stimmt doch überhaupt nicht«, empörte sich Laura laut. »Warum unterstellst du mir einfach …«

      »Ach? Wer ist denn diejenige mit den Vorurteilen?«, schnitt er ihr das Wort ab. »Junger Typ aus einer Gang, kommt gleich am zweiten Tag zu spät und fickt sowieso alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist.«

      »Tust du?«

      Irritiert hätte er fast die rote Ampel übersehen. »Was tue ich?«

      »Na, mit jeder Frau ins Bett gehen?«

      Sie waren an ihrem Wohnhaus angekommen und Ryan stellte den Motor aus. Langsam drehte er sich zu Laura herum, legte den Arm auf ihrer Rückenlehne ab und beugte sich zu ihr herüber.

      Ihre Augen weiteten sich und ihr Atem ging hektischer. Er rückte noch ein Stückchen näher und sie war gefangen in seinem Blick. Hektisch leckte sie sich über die Lippen, die Ryan noch nie so genau betrachtet hatte. Mit seiner freien Hand strich er ihr eine verirrte Haarsträhne hinter das Ohr und ließ seine Finger zurück über das Ohrläppchen gleiten.

      »Weißt du, Laura«, raunte er. »Die Idee mit dem Ficken