Melanie Weber-Tilse

Heil mich, wenn du kannst


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über den Arm und sofort verstand er. Die beiden waren nicht abgeneigt, mit ihm zu kommen. Einen Dreier hatte er noch nicht gehabt und dann dazu auch noch so zwei süße Dinger?

      »Macht’s gut, Debbie und Leyla«, rief da Laura und winkte den beiden Mädels zu.

      »Auf Wiedersehen, Laura«, echoten beide gleichzeitig und bei Ryan zog sich alles zusammen. Er musste schon zugeben, dass zwischen Ms. Higgins und den Zweien Welten lagen.

      »Mädels, ich muss wirklich los.« Er schnappte sich den Helm und zog ihn auf.

      »Wie schade«, schnurrte Leyla, oder war es Debbie? »Was machst du denn am Wochenende, vielleicht könnte man sich dann treffen?«

      »Sorry, Nachtdienst.« Ryan stieg auf die Maschine und ließ den satten Sound hören. Hatte er eben noch den Dienst am Wochenende verteufelt, so kam ihm dieser gerade gelegen. Beim Wegfahren winkte er kurz und fädelte sich in den dichten New Yorker Verkehr ein.

      Fast eine Stunde Fahrzeit kostete es ihn, zum Zentrum oder von dort nach Hause zu kommen, und er würde morgen, wenngleich der Verkehr in den frühen Morgenstunden nicht halb so schlimm war, schon um fünf Uhr losfahren müssen.

      Er war kaum zur Tür herein, als sein Telefon klingelte. Natürlich, wie hätte es auch anders sein können, seine große Schwester.

      »Hi Sister, was gibt’s?«

       »Och, ich wollte nur hören, wie es dir geht?«

      »Na klar, einfach mal so. Bist du mit deinem Babysitterjob etwa nicht ausgelastet genug, oder bringt’s Nathan nicht mehr?«

       »Ryan!«

      »Ist ja gut, Rain. Ich hab den Tag überlebt. Laura fand mich wohl ziemlich daneben und ich musste, urgs, ich darf da gar nicht dran denken, jemanden waschen.«

      Leises Kichern war durch den Hörer zu vernehmen. »So, so. Mein Bruder, der große Macho musste also schon richtig ran. Wer ist Laura?«

      »Ich bin einer Sklaventreiberin zugeteilt. Die versteht keinen Spaß, ziemlich verschroben. Laura Higgins.«

       »Hört sich für mich perfekt an, kleiner Bruder. Wird Zeit, dass dir jemand Manieren beibringt. Und wenn es durch eine Krankenschwester und Hintern abwischen passiert, umso besser.«

      Ryans Grummeln war nur allzu deutlich durchs Telefon zu hören. »Wolltest du mich eigentlich nur beleidigen?«

       »Natürlich nicht. Wo denkst du hin.«

      »Kümmer du dich mal um deinen Nathan, ich werde meine Beine hochlegen und meinen Feierabend genießen. Bye, Schwesterchen.«

      Bevor sie noch etwas sagen konnte, hatte Ryan das Gespräch beendet, holte sich eine Coke aus dem Kühlschrank und warf sich aufs Sofa.

      Noch einmal ließ er seine erste Schicht Revue passieren. Klar, da waren süße Schwestern und Laura … war echt ne heiße Braut. Aber jeden Tag dieses Elend vor Augen zu haben und Ärsche abwischen? Er war sich nicht sicher, ob er das ein halbes Jahr durchhalten würde. Immerhin gab es nur ein winziges Taschengeld und er musste schauen, wie er sich den Rest finanzierte. Im Haus konnte er mietfrei wohnen, aber seit einiger Zeit musste er die Nebenkosten selbst zahlen. Essen, sein Motorrad, Spritkosten. All das würde er über kurz oder lang nicht nur damit bezahlen können. Er wünschte sich die Gangzeiten nicht zurück, aber da hatte er immer Kohle locker gehabt. Hier und da mal ein Einbruch und schon ging es weiter.

      Aber er hatte seiner Schwester versprochen, keine krummen Dinger mehr zu drehen und seit sie mit dem ehemaligen Cop zusammen war, war es generell besser, wenn er von den illegalen Dingen seine Finger ließ.

      Als es keine zwei Minuten später an der Tür klingelte, stand Ryan mit einem Stirnrunzeln auf. Seine Kumpels schliefen noch und würden, wenn sie vorbeikamen, gegen Abend rein schneien. Hoffentlich waren ihm die zwei Mädels nicht hinterhergefahren und standen nun kichernd vor seiner Tür.

      Er spähte, was er noch nie getan hatte, am Flurfenster durch den Vorhang und seufzte dann erleichtert auf.

      »Was willst du denn hier?« Ryan riss die Tür so schnell auf, dass der arme Terry zwei Schritte nach hinten wich.

      »Ryan«, druckste der Kleine rum. »Mann, ey, ich brauche deine Hilfe.«

      Laura

      432 Park Avenue. Noch immer war Laura beeindruckt, wenn sie ihr schäbiges Auto in die Tiefgarage des eleganten Gebäudes fuhr, der Parkwächter sie freundlich begrüßte und ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, ihren Wagen auf einen Parkplatz fuhr, als sei er wirklich kostbar. Juliette Franklin, Lauras beste Freundin seit Kindertagen, wohnte gemeinsam mit ihrem Freund Patrick St. Claire hier und während sie auf den Aufzug wartete, der sie ins Penthouse bringen würde, rieb sie sich müde übers Gesicht.

      »Du gehst auch zum Lachen in den Keller, oder?«, hallte die Stimme des neuen Zivis in ihrem Kopf nach. Ryan hatte sich nicht so dumm angestellt, wie sie erwartet hatte, sondern war im Großen und Ganzen sogar überraschend gut mit den Patienten klargekommen, insbesondere mit den weiblichen.

      »Ich soll sein … sein Ding anfassen?« Ein Grinsen machte sich auf ihrem Gesicht breit, wenn sie an das Entsetzen von Ryan dachte, als sie ihm aufgetragen hatte, den Patienten zu waschen.

      Mit leisem Bling öffneten sich die Türen des Fahrstuhls, sie trat ein und gab den vierstelligen Code ein, den sie von Juliette erhalten hatte. Kaum hörbar setzte sich der Aufzug wieder in Bewegung.

      »Laaaaa!«, freudestrahlend fiel Jules ihr um den Hals, kaum, dass sie oben angekommen war. »Ich habe gerade mit meiner Mutter telefoniert und sie hat mir schon erzählt, dass du auch für sie zuständig bist!«

      Laura lachte leise. »Ja, ich habe bei der Verteilung der Patienten speziell darum gebeten, dass ich auch Paige betreuen darf.«

      »Jetzt komm erst mal rein, du siehst sehr müde aus!« Juliette nahm sie bei den Händen und zog sie ins Innere des geräumigen Lofts, in das sie vor einigen Monaten mit eingezogen war.

      »In der letzten Zeit bin ich wirklich ein bisschen schlapp«, gab Laura zu. »Ich schätze, wenn die erste große Einzugswelle vorbei ist und sich alles etwas eingespielt hat, wird das auch wieder besser! Des Weiteren habe ich ab heute jemanden an der Seite, der Sozialstunden ableisten muss, von Mr. Thompson persönlich ausgewählt. Wobei ich mir bei Ryan noch nicht sicher bin, ob er mir wirklich eine Hilfe sein wird.«

      Ausgestattet mit zwei großen Gläsern Eistee setzten sich die beiden Frauen auf das elegante Sofa im Wohnzimmer. »Warum keine Hilfe?«, wollte Jules wissen. Seufzend erzählte Laura von den Ereignissen am heutigen Tag. Doch anstatt den Kopf zu schütteln und sie zu bedauern, kicherte Juliette. »Ich bewundere dich wirklich, La! Ich glaube, ich hätte mich nicht zurückhalten können und laut gelacht, als dieser Ryan euren Patienten nicht anfassen wollte.«

      Bevor Laura antworten konnte, machte sich ihr Smartphone mit einem lauten Klingeln bemerkbar. Sie zog das Handy aus der Tasche, warf einen Blick darauf und seufzte. »Na, der hat mir grad noch gefehlt«, murmelte sie und erhob sich. »Entschuldige mich kurz!«

      Mit finsterem Gesicht stellte sie sich an die große Fensterfront und blickte hinaus auf die Skyline von New York, ehe sie das Gespräch annahm. »Was willst du, David? Ich habe dir gesagt, du sollst mich nicht mehr anrufen!«

      »Baby ... es tut mir so leid!«, erklang eine weinerliche Stimme an ihrem Ohr. »Bitte komm zurück zu mir, ich schwöre dir, es wird nicht wieder vorkommen!«

      »Ist klar! Genauso, wie es die letzten beiden Male nie wieder vorgekommen ist?«

       »Nein, Baby, so glaub mir doch! Das mit Debbie war ein Fehler und ich habe daraus gelernt.«

      »Oh, das trifft sich wirklich gut«, sie schnaubte verächtlich. »Ich habe nämlich auch daraus gelernt! Geh zu deiner rothaarigen Schlampe mit den unechten Wimpern und